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13 Menschen kamen bei dem Attentat auf dem Oktoberfest 1980 ums Leben.

© dpa

Oktoberfest-Attentat von 1980 wird neu aufgerollt: Waren die Ermittler auf dem rechten Auge blind?

Zum Attentat auf dem Oktoberfest in München, bei dem vor 34 Jahren 13 Menschen ums Leben kamen, wird neu ermittelt. Es ist eine Zeugin aufgetaucht, deren Aussage die These von einem Einzeltäter in Frage stellt.

Nach dem Auftauchen einer zuvor unbekannten Zeugin hat die Bundesanwaltschaft neue Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat vor 34 Jahren angeordnet. Generalbundesanwalt Harald Range beauftragte am Donnerstag das bayerische Landeskriminalamt, sich wieder mit dem von vielen Zweifeln an einer Einzeltätertheorie begleiteten Fall zu befassen. Zweifel an der Einzeltätertheorie zu dem mit dreizehn Toten schwersten Terroranschlag nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland halten sich seit Jahren. Doch die Ermittler konnten bisher neben dem beim Anschlag ums Leben gekommenen Studenten Gundolf Köhler keine weiteren Täter ausmachen.

Nun gibt es Hinweise auf "bislang unbekannte Mitwisser"

Range ordnete nun die neuen Ermittlungen wegen der Aussage der neuen Zeugin an. Es gebe durch sie Hinweise auf "bislang unbekannte Mitwisser", sagte der Generalbundesanwalt. Sie sagt, sie habe am Tag nach dem Attentat zufällig im Kleiderspind eines Kollegen einen vervielfältigten Nachruf auf Gundolf Köhler liegen sehen, der im NS-Jargon abgefasst gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt allerdings war noch gar nicht bekannt gewesen, dass Köhler ein Nazi gewesen ist. Der Besitzer des Spindes musste also Insiderwissen gehabt haben.

Range sagte, die Aussage der Frau habe die neuen Ermittlungen veranlasst. "Wir werden unsere Ermittlungen allerdings nicht auf die Zeugin und deren Angaben beschränken. Vielmehr werden wir allen Ansatzpunkten zur Aufklärung der Hintergründe des heimtückischen Mordanschlags erneut und umfassend nachgehen."

Bayerns Innenminister Herrmann fordert "restlose Aufklärung"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte die Wiederaufnahme der Ermittlungen. "Es geht hier um den schwersten Terroranschlag seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland - mit den meisten Todesopfern. Wir sollten alles für die restlose Aufklärung der Hintergründe dieses schrecklichen Attentats tun, auch wenn schon 34 Jahre vergangen sind." Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamts werde die Zeugenaussagen umfassend auswerten und allen Spuren sorgfältig nachgehen.

Ein Mahnmal am Haupteingang zum Münchner Oktoberfest erinnert heute noch daran, was an dieser Stelle am 26. September 1980 geschehen war. Es war abends um 22.19 Uhr, als viele Besucher aus dem Ausgang strömten: Der 21-jährige Rechtsextremist Gundolf Köhler, ein Geologiestudent aus Donaueschingen, hatte eine gewaltige Bombe in einem Abfalleimer gezündet. 13 Menschen starben bei der Detonation, darunter war er selbst. Damalige Fotos vom Tatort zeigten ein Bild des Grauens. Verletzte lagen blutüberströmt auf dem Boden, Leichenteile waren durch die Luft gewirbelt worden. 200 Menschen wurden teils schwer verletzt, zahlreiche Opfer sind bis heute traumatisiert.

Franz Josef Strauß versuchte, die Verantwortung Linksradikalen zuzuschieben

Am nächsten Tag blieb die Wiesn geschlossen. Doch dann entschieden sich die Verantwortlichen zum Weitermachen, das Fest öffnete wieder seine Pforten. Kurze Zeit lang versuchte der damalige Unions-Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes, die Verantwortung Linksradikalen zuzuschieben. Für die Ermittler war nach zwei Jahren klar: Der Geologiestudent Köhler war ein Einzeltäter, er wurde als labil beschrieben, kam mit dem Leben nicht zurecht. Täter tot, das Verfahren wurde geschlossen. Verantwortlich dafür war damals der stramm konservative und 2005 verstorbene Generalbundesanwalt Kurt Rebmann.

Waren die Ermittler damals auf dem rechten Auge blind? Es war die Zeit des RAF-Terrors. Konnte oder wollte man sich Gewalt von der entgegengesetzten Richtung nicht vorstellen?

Schon damals vor 32 Jahren gab es Zweifel an dieser Einzeltäter-Theorie. Denn manches sprach dafür, dass Köhler Helfer aus dem rechtsextremen Milieu hatte. Er selbst war einige Zeit Mitglied der "Wehrsportgruppe Hoffmann" gewesen, die damals im Wald mit Waffen den nationalsozialistischen Kampf geprobt hatte. Opfer und deren Angehörige wendeten sich an den Münchner Rechtsanwalt Werner Dietrich. Die Aufklärung des Oktoberfest-Attentates wurde zu seinem Lebenswerk, neben ihm hat vor allem auch Ulrich Chaussy, ein Journalist  des Bayerischen Rundfunks, über Jahrzehnte hinweg recherchiert.

Schon damals gab es Hinweise auf Hintermänner

Es gab Hinweise auf rechtsextreme Hintermänner - diese waren schon 1982 bekannt gewesen. Allerdings wurden sie von den Ermittlern nicht ausreichend verfolgt. So existierten Zeugen, die gesehen haben wollten, dass sich Köhler kurz vor dem Zünden der Bombe mit anderen Männern unterhalten hat. Doch die Zeugen wurden nicht ernst genug genommen, ein möglicherweise wichtiger ist schon bald darauf verstorben. Es gab eine Spur zu dem rechtsextremen Förster und  Waffenhändler Heinz Lembke, der eine baugleiche Bombe hergestellt haben soll wie die bei dem Attentat verwendete. Einen Tag vor seiner Vernehmung 1981 hatte er sich in seiner Gefängniszelle erhängt.

Bis 1997 wurden 500 Asservate von dem Attentat vernichtet. Anwalt Dietrich hält das für einen "Skandal", denn die heutige DNA-Technik könnte wichtige Ergebnisse liefern. So waren in Köhlers Auto Kippen von sechs verschiedenen Zigarettenmarken gefunden worden. Wer hat sie geraucht?

Werner Dietrich hat nun als neuen Zeugen einen ehemaligen Computerexperten, der Köhler auch kurz vor dem Anschlag mit anderen Männern gesehen haben will. Sie sagt, sie habe am Tag nach dem Attentat zufällig im Kleiderspind eines Kollegen einen vervielfältigten Nachruf auf Gundolf Köhler liegen sehen, der im NS-Jargon abgefasst gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt allerdings war noch gar nicht bekannt gewesen, dass Köhler ein Nazi gewesen ist. Der Besitzer des Spindes musste also Insiderwissen gehabt haben. (mit AFP)     

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