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Die Ingolstädter CSU nominierte ihren Kandidaten in klarer Formation auf dem Volksfestplatz.

© Thilo Bausch/Artworkpictures

Bundestagswahl in Corona-Zeiten: Wenn der Kandidat im Autokino gekürt wird

Freiluftbühne, Fußballstadion oder Park – die Pandemie zwingt Parteien zu kreativen Nominierungen.

Die Delegierten wussten nicht, worauf sie sich einließen, als sie Anfang Mai mit dem Auto zum Ingolstädter Volksfestplatz fuhren, um über ihren Bundestagsdirektkandidaten abzustimmen. Am Eingang bekamen sie im Auto eine Parkplatznummer und eine Radiofrequenz zugewiesen, dazu eine Flasche Wasser und Popcorn in die Hand gedrückt. Ein Gefühl wie im Autokino.

Auf der Bühne stand CSU-Kandidat Reinhard Brandl quasi als Kinoprogramm. Er will für den Wahlkreis Ingolstadt wieder in den Bundestag. „Es war schon ein ungewohntes Gefühl, auf einem Parkplatz vor Autos zu reden und keine direkte Rückmeldung zu bekommen“, sagt Brandl. Normalerweise werden solche Abstimmungen in gedrängten Räumen abgehalten, mit direktem Applaus oder Rufen der Delegierten. Das ist wegen Corona nicht möglich – in der Pandemie muss die Politik kreativ werden.

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Der Bundestag hat entschieden, dass die Parteien in diesem Jahr die Zahl der Delegierten bei Nominierungen verkleinern oder diese virtuell mit anschließender Bestätigung per Briefwahl durchführen können. Aber Brandl war eine Präsenzveranstaltung für seine Mitglieder wichtig. „Wir wollten aus dieser schwierigen Situation etwas Besonderes machen“, sagte er.

Dafür plante er mit seinem Team sechs Wochen lang, beantragte unter anderem eine Radiofrequenz, damit die Delegierten ihn durchs Autoradio hören konnten. Am Ende der einstündigen Veranstaltung gab es Beifall per Hupkonzert. Doch die große Überraschung zeigte sich erst später. Die Parkplätze waren mit Hilfe von GPS so zugeordnet worden, dass die Delegierten mit ihren Autos – ohne es zu wissen – „CSU" formten.

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Obwohl die meisten Parteien hauptsächlich auf digitale Versammlungen setzen, ist die CSU nicht die einzige mit originellen Präsenzveranstaltungen. Die Grünen stellten im hessischen Bad Vilbel Marcus Bocklet in einem kühlen Freilufttheater auf. Die Mitglieder seien sehr diszipliniert, sagt die Landesvorsitzende Sigrid Erfurth. Sie hätten auch schon Kandidat:innen in Kinos, Parks und Turnhallen nominiert. „Die Kreisverbände sind da kreativ“, erzählt sie.

Auch das Wahlprogramm im Werra-Meißner-Kreis hätten sie mit viel Abstand in einer dauergelüfteten Turnhalle verabschiedet. „Die Leute haben dicke Kleidung angezogen und warmen Tee mitgebracht, trotzdem hatten sie später kalte Finger und Füße. Aber sie waren experimentierfreudig und wollten das mitmachen.“

Fußballstadien sind besonders beliebt

Besonders beliebt scheinen Fußballplätze oder -stadien zu sein. Vor wenigen Tagen hat der CDU-Kreisverband Paderborn Carsten Linnemann im Stadion Laumeskamp in Delbrück nominiert. Friedrich Merz wurde bei knapp sechs Grad auf der roten Tartanbahn des Stadions „Große Wiese“ im Hochsauerlandkreis aufgestellt. Dabei saßen 460 Delegierte, teils eingehüllt in Decken, auf der Tribüne. Ähnlich lief es bei der Linken, die im September Norbert Müller im Babelsberger Karl- Liebknecht-Stadion aufstellte. Im Hintergrund des Rednerpultes konnte man währenddessen Sportlern beim Fußball spielen zuschauen.

Auch im fränkischen Fürth hatte sich die SPD vergangenen Oktober corona-konform auf einem Fußballplatz versammelt. Wobei die Delegierten in dicken Jacken und unter anderem mit Tee auf der trockenen Tribüne saßen, während Kandidat Carsten Träger seine Bewerbungsrede im Regen auf dem Rasen hielt. Geklappt hat es für ihn trotzdem.

Nominierung bei fünf Grad

Mitte Mai trafen sich rund 400 Mitglieder des AfD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern für ihren Parteitag in einem Zelt in Kemnitz bei Greifswald. Mit Abstand und Maske wurde Landeschef Leif-Erik Holm auf Listenplatz 1 gewählt. Dabei wird es wärmer gewesen sein als bei den bayerischen Freien Wählern aus Fürstenfeldbruck und Dachau, deren Wahlversammlung im April unter freiem Himmel stattfand.

Auf dem Platz vor dem Mammendorfer Bürgerhaus wählten sie Otmar Tholler zum Direktkandidaten – bei fünf Grad über Null. Doch auch mit Pandemie gibt es in diesem Jahr noch ganz klassische Zeremonien. Hans-Georg Maaßen wurde Anfang Mai wie in Vor-Coronazeiten in einem Saal im thüringischen Suhl für den Wahlkreis Süd-Thüringen nominiert.

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