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Angela Merkel (CDU), ehemalige Bundeskanzlerin, applaudiert neben Friedrich Merz.

© dpa / Christoph Soeder

Altkanzlerin zur Russlandpolitik: Angela Merkel rät, Putin ernst zu nehmen

Bei der Eröffnung der neuen Helmut-Kohl-Stiftung zieht Angela Merkel Lehren aus dessen Kanzlerschaft. Und spricht auch über Wladimir Putin.

Angela Merkel kann sich noch gut an ihr Kennenlerngespräch mit Helmut Kohl im Herbst 1990 erinnern. Sie habe sich akribisch alle möglichen politischen Fragestellungen vorbereitet, sei aufgeregt angereist, erzählt die Altkanzlerin. Doch als sie dann im Bonner Kanzleramt zusammensaßen, habe Kohl dann im Kern nur eine Frage an sie gehabt: „Wie verstehst Du Dich mit anderen Frauen?“ Bald darauf wurde Merkel Bundesministerin für Frauen und Jugend in Kohls Kabinett.

Es sind sehr persönliche Erinnerungen, die Angela Merkel am Dienstagabend teilt. Sie spricht in der Französischen Friedrichstadtkirche in Berlin auf der ersten Veranstaltung der 2021 eingerichteten Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung. Anlass ist Kohls Wahl zum Kanzler im Bundestag vor fast 40 Jahren, am 1. Oktober 1982.

Merkel leitete einst das Ende der Ära Kohl ein

Angela Merkel steht in sonnengelbem Blazer auf der Bühne und spricht das Schlusswort. In einem „Grußwort“ zu Beginn hatte schon CDU-Chef Friedrich Merz an Kohls prägende Rolle bei der deutschen und europäischen Einigung erinnert. Das Zusammentreffen der beiden alten Rivalen Merkel und Merz war mit Interesse erwartet worden. Aber auch Merkels Verhältnis zu Kohl war alles andere als spannungsfrei.

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Merkel war es einst gewesen, die 1999 als CDU-Generalsekretärin das Ende der Ära Kohl einleitete. Die Partei befand sich wegen der Spendenaffäre in der Krise. Merkel veröffentlichte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ einen Gastbeitrag, in dem sie die ihre Partei dazu aufrief, sich von Kohl zu lösen. Sie schrieb: „Die Partei muss laufen lernen.“

Wer den aktuellen Milchpreis nicht kannte, galt in seinen Augen als abgehoben.

Angela Merkel über Helmut Kohl

In ihrer Rede am Dienstagabend konzentriert sich Merkel auf die Kanzlerschaft Helmut Kohls, auf seine Verdienste. Darauf, was man von ihm lernen konnte – was auch sie von ihm gelernt hat. Sie sei eine „neugierige Schülerin von Helmut Kohl“ gewesen, erzählt sie. Drei Prinzipien politischer Staatskunst stellt Merkel heraus.

Das erste: die Bedeutung des Persönlichen. Kohl habe sich für Menschen interessiert, ihm sei es um persönliche und charakterliche Eigenschaften gegangen. Und er habe versucht, eine Verbundenheit zum normalen Leben zu behalten. „Wer den aktuellen Milchpreis nicht kannte, galt in seinen Augen als abgehoben.“

Das konnte er wirklich. Auf den richtigen Zeitpunkt warten und ihn dann instinktiv erkennen.

Angela Merkel über Helmut Kohl

Das zweite Prinzip fasste Merkel mit dem berühmten Satz Kohls zusammen: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“. Kohl habe gewusst, dass man auch manchmal Umwege machen müsse, um ans Ziel zu kommen, aber er habe das Ziel nie vergessen. Das richtige Timing sei entscheidend. „Das konnte er wirklich. Auf den richtigen Zeitpunkt warten und ihn dann instinktiv erkennen.“

Und die dritte Eigenschaft Kohls, die sie sehr bewegt habe, sei seine Fähigkeit gewesen, sich in andere hineinzuversetzen. Kluge Politik, das habe Kohl gewusst, verlange ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und eine Bereitschaft, den anderen verstehen zu wollen.

Denken an den „Tag danach“ - auch im Verhältnis mit Russland?

Die große Frage aber, die über der Veranstaltung schwebt und die auch Friedrich Merz stellt: Wie würde Helmut Kohl heute handeln? Diese Frage habe sie sich selbst oft in schwierigen Situationen gestellt, erzählt Merkel. Deshalb wage sie eine Antwort darauf. „Helmut Kohl würde heute zum einen alles daran setzen, die Souveränität und die Integrität der Ukraine zu schützen und wiederherzustellen.“ Zugleich sei Kohl niemand gewesen, der in Fragen von Krieg und Frieden den „Tag danach“ aus dem Blick verlor. Er habe immer auch den „Tag danach“ mitgedacht.

Auf heute übertragen würde Kohl „parallel immer auch das im Moment so Undenkbare, schier Unvorstellbare mitdenken - nämlich wie so etwas wie Beziehungen zu und mit Russland wieder entwickelt werden können“, sagt Merkel. Ähnliches hatte vor einigen Monaten der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plöttner gefordert.

Merkel spricht auch über Wladimir Putin. „Man sollte seine Worte ernst nehmen“, sagt sie. Und sie ergänzt: „Worte ernst zu nehmen, sie nicht von vornherein damit abzutun, sie seien nur ein Bluff, sondern sich ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen, das ist beileibe kein Zeichen von Schwäche oder Beschwichtigung, sondern ein Ausweis politischer Klugheit.“ Was die Altkanzlerin sagt, könnte sich auf die Drohungen Putins mit Atomwaffen beziehen.

Überschattet wird die Veranstaltung zu Ehren Kohls von einem Brief seiner Witwe Maike Kohl-Richter. Sie protestiert in einem neuen Schreiben an den Kuratoriumsvorsitzenden Volker Kauder erneut grundsätzlich gegen die staatliche Stiftung, die Kohls „postmortale Rechte“ verletze und droht mit einer Klage. Aussicht auf Erfolg hat sie dabei aber wohl nicht. Gegen die Errichtung der Stiftung hätte sie eine Klage einreichen können. Die Frist dafür ist aber bereits im Juni abgelaufen.

CDU-Chef Merz dagegen lobt die Stiftung. Er wünsche sich, dass die Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung es als ihren Auftrag begreife, die „Geschichte von Helmut Kohl weiterzudenken“.

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