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Politik: Union: Schuldenziel nicht zu schaffen

Merz rechnet mit Blauem Brief aus Brüssel / Stuttgarter Finanzminister beklagt fehlende Steuereinnahmen

Berlin. Während Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) unverändert davon ausgeht, das Euro-Stabilitätskriterium bei der Neuverschuldung einhalten zu können, sieht die Union dieses Ziel als unerreichbar an. Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) hält es für ausgeschlossen, dass Deutschland das der EU gegebene Stabilitätsversprechen einhalten wird. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) sagte, das Ausmaß der katastrophalen Neuverschuldung werde erst nach der Wahl deutlich. Nach einem „Spiegel“-Bericht gehen Experten in Eichels Ministerium von einer Defizitquote von 3,5 Prozent aus.

Von Antje Sirleschtov

Stratthaus sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, das Ziel, die Neuverschuldung der staatlichen Haushalte bis 2004 auf nahezu Null zurückzuführen, „ist nicht erreichbar". Der Grund liege in den wegbrechenden Steuereinnahmen und den „sehr ehrgeizigen“ Ausgabenzielen. Mitte März hatten sich die Finanzminister von Bund und Ländern im Nationalen Stabilitätspakt auf dieses Ziel geeinigt, um einen „Blauen Brief“ aus Brüssel wegen Verstoßes gegen das Schuldenkriterium abzuwehren. Im Maastricht-Vertrag ist festgelegt, dass das Haushaltsdefizit im Sinne einer stabilen Währung nicht mehr als drei Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachen dürfe.

Ein Sprecher Eichels wies den Bericht zurück, nach denen Mitarbeiter des Hauses das Defizit für das laufende Jahr bereits auf 3,5 Prozent berechnet hätten. Das Ministerium bereite dieser Tage die Quartalsberichte an die Brüsseler EU-Kommission vor, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel am Sonntag. Wann die Ergebnisse vorlägen, sei offen. Der Sprecher wies Vermutungen zurück, dass Eichel erst nach der Bundestagswahl in drei Wochen den aktuellen Verschuldungsbericht nach Brüssel absenden will. Der fristgerechte Termin wäre Anfang September.

Nach Berichten der „Welt“ und des Magazins „Focus“ hat das Statistische Bundesamt für das erste Halbjahr ein Defizit von 36,29 Milliarden Euro errechnet. „Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen errechnet sich für das erste Halbjahr 2002 eine Defizitquote von 3,5 Prozent“, zitierte die „Welt“ den Chef-Volkswirt der Düsseldorfer Landesbank WestLB, Ulrich Hombrecher.

Das Bundesfinanzministerium betonte dagegen, dass von Halbjahresergebnissen noch nicht auf das Gesamtjahr geschlossen werden könne. Unionsfraktionschef Friedrich Merz erwartet indes als Folge eines Defizits oberhalb der Drei-Prozent-Grenze einen Blauen Brief aus Brüssel. Das werde die Abschlussbilanz von Rot-Grün sein. Eichel geht bislang davon aus, dass die Neuverschuldung bei 2,5 Prozent liegen werde. Die EU-Kommission rechnet bis dato mit 2,8 Prozent. Nach einem Bericht des „Spiegel“ will Eichel in einem Brief an EU-Kommissar Pedro Solbes darlegen, dass die Lage derzeit noch zu unübersichtlich sei, um einen Jahreswert angeben zu können. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ berichtet, die EU-Kommission gehe davon aus, dass Deutschland in diesem Jahr die Marke von drei Prozent überschreiten werde. Ein entsprechendes Mahnschreiben solle aber nicht mehr vor der Bundestagswahl am 22. September verschickt werden. Demnach soll Deutschland diesmal nicht nur mit einer Frühwarnung davonkommen, wie sie im Frühjahr von der Kommission empfohlen worden war.

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