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Russische S-300-Flugabwehrsysteme.

© IMAGO/SNA

Wegen Waffenknappheit in der Ukraine?: Russland zieht Flugabwehrraketen aus St. Petersburg ab

Von den 14 Militärbasen, die die Stadt umgeben, wurden vier geräumt. Schutzlos ist die Metropole dennoch nicht.

Nach Recherchen des finnischen Nachrichtenportals „Yle News“ hat Russland Flugabwehrraketen von mehreren Militärbasen rund um die Stadt St. Petersburg abgezogen. 14 Militärbasen umgeben die zweitgrößte Stadt Russlands, vier von ihnen wurden nun vollständig geräumt.

Sehr wahrscheinlich werden die Waffen für einen Einsatz in der Ukraine gebraucht. Durch den Abgleich von Satelliten-Bildern konnte das Portal die Waffenverschiebungen dokumentieren.

Welche Raketen wurden abgezogen?

Laut „Yle News“ sollen mindestens 22 Abschussplattformen und über 100 Raketen des Flugabwehrsystems S-300 aus den verschiedenen Militärbasen abtransportiert worden sein. Das S-300-System stammt noch aus Zeiten der Sowjetunion und wird zur Abwehr gegnerischer Kampfflugzeuge und Marschflugkörper eingesetzt.

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Warum zieht Russland Raketen aus dem Nato-Grenzgebiet ab?

Vor etwas mehr als einer Woche teilte der amerikanische Verteidigungsminister in einem Briefing folgendes mit: In den Munitionslagern der russischen Streitkräfte komme es zu Engpässen. Der Kreml würde daher nun in Nordkorea Raketen und Granaten kaufen, heißt es. Es könnte sich dabei „um Millionen Patronen, Raketen und Granaten handeln“, sagte Verteidigungsminister John Kirby. Auch der britische Geheimdienst meldete jüngst Nachschubprobleme auf Seiten der russischen Streitkräfte.

Zudem gibt es immer wieder Berichte, wonach insbesondere die älteren Sowjet-Waffensystem nicht zu den zuverlässigsten zählen und immer wieder Defekt seien. Ein Abzug der S-300-Systeme aus St. Petersburg, um etwaige Lücken zu füllen, gilt angesichts derartiger Meldung als wahrscheinlich.

Schwächt Russland dadurch seine Position im Nato-Grenzgebiet?

Zumindest Russlands Verteidigungsposition rund um St. Petersburg hält der langjährige Militärbeobachter für die Region, Marko Eklund, im Gespräch mit „Yle News“ nicht für geschwächt. Die verbleibenden neueren Nachfolge-Modelle des Typs S-400 mit höherer Reichweite würden diese Aufgabe ebenso erfüllen.

Die Sorge, Russland könnte Nato-Mitgliedsstaaten im Osten zunehmend bedrohen oder gar eine zweite Front eröffnen, bleibt aber unbegründet. Viel mehr sieht sich Russland offensichtlich gezwungen, alle noch verfügbaren Waffen für seine schleppende Invasion in der Ukraine zu mobilisieren.

Wie steht es generell um Russlands Waffenarsenal?

Für westliche Beobachter ist es schwierig, Einblick in das Waffenarsenal des russischen Militärs zu bekommen. Während die Ukraine aus bekannten Gründen ihren Bedarf öffentlich kommuniziert, lässt sich über den Verbrauch und die Reserven Russlands nur mutmaßen.

Der Russe Pavel Luzin, Experte für internationale Beziehungen und Verteidigung, schrieb kürzlich auf der Investigativplattform „The Insider“, dass Lenkraketen bereits knapp seien. Granaten für Artillerie würden bis Ende des Jahres aufgebraucht und auch keine gepanzerten Fahrzeuge mehr vorhanden sein. Aufgrund der Sanktionen könne Russland die industrielle Produktion von Waffen nicht in vollem Umfang fortsetzen und seine Vorräte nicht rasch auffüllen, so Luzin.

Für den Russland- und Osteuropa-Experten Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) stellen sich viele Fragen, die schwer einzuschätzen sind: „Wie viel Munition hat Russland im syrischen Bürgerkrieg eingesetzt beziehungsweise an Assad geliefert? Da ist ja viel abgegangen. Wieviel haben sie noch im Lager? Und wie viel behalten sie davon zurück für den Fall anderer Konflikte?“

Gressel geht davon aus, dass sich Russland in der Ukraine nicht komplett verschießt, „sondern für den Fall einer breiteren Konfrontation mit der Nato noch gewisse Munitionsreserven zurückbehält“, sagt er dem Tagesspiegel.

Der russische Ökonom Maxim Mironov, Professor für Finanzwirtschaft an der IE Business School in Madrid, glaubt zudem, dass die westlichen Importverbote bestimmter High-Tech-Produkte die Produktion neuer Waffen in Russland zunehmend lahmlegen würden. „Kurzfristig ist das einer der größten Probleme Russlands mit Blick auf den Krieg“, sagte er im Gespräch mit dem Tagesspeiegel. (Tsp)

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