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Ines Bittner, Akkordeonlehrerin an der Musikschule Frankfurt (Oder), unterrichtet den 16-jährigen Jonas Biermann.

© dpa / Patrick Pleul

Faszination Akkordeon: Ines Bittner ist Brandenburgs Musikpädagogin des Jahres

Akkordeonlehrerin Ines Bittner ist Brandenburgs Musikschulpädagogin des Jahres 2022. Wer sie mit ihren Schülern erlebt, versteht schnell, warum sie die Auszeichnung verdient hat.

Von Jeanette Bederke, dpa

Jonas Biermann schaut konzentriert auf die Noten vor sich. Beide Hände des 16-Jährigen fliegen förmlich über die Knopfgriffe seines Akkordeon. Die „Tarantella“, ein aus Süditalien stammender Volkstanz, ist schnell und zackig - eine Herausforderung. „Wichtig ist das Anfangstempo. Du musst die schwingende Betonung rausholen“, rät Musikschulpädagogin Ines Bittner, die neben Jonas sitzt und im Takt mit dem Fuß mitwippt.

Beide müssen bei der Probe in der Musikschule Frankfurt (Oder) improvisieren. Denn eigentlich bildet der 16-Jährige gemeinsam mit Jonathan Rajewicz seit zwei Jahren ein Akkordeonduo, das Anfang nächsten Jahres bei „Jugend musiziert“ antreten will. Doch sein Duo-Partner ist erkrankt. Und so muss Jonas sich den Part von Jonathan vorstellen, bei seinem Spiel darauf eingehen. Mit Hilfe von der Akkordeonlehrerin klappt das auch. „Der Unterricht bei ihr ist toll. Sie achtet auf winzige Details, die bei Musikwettbewerben auf hohem Niveau wichtig sind“, sagt der 16-Jährige, der vor zehn Jahren das Akkordeon für sich entdeckt hat und seitdem bei Bittner lernt.

Die 51-Jährige ist Brandenburger Musikschulpädagogin des Jahres 2022, als solche vom Ministerpräsidenten ausgezeichnet worden. Bittner sei eine der profiliertesten Akkordeon-Lehrerinnen im Land, ihre Schüler seien häufig bei Nachwuchsmusik-Wettbewerben mit ersten Preisen geehrt worden, lobte der Landesausschuss „Jugend musiziert“, der sie für die Ehrung vorgeschlagen hatte. Dabei ist das Akkordeon kein Instrument, was bei Schülern hoch im Kurs steht. Laut dem Verband der Musik- und Kunstschulen in Brandenburg (VDMK) sind das viel mehr Klavier, Gitarre und Violine. „An den 27 Musikschulen im Land gibt es aber immerhin 19 Akkordeonorchester mit insgesamt 86 jungen Spielern“, sagt VDMK-Sprecherin Katja Bobsin.

Der Unterricht bei ihr ist toll. Sie achtet auf winzige Details, die bei Musikwettbewerben auf hohem Niveau wichtig sind.

Jonas Biermann, Musikschüler

Was dem Verband ihren Angaben nach jedoch Sorgen bereitet, ist der Fachkräftemangel: „Qualifiziertes Lehrpersonal zu finden, wird immer schwieriger. Das fängt schon beim Studium an den Musikhochschulen an - nur wenige studieren noch Musikpädagogik“, so Bobsin. Das Problem verschärfe ein Tarifgefälle zwischen Musiklehrern an Grund- sowie an Musikschulen. „Nur knapp 30 Prozent der Lehrkräfte an Brandenburger Musikschulen sind fest angestellt. Alle anderen unterrichten auf Honorarbasis, erhalten durchschnittlich 24 Euro pro Stunde, was alles andere als attraktiv ist“, macht VDMK-Geschäftsführer Winnetou Sosa deutlich. Wer sich für die pädagogische Richtung entscheide, arbeite dann eher in einer Grundschule, wo er mehr verdiene. Oder es ziehe ihn nach Berlin, wo laut Sosa Honorare angehoben wurden und es mehr Festanstellungen gibt. Diesen Nachteilsausgleich müsse es auf Landesebene geben, macht er klar.

Musikpädagogin Bittner, in Frankfurt (Oder) fest angestellt, kennt das Dilemma. „Zu diesen Konditionen fängt hier bei uns niemand neu an.“ Bei ihr war das noch ganz anders. Sie erlernte das Akkordeonspiel mit 6 Jahren in ihrem Geburtsort Dahme (Teltow-Fläming). „Ich habe damals schnell erkannt, dass ich mehr spielen möchte, als ein paar Volkslieder und wechselte ans Konservatorium Cottbus.“ Das Faszinierende am Akkordeon, das es sowohl als Knopfgriff- als auch als Tasten-Instrument gibt: „Du kannst damit jegliche Art von Musik machen - vom Barock, über Klassik bis hin zu zeitgenössischen Werken und du kannst es überall hin mitnehmen.“

Während des Studiums an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ in Berlin erkannte Bittner schnell, dass sie nicht nur selbst spielen, sondern auch andere begeistern und anleiten wollte. Seit 1995 unterrichtet sie an der Frankfurter Musikschule, inzwischen hatte sie bereits mehr als 100 Schüler - im Alter zwischen 5 und 60 Jahren.

„Ich habe meine Schüler meist viele Jahre. Und ich unterrichte auch Erwachsene, die das Instrument für sich wieder entdeckt haben“, erzählt die Mutter dreier Kinder, die seit ein paar Jahren in ihrer Freizeit auch ein elfköpfiges Akkordeonorchester leitet. In Ostbrandenburg gebe es nur wenige Musikschulen, die Akkordeonspieler auf Wettbewerbsniveau ausbilden, schätzt sie ein. „Hochburgen sind da eher Cottbus und Potsdam.“ Nicht jeder werde ein Meisterschüler, ist der Pädagogin bewusst. „Ich lege Wert darauf, jedem meiner Schüler individuell gerecht zu werden. Dabei geht es um die Freude am Spiel“, sagt die 51-Jährige, die auch mal eine Stunde zusätzlich gibt, die nicht im Lehrplan der Musikschule steht.

Bei wem sie Potenzial erkennt, den fordert sie mit neuen Aufgaben, beispielsweise Jonas Biermann. „Er war als Solist bei Musikwettbewerben sehr erfolgreich. Ich brachte ihn mit Jonathan zusammen, weil es einen bereichert, mit einem Partner zusammen zu spielen und es macht auch mehr Spaß“, erklärt Bittner. Die beiden Elftklässler sind Musik begeistert und befreundet, das mache die Sache perfekt. „Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich meine Schüler für ihr Leben beeinflussen, ihrer Entwicklung eine besondere Richtung geben kann.“ Einen späteren Berufsmusiker hat sie allerdings bei ihren Schülern noch nie hervorgebracht. Auch bei Jonas wird das Akkordeonspiel trotz aller Erfolge ein geliebtes Hobby bleiben. Nach dem Abitur will er Chemie und Informatik studieren.

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