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CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und CSU-Chef Markus Söder auf der Freitreppe vor dem Kloster Banz.

© dpa

Söder spricht von „ideologischer Hartleibigkeit“: Welches Kalkül die CSU bei ihren Attacken gegen die Ampel verfolgt

Die CSU will in der Energiekrise die Regierung vor sich her treiben. Doch ihre Strategie zielt noch weiter. Eine Analyse.

Die Sonne brennt erbarmungslos auf die herrschaftliche Hofeinfahrt von Kloster Banz in Oberfranken. Aber einen Schirm vor der Kulisse aufstellen? Das würde die Bilder kaputt machen, die die Fernsehkameras hier einfangen sollen. Und so müssen CSU-Chef Markus Söder und Alexander Dobrindt, der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, für ihre Attacke gegen die Ampel schwitzen.

Die beiden machen Druck: Die Ampel müsse die Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke verlängern, Söder wirft der Regierung „ideologische Hartleibigkeit“ vor, alle bisherigen Gründe für die Nicht-Verlängerung seien vorgeschoben. Er warnt auch davor, der Süden – also Bayern – könne bei einer Gasmangellage abgehängt werden. Regionale Abschaltungen – das dürfe es nicht geben!

Die Union, das zeigt sich bei der Klausur der CSU-Landesgruppe am Mittwoch und Donnerstag, versucht die Ampel in der Energiekrise vor sich her zu treiben. Auch CDU-Chef Friedrich Merz erklärt bei seinem Besuch im Kloster, es sei möglich Brennstäbe für den Weiterbetrieb von AKW auf dem Weltmarkt zu besorgen – es müsse nur politisch gewollt sein.

Doch wo der CDU-Chef sich staatstragend gibt, geht die CSU in diesen Tagen bei ihren Attacken gegen die Ampel etwas gröber zu Werke. Und wer die beiden Tage in den alten Gemäuern des Klosters verbringt, versteht auch, welche Strategie dahinter steht.

Die Zeiten, in denen Söder Bäume umarmte, sind vorbei

Die Zeiten, in denen sich die Christsozialen einen offensiv grünen Anstrich gaben, sind vorbei. Dass Markus Söder Bäume umarmt, das war einmal. Die CSU will jetzt wieder klar machen: Die Grünen sind ihr politischer Gegner. Wenn man sich aus Kalkül zu sehr an die Grünen annähere oder eine Koalition mit ihnen in den Raum stelle, so die Befürchtung, mache man die Ökopartei für Konservative erst wählbar.

Deshalb fokussiert sich die CSU bei ihrer Kritik an der Energiepolitik der Ampel besonders auf die Grünen und wirft ihnen vor, etwa bei der Atomkraft von Moral und Ideologie getrieben zu handeln und nicht aus Vernunft.

Die Strategie der CSU versteht man aber auch nicht ohne Blick auf die Landtagswahl in Bayern im kommenden Jahr. Markus Söder, der sich noch im vergangenen Jahr um die Kanzlerkandidatur der Union bemühte, will jetzt keinen Zweifel mehr daran lassen, dass sein Platz in Bayern ist.

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Derzeit lässt er quasi keine Gelegenheit aus, sich unters Volk zu mischen. Wann immer irgendwo ein Bierfass angezapft werden muss, ist der bayerische Ministerpräsident zur Stelle. Sein Pensum ist schon jetzt enorm. Söder setzt auf bayerisches Lebensgefühl, auf Tradition, will wieder stärker die Stammwähler der CSU mobilisieren. Für ihn gilt mehr denn je das Motto: Bayern first.

Vor diesem Hintergrund muss man auch die Vorstöße in der Energiepolitik der CSU und ihr Engagement für die Atomenergie betrachten. Söder war einer der ersten, der die AKW-Laufzeitverlängerung ins Spiel brachte. Sein Umweltministerium gab sogar beim TÜV Süd ein Gutachten in Auftrag, das eine Machbarkeit der Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerks Isar 2 prüfen sollte und zu einem positiven Ergebnis kam.

Tatsächlich gibt es Gründe, die für eine Laufzeitverlängerung sprechen. Ein Grund für den Atomenthusiasmus der CSU dürfte aber auch sein, dass Bayern noch immer von der Kernkraft abhängig ist – 2020 wurde hier noch ein Viertel des Stroms so erzeugt. Das liegt unter anderem daran, dass in Bayern der Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich langsamer voranging als anderswo in Deutschland. Gerade die Windkraft war vielen CSU-Politikern ein Dorn im Auge.

Atomkraft kommt gerade gut an

Die Partei setzte sich für die sogenannte 10H-Regelung ein, wonach bislang ein Windrad von der nächsten Wohnbebauung zehnmal so weit entfernt sein musste, wie das Windrad hoch ist. Die Bremserei könnte sich jetzt rächen – da käme eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten gerade recht. Dazu kommt – so zumindest das Gefühl in der CSU – dass Atomkraft im Bierzelt gerade wahnsinnig gut ankomme.

Punkten will die CSU in Bayern auch mit ihren Ampel-Attacken im Allgemeinen. Dem Regierungsbündnis in Berlin unterstellen die Christsozialen ein norddeutsches Konstrukt zu sein, Söder beklagte jüngst gar ein „Bayern-Bashing“. So kann sich der Ministerpräsident als Wahrer bayerischer Interessen präsentieren. Auch die Warnung, Bayern könnte bei Gaslieferungen benachteiligt werden, schlägt in diese Kerbe.

Zudem gibt sich die CSU alle Mühe, die Ampel als linkes Projekt hinzustellen, das die Gesellschaft umerziehen und umbauen wolle – und das alles mithilfe der liberalen FDP. Diese Behauptungen sollen dazu dienen, Grünen und FDP bürgerliche Wähler abzujagen, die bei der Landtagswahl in Bayern in den Schoß der CSU zurückkehren sollen.

Söders laute Töne brachten ihm in den letzten Tagen scharfe Populismus-Vorwürfe ein. Im Kloster betonte er nun, die CSU sei konstruktiv. Er gab sogar das Motto „Profil mit Stil“ aus. Doch in den kommenden Monaten dürften aus Bayern trotzdem noch einige Schlagzeilen kommen – in der CSU wissen sie schließlich, wie man für Aufmerksamkeit sorgt.

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