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Feierliches Gelöbnis neuer Rektrut:innen zum Gründungstag der Bundeswehr am 12. November 2022

© Imago/Christian Spicker

Wehrpflicht kehrt nicht schnell wieder: Die Bundeswehr sucht andere Wege aus der Personalnot

Der Bundeswehr fehlen Soldatinnen und Soldaten. Doch die Rufe nach einer neuen Wehrpflicht verhallen. Intern geht es eher um andere Ideen.

Sie ist fast so etwas wie eine einsame Ruferin – und weiß trotzdem die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Am Wochenende hat die SPD-Politikerin Eva Högl als Wehrbeauftragte des Bundestags der „Funke Mediengruppe“ berichtet, „dass die Soldatinnen und Soldaten sich eine Rückkehr zur Wehrpflicht wünschen“.

Diese ist seit 2011 ausgesetzt, was angesichts der neuen sicherheitspolitischen Lage 61 Prozent der Deutschen gerne rückgängig gemacht sähen, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos Anfang März feststellte.

Politische Mehrheiten gibt es allerdings nicht dafür. „Die Wehrpflicht bleibt aus der Zeit gefallen“, sagte Sara Nanni, die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, dem Tagesspiegel.

Der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber verweist darauf, dass die Wehrpflicht zuletzt das Gleichheitsgebot verletzt habe, als die Truppe nur noch für einen kleineren Teil der Jahrgänge Verwendung hatte „und junge Menschen nach dem Zufallsprinzip eingezogen wurden“.

Zu wenig Kasernen, zu wenig Ausbider

Sein Hauptargument ist auch das der Bundesregierung. Nach dem Wechsel hin zur spezialisierten Berufsarmee stünden, so Faber, „weder die personellen Kapazitäten, die materielle Ausstattung noch die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung, um Hunderttausende Menschen auszubilden – alleine die Vorbereitung darauf würde Jahre in Anspruch nehmen und Unsummen verschlingen“. Vor diesem Hintergrund hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit die ganze Debatte schon im Februar als „unsinnig“ bezeichnet.

203.000
Soldatinnen und Soldaten soll die Bundeswehr 2031 haben – jetzt sind es 183.000.

Für „wertvoll“ hält der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dennoch die erweiterte und längerfristige Debatte über ein „Gesellschaftsjahr“ für junge Männer und Frauen, wie es Högl anregt, oder über eine „Pflichtzeit“ im Dienste der Allgemeinheit, wie sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier befürwortet. Für die Bundeswehr wäre der Vorteil, dass sich nur der wirklich motivierte Teil bestimmter Jahrgänge für die Truppe entscheiden würde.

Kurz- und mittelfristig muss die Bundeswehr ihre Personalprobleme anders lösen. Denn das ausgegebene Ziel, von aktuell gut 183.000 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2031 zu wachsen, liegt in weiter Ferne. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Truppe sogar leicht geschrumpft, obwohl die Zahl der Neueinstellungen stieg.

Dem Verteidigungsministerium zufolge wird bereits viel getan – die öffentlichen Kampagnen sind bekannt. Bei der sogenannten Personalbindung sind etwa vergangenes Jahr in bestimmten Bereichen Prämien eingeführt worden, wenn sich freiwillig Wehrdienstleistende eine Karriere als Berufssoldat einschlagen oder einer von diesen sich für eine längere Verpflichtung entscheidet.

Truppe soll attraktiver werden

Diese Ansätze des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr wurden in Högls Jahresbericht jedoch bereits als „nicht ausreichend“ bezeichnet. Die Attraktivität der Truppe hänge auch an Ausrüstung, Infrastruktur und Arbeitsorten, die nicht auf Kosten der Familie gehen. Kasernen müssten so liegen, dass es „Laufbahnen ohne etliche Umzüge ermöglicht.“

Im Kampf gegen die Personalnot spielen aber auch die bis zu 825.000 Reservistinnen und Reservisten eine Rolle. Diese verfügten über, so eine Ministeriumssprecherin, „die gleiche allgemein-militärische und militärfachliche Expertise wie die aktive Truppe“ und somit über jene „Qualifikationen, die in der Bundeswehr beim Aufwuchs der Streitkräfte benötigt werden“.

Auch für die Grünen-Politikerin Nanni ist klar, „dass die Reserve eine viel größere Rolle bei der Verteidigung spielen wird“, weshalb sie auch „attraktiver“ werden müsse.

Die Zahl der beorderten Reserveangehörigen ist seit 2017 von 28.000 auf 36.000 gestiegen. Damit sie weiter wächst, soll es einer Sprecherin des Verteidigungsministeriums zufolge mehr Übungsmöglichkeiten geben. Die Reserve solle „mittelfristig über eine den aktiven Soldatinnen und Soldaten vergleichbare persönliche Ausstattung verfügen“ und „mit der aktiven Truppe gleichwertig Aufgaben übernehmen können“. Aus den früheren regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanien wurden bereits 30 Heimatschutzkompanien gebildet – sieben weitere werden bis 2025 folgen.

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