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Eine Beißschrecke aus der Familie der Laubheuschrecken sitzt auf einer Blüte im Oderbruch.

© picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa / dpa/Patrick Pleul

Artenvielfalt in Brandenburg: Gesetz für mehr Insektenschutz scheitert

Umwelt- und Naturschutzverbände hatten 100.000 Unterschriften für mehr Artenschutz gesammelt. Doch den Gesetzesentwurf lehnten SPD und CDU im Landtag jetzt ab.

Brandenburgs Vorzeigeprojekt für mehr Artenvielfalt, der „Insektendialog“, ist gescheitert: Die Umwelt- und Naturschutzverbände, die 2019 hinter der Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern!“ standen und 100.000 Unterschriften gesammelt hatten, erklärten am Mittwoch die Gespräche mit Landnutzern und Landtagsfraktionen über ein Gesetz für mehr Insektenschutz für gescheitert.

Denn ein Gesetzesentwurf, der ein Verbot von Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln in Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebieten vorgesehen hätte, wurde von den Landnutzern sowie SPD und CDU abgelehnt.

Wir sind enttäuscht“, sagte Nabu-Vertreter Friedhelm Schmitz-Jersch. „Der erarbeitete Gesetzesentwurf ist nicht nur wichtig für die Artenvielfalt, er war auch ein hoffnungsvoller Beitrag für die Zusammenarbeit von Landnutzern und Naturschützern.“ Auch Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke zeigte sich enttäuscht.

„Während wir ein ungebremstes, weltweites Artensterben haben, können in Brandenburg weiter Stickstoffdünger und zahlreiche Pestizide in Schutzgebieten eingesetzt werden“, sagte Raschke. „An Gewässern fehlt bisher ein durchgehend begrünter Schutzstreifen.“ Die Folge sei, dass das Insektensterben weiter voranschreite.

Wie verbindlich die Politik etwas gegen das Insektensterben unternehmen kann, war indes der strittige Punkt der Verhandlungen. Debattiert wurde vor allem ein Ausgleich für Bauern, denen auf Flächen in Schutzgebieten die Nutzung von Pestiziden und Düngemitteln verboten gewesen wäre. Dabei wurden seitens der Koalition immer wieder auch EU-Gelder ins Spiel gebracht. Doch deren Höhe steht derzeit nur bis 2028 fest.

Der Präsident des Landesbauernverbands, Hendrik Wendorff, sagte am Mittwoch, die Bauern wollten zunächst die verbindliche Ausgestaltung der nächsten EU-Förderperiode abwarten. Dagegen sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann, strittig seien nur Dinge im Zeitraum nach 2028 gewesen.

„Das ist Wortbruch, das ist Vertrauensbruch.“

Thomas Domres, Linke-Abgeordneter

„Aus meiner Sicht sollten wir dort, wo bereits eine Einigung erzielt wurde, Maßnahmen ergreifen“, sagte Redmann. „Ich denke da beispielsweise an den besseren Schutz von Gewässerrandstreifen oder die Anschaffung insektenfreundlicher Mähtechnik für unsere Kommunen.“ Mehr Insektenschutz sollte „nicht so leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, weil man an Maximalforderungen klebt.“

Der SPD-Abgeordnete Johannes Funke verwies darauf, dass durch bundesweite Vorschriften sowie die neue EU-Agrarpolitik bereits viel für Insekten in Brandenburg getan werde. Durch die Stilllegung von 40.000 Hektar Agrarfläche würden beispielsweise „riesige Naturräume“ neu geschaffen werden. Ähnlich wie Redmann sprach sich auch Funke für ein landeseigenes Gewässerrandstreifenprogramm und die Anschaffung von Mähtechnik in den Kommunen aus.

Es könnte zu einer Volksabstimmung kommen

Raschke hingegen erklärte, aus Sicht der Grünen könnten nur Mittel zur Verfügung gestellt werden, wenn es auch ein Gesetz zum Insektenschutz gäbe. „Dem Vorschlag der Koalitionspartner, das Geld für unverbindliche Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, haben wir von Anfang an eine klare Absage erteilt“, sagte Raschke. „Das würde dem Artensterben nicht gerecht und nur den Anschein einer Lösung vermitteln.“

Für die Landtagsopposition warf Thomas Domres (Linke) der Koalition vor, für ein „Desaster“ verantwortlich zu sein. „Der Landtag hatte den Dialog zwischen zwei sehr unterschiedlichen Volksinitiativen in einem beispielhaften Verfahren auf den Weg gebracht“, sagte Domres. Das Ergebnis vom Frühjahr 2021 fand breite Zustimmung. „Doch davon haben sich die Koalitionsfraktionen nun verabschiedet: Das ist Wortbruch, das ist Vertrauensbruch.“

Die Naturschutzverbände indes haben einen Trumpf im Ärmel. Denn vor dem Landesverfassungsgericht läuft noch eine Klage, ob der Landtag ihre Volksinitiative seinerzeit als „nicht zulässig“ ablehnen durfte. Sollten die Verbände dort recht bekommen, würde es in Brandenburg wohl schon im kommenden Jahr ein Volksbegehren für mehr Insektenschutz geben. Wäre es erfolgreich, könnte es parallel zur Europa- oder Landtagswahl 2024 sogar zu einer Volksabstimmung darüber kommen.

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