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Putzig – und stachlig. In Neuzelle werden Igel aufgepäppelt.

© Patrick Pleul/dpa

Putzig und stachelig: Was Brandenburger Gartenbesitzer tun können, wenn sie einen kranken Igel finden

Wenn Gartenbesitzer oder Spaziergänger kranke oder unterernährte Igel zu ihr bringen, kann Simone Hartung ihre Hilfe nicht versagen. Die Ehrenamtlerin betreibt eine Igelstation – die Zahl ihrer Schützlinge wächst.

Von Jeanette Bederke, dpa

Bärbel hätte das Zeug zum tierischen Internetstar: Der nur 200 Gramm leichte und erst wenige Wochen alte Igel passt in eine Hand, und hat ein niedliches Gesicht - mit neugierigem Blick aus Knopfaugen und einer schwarz glänzenden, scheinbar unaufhörlich tanzenden Nase.

„Igel sehen keinesfalls alle gleich aus. Da gibt es hübsche und weniger attraktive, übelgelaunte Beißer und putzige Sonnenscheinchen wie Bärbel“, sagt Simone Hartung, die das Stachelkugel-Leichtgewicht von Eiterbeulen befreit hat und es nun mit der Milchspritze aufpäppelt.

Ständiger Igelnachschub und Dauergäste

Die 63-Jährige hat in ihrer ehrenamtlich betriebenen Igel-Auffangstation im Neuzeller Ortsteil Kummro (Oder-Spree) schon vielen Stacheltieren ins Gesicht geblickt. Seit 13 Jahren kümmert sich die ehemalige Schulsekretärin um Igel, die krank, verletzt oder unterernährt zu ihr auf das 13.000 Quadratmeter große Grundstück am Waldrand gebracht werden. „Gartenbesitzer, die mir Igel bringen, nehmen sie auch wieder mit, wenn sie gesund sind oder Normalgewicht erreicht haben“, sagt Hartung.

Während des Winterschlafs verlören Igel etwa 30 Prozent ihres Körpergewichts. „Mindestens 500 Gramm sollten sie vor der kalten Jahreszeit wiegen, bevor sie wieder in die freie Natur dürfen.“ Im September und Oktober sei ihr das bei vielen mit der Flasche und Katzen- oder Hundefutter aufgepäppelten Igeln auch gelungen. Für Nachschub ist sofort gesorgt. 42 Stacheltiere hat die Ostbrandenburgerin gerade in ihrer Obhut, die den Weg in die Freiheit in diesem Jahr nicht mehr schaffen. Sie überwintern bei ihr. Weitere 20 sind Dauergäste der Station, da sie in der Natur laut Hartung keine Überlebenschance hätten. „Sie sind blind, haben kaum noch Zähne, neurologische Defizite oder ihnen fehlen Beine“, macht sie deutlich.

Gefahren für Igel steigen, die Population sinkt

Mähroboter im heimischen Garten, aber auch Tellersensen sind ihren Beobachtungen nach in den vergangenen Jahren zur großen Gefahr für Igel geworden. Die Tiere tragen schwere Kopfverletzungen davon oder ihnen werden Gliedmaßen abgetrennt.

Das kann Christiane Schröder, Geschäftsführerin des Naturschutzbundes (NABU) Brandenburg bestätigen. Diese Geräte sollten - wenn überhaupt - nur tagsüber eingesetzt werden, damit sie für nachtaktive Igel nicht zur Bedrohung werden. Naturschützer sind ohnehin alarmiert: Seit Jahren nimmt die Igel-Population ab, da natürliche Lebensräume und Insekten durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft verschwinden. Der Klimawandel und damit verbundene Trockenheit verringere das Nahrungsangebot für Igel zusätzlich, sagt Schröder.

Falsch verstandene Tierliebe?

Verletzten oder sichtbar kranken Igeln zu helfen, sei durchaus sinnvoll. Der NABU arbeite da auch mit mehreren Auffangstationen im Land zusammen. Doch Schröder hält nichts davon, im Herbst jeden Igel sofort einzusammeln, der einem über den Weg läuft. „Zu dieser Jahreszeit sind die Tiere auch tagsüber auf Nahrungssuche, um sich Fettreserven anzufressen. Zudem müssen jetzt die Jungtiere ausziehen und sind vermehrt unterwegs.“

Skeptisch sieht die Naturschützerin es, Tiere, die nicht wieder ausgewildert werden können, bis zu deren Lebensende zu pflegen. „Für den Artenschutz bringt das gar nichts. Und sie nehmen anderen Igeln mit besserer Perspektive die Pflegeplätze weg.“

Igel-Fan Hartung will sich von ihren Dauergästen nicht trennen, selbst wenn die Station aus allen Nähten platzt und sie kaum Hilfe bekommt. In einem knapp 300 Quadratmeter großen Freigehege auf ihrem Gelände sieht sie die gehandicapten Tiere gut aufgehoben. Auch junge Igel, die im Herbst zu ihr kommen und sicher überwintern, lernen vor dem Auswildern die Natur mit Käfern und anderen Nahrungsquellen in dem Freigehege im Hartungschen Garten kennen. Dankbar ist die Igel-Schützerin für die Unterstützung der Initiative „Augen auf! Wir helfen Tieren“ aus Ziltendorf (Oder-Spree). „Das sind Tierschützer, die zupacken und im Sommer vergangenen Jahres das Igel-Freigehege erneuert haben - inklusive Fundament, neuem Gebälk und Sonnennetz“, erzählt die 63-Jährige. Zuvor hatte die Initiative dafür Spenden gesammelt.

Spendenfinanziert und kaum Unterstützung

„Wir haben selbst dort schon Igel hingebracht und sahen das die Freianlage ziemlich marode war“, sagt Abelina Müller von „Augen auf! Wir helfen Tieren“. Hartung sei in der Region die einzige Igel-Expertin. Für die Betreuung von Wildtieren gebe es aber leider keine staatliche Unterstützung. „Deswegen mussten wir einfach helfen.“ Regelmäßige Hilfe bekommt die Kummroerin von Petra Funk aus Guben (Spree-Neiße), die zweimal in der Woche die Igelboxen säubert. „Ich war vor fünf Jahren erstmals hier mit einem kleinen Igel, den ich in unserem Garten fand“, erinnert sie sich.

Inzwischen hat Funk selbst sechs Stacheltiere in Pflege. In ihrem Garten füttert sie zudem acht freilebende Exemplare, die regelmäßig kommen, seit die Gubenerin diesen Igel-freundlich gemacht hat. „Da gehört gar nicht viel dazu: Ein Brett an die Wand gelehnt, etwas Laub drunter - fertig ist der Unterschlupf“, sagt Hartung. Es gebe auch Leute, die keine Igel in ihrem Garten wollen, weil die eigenen Hunde ständig bellten oder sie die Igel-Exkremente störten. „Wenn Sie die Tiere wegbringen, bitte nicht ab Mitte Juli bis in den Herbst, wenn Igel ihre Jungen aufziehen“, appelliert sie.

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