zum Hauptinhalt
Bitte warten Sie! Das Behördenversagen während der Flüchtlingskrise 2015 ist unvergessen. Das Foto zeigt die Warteschlange vorm Berliner Lageso.

© Fabrizio Bensch, REUTERS

Arbeitsamtsskandal, Bankencrash, Flüchtlingskrise, Corona: Wenn in Krisen zuerst die Behörden zusammenbrechen

Auch künftig werden Krisen ohne Rücksicht auf Verwaltungen ausbrechen. Deren dürftige Reaktionskompetenz wird zu einem gesellschaftlichen Problem. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

In großen Krisen vertraut der Mensch auf den Staat. Wenn die Privatwirtschaft nicht mehr funktioniert, die Zivilgesellschaft den Kopf einzieht, dann schlägt die große Stunde der Beamten und der Behörden. Sie bewahren die Übersicht, wenn andere im Chaos versinken. Sie verteilen die Ressourcen, sorgen für den fairen Ausgleich, für Sicherheit. So weit die Theorie. In der Praxis ist es anders. Es ist sogar genau anders herum.

In jeder der großen Krisen seit der Jahrtausendwende kommt statt Rettung die Überlastungsanzeige. Beim Arbeitsamtsskandal des Jahres 2001 und dem Zusammenbruch des Finanzmarktes 2008, in der Migrationskrise von 2015, und zuletzt in der Corona-Pandemie: in all diesen Fällen bekamen die Behörden das Chaos nicht in den Griff. Sie verschärften die Probleme, anstatt Teil der Lösung zu sein.

Den Beamten ist kein Vorwurf zu machen. Ohne Zweifel geben sie ihr Bestes, die allermeisten jedenfalls. Doch ist es jedes Mal eine Ausnahme, immer nur ein Einzelfall, wenn eine Behörde in der Krise zusammenbricht und die Mitarbeiter sich in den Burnout getrieben fühlen? Ist das ewige Lied von zu wenig Geld und Planstellen richtig?  Oder gibt es ein generelles Problem, das Behörden anfällig macht, wo sie widerstandsfähig sein müssten? Vieles spricht dafür, dass es so ist. Das generelle Problem heißt Führung, und es heißt Informationstechnologie.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Seit Jahren bemüht sich die Bundesregierung um eine digitale Agenda, aber für den öffentlichen Dienst gibt immer noch keine. Statt einer gibt es fünf Verantwortlichkeiten in fünf unterschiedlichen Ministerien, plus Kanzleramt. Ein milliardenschweres Desaster – vom elektronischen Datenabgleich in den Jobcentern über die digitale Registrierung von Flüchtlingen bis zur Nachverfolgung von Infektionsketten – ist nur der Vorbote für das nächste.

Aus Angst vor der nächsten Bauchlandung bewirbt sich kein Politiker mehr darum, das Steuerrad übernehmen zu dürfen. Statt aus einer Krise für alle Behörden zu lernen, werden Insellösungen für jeweils die betroffenen Ämter geschaffen. Deshalb muss in jeder Katastrophenlage alles neu gelernt werden.

Das Bundesamt für Katastrophenschutz brach bei einer Übung zusammen

Künftig wird es vermutlich noch häufiger als heute Krisen geben. Sie werden sich weder an einen Zeitplan halten, noch werden sie auf Organigramm einer Behörde schauen, bevor sie ihren Schrecken verbreiten. Sie werden einfach da sein. Wenn das Vertrauen der Bürger, sich im Katastrophenfall auf den Staat verlassen zu können, von Krise zu Krise weiter erodiert, stehen sehr ungemütliche Zeiten bevor. Ganz ohne Anlass ist übrigens am 10. September des vergangenen Jahres das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz zusammengebrochen - bei einem Probealarm.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false