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Verständigung möglich? Kanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef Friedrich Merz.

© Imago/Photothek/Florian Gaertner

Weiterer Migrationsgipfel mit Merz und Scholz: Was kann die Union der Ampel abringen?

Kanzler Scholz will sein Gespräch mit Oppositionsführer Merz fortsetzen. Der CDU-Chef hatte zuvor einen Forderungskatalog in der Migrationspolitik vorgelegt.

Bestätigt ist noch nichts, dementieren wollen Kanzleramt und Konrad-Adenauer-Haus ein weiteres Treffen von Regierungschef Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) aber genauso wenig.

Gerüchte über einen nächsten migrationspolitischen Gesprächstermin am Freitag, noch vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag zum selben Thema, fallen ja auch nicht vom Himmel, da Scholz seinem neuen Brieffreund Merz erst vorige Woche schrieb: „Gerne sollten wir unser gemeinsames Gespräch fortsetzen.“

Was aber kann das bringen? Bei der ersten Kanzleramtsrunde hatte Merz einen Forderungskatalog mit 26 Punkten übergeben, mit denen die Unionsfraktion die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge senken will. Das Ziel der „Begrenzung“ soll gesetzlich festgeschrieben werden, der Kanzler eine entsprechende Regierungserklärung halten, an den Grenzen nicht nur registriert, sondern auch zurückgewiesen werden.

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Die Union verlangt von der Ampel, das Aufnahmeprogramm Afghanistan ebenso zu stoppen wie ihre Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Welche Einigungen sind denkbar, wo wird es in der Ampel schwierig?


Bereits beschlossene Maßnahmen

Tatsächlich gibt es spätestens seit den Wahlen in Hessen und Bayern eine neue Härte in der Asylpolitik. Davon zeugen die jüngsten Äußerungen von Scholz, man müsse „im großen Stil“ abschieben. Erst vor wenigen Tagen hat das Ampelkabinett zudem ein verschärftes Abschiebegesetz beschlossen.

Die Abschiebehaft wird verlängert. Wenn Beamte künftig zu einer Asylunterkunft kommen, um eine Abschiebung zu vollziehen, können sie auch andere Räume als die der betroffenen Person betreten. Abschiebungen sollen nicht mehr angekündigt werden, außer es handelt sich um Familien mit Kindern unter zwölf Jahren.

Dazu kommen Arbeitsmarkterleichterungen für Asylbewerber. So sollen Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen unter anderem bereits nach sechs statt neun Monaten arbeiten dürfen. Zudem sollen Geduldete künftig im Regelfall arbeiten dürfen. Die stationären Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, die von der Union gefordert werden, hat Innenminister Nancy Faeser (SPD) gerade erst verlängert.


Hier sind Einigungen denkbar

Nicht nur Scholz scheint zu einem parteiübergreifenden Kompromiss bereit. „Wir werben für einen neuen demokratischen Grundkonsens in der Migrationspolitik – in einer Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen“, schreiben Grünen-Chefin Ricarda Lang und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel.

Darin betonen die beiden Grünen-Politiker, dass die Geflüchteten-Zahlen sinken müssten. „Deshalb setzen wir uns für eine Reform des gemeinsamen Asylsystems ein“, heißt es in dem Beitrag. Es brauche eine Registrierung an den Außengrenzen und eine faire Verteilung innerhalb der EU.

Humanität braucht Ordnung, Ordnung braucht Humanität.

Ricarda Lang und Winfried Kretschmann (Grüne)

Zudem fordern Kretschmann und Lang mehr Geld für die Kommunen, schnellere Asylverfahren, wirksame Rückführungsabkommen und eine Aufhebung von Arbeitsverboten. Beide Spitzen-Grüne bekennen sich zu Abschiebungen. „Humanität braucht Ordnung, Ordnung braucht Humanität.“

Konkret scheinen mit der Ampel auch vermehrte Sachleistungen für Asylbewerber denkbar, wie sie die Union fordert. FDP und die SPD-Ministerpräsidenten unterstützen diese Forderung bereits. Bei den Grünen ist man wegen des bürokratischen Aufwands skeptisch, zumindest prüfen will man die Idee aber.

Grünen-Chefin Ricarda Lang bekennt sich zu Abschiebungen.

© dpa/Sebastian Gollnow

Ginge es nach der FDP, könnten noch viele weitere Forderungen der Union umgesetzt werden. Es war FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, der gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann vor wenigen Tagen in der „Welt am Sonntag“ die liberale Migrationspolitik skizzierte.

Eine „neue Realpolitik“ forderten Buschmann und Linder. „Aus einem naiven ‚Wir schaffen das‘ muss ein realistisches ‚Wir müssen es besser machen‘ werden“, schrieben sie. Deutschland müsse vor allem sogenannte „Pull-Faktoren“ begrenzen. Die „Pull-Faktoren“ lösten Migrationsbewegungen zwar nicht aus – bestimmten aber, wohin sie gingen. Derzeit, innerhalb der EU, vor allem nach Deutschland.

Insbesondere das Sozialleistungsniveau machen die FDP-Politiker für die große Anziehungskraft des Landes verantwortlich. Die Leistungen für Asylbewerber seien zwar niedriger als das Bürgergeld, aber höher als Leistungen anderer EU-Staaten. Lindner und Buschmann wollen die Leistungshöhe „kritisch hinterfragen“.

Für die FDP ist eine Einigung besonders wichtig. Vor wenigen Tagen haben 26 Landespolitiker der FDP einen Brandbrief an die Parteiführung geschrieben und die Ampelkoalition infrage gestellt. Auch die Migrationspolitik kritisierten sie scharf. Die bisher umgesetzten Regelungen seien „Flickwerk“ und „dilettantisch“. Der Brief liegt dem Tagesspiegel vor. Äußern wollte sich die Parteiführung dazu nicht.


Diese Forderungen werden mit der Ampel schwierig

Auf eine weitere, freilich langfristig ausgerichtete Unions-Forderung hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst gerade verwiesen. „Die keinen Schutzstatus erwarten können, kommen erst gar nicht in unser Land“, sagte der CDU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf das Ziel, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen. Mit den Partnerstaaten „entlang der Fluchtrouten“ müssten – ergänzend zu den bisher geplanten „Migrationsabkommen“ der Bundesregierung – entsprechende Vereinbarungen geschlossen werden.

Schon im Merz-Papier von Mitte Oktober hieß es: „Nur eine Verlagerung von Asylverfahren in Länder außerhalb der EU kann zu einer substanziellen Reduzierung der irregulären Migration führen.“

200.000
Personen pro Jahr fordert die Union als Obergrenze in der Migration.

Die FDP begrüßte den Vorstoß. Dies sei ein „weiteres Element, das dazu beitragen würde, Migration besser kontrollieren, steuern und begrenzen zu können“, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Tagesspiegel. Seine Partei fordert auch – wie die Union – die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf Algerien, Marokko und Tunesien. Doch SPD und Grüne haben wiederholt deutlich gemacht, dass sie davon nichts halten.

Auch viele weitere Vorschläge der Union, etwa die Debatte um eine Obergrenze von 200.000 Personen pro Jahr, die Errichtung von Transitzonen an den Ländergrenzen oder die Stärkung der umstrittenen europäischen Grenzschutzagentur Frontex wird bei den Grünen abgelehnt.

„Während die 26 Forderungen der Union Migration zum Hauptproblem hochstilisieren, bleiben zentrale Fragen über die Zukunft unseres Landes, also zum Beispiel den Sozialstaat, die Verwaltungsmodernisierung und weitreichende Investitionen unbeantwortet“, kritisiert die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan.

Eine weitere Forderung der Union wirkt angesichts der Zahlen zudem nicht zielführend: den „sofortigen Stopp“ des Aufnahmeprogramms Afghanistan. Aus Ministeriumskreisen aber erfuhr der Tagesspiegel: Bislang gibt es nur rund 600 Aufnahmezusagen. Nach Deutschland eingereist sind über dieses Programm bisher 13 Menschen.

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