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Von Michael Bienert: „Vieles ergab sich von selbst“

Michael Bienert hat sich seinen Kindheitstraum erfüllt und wurde Historiker

Als ich im Oktober 1998 nach Potsdam kam, war weithin unbekannt, dass es hier neben alten Schlössern und hübschen Gärten auch eine Universität gab. Der Werbeslogan „Studieren, wo andere Urlaub machen“ war noch von keinem hellen Kopf ersonnen worden. Vielmehr sorgte mein Entschluss, in Potsdam Geschichte studieren zu wollen, bei vielen Freunden für Erheiterung oder ungläubiges Kopfschütteln. Es wurde über „Buschzulage“, „Entwicklungshilfe“ und den märkischen Sand gewitzelt.

Natürlich hatten diese Klischees nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Denn für mich, der ich im tiefen Ostwestfalen aufgewachsen bin, steckte hinter der Entscheidung für Potsdam mehr als eine vermeintliche Extravaganz. Die großen Vorteile dieser jungen Uni, an der die Aufbruchstimmung nach der Wiedervereinigung überall in der Luft hing, das einzigartige historische Flair sowie die Nähe zu Berlin lagen auf der Hand.

Doch daneben gab es weitere Motive, die für mich von ebenso großer Bedeutung waren: Mir ging es vor allem darum, an einer Universität zu studieren, wo vergleichsweise junge und aufstrebende Wissenschaftler arbeiteten, wo die universitären Strukturen nicht so verkrustet schienen, wie man es von vielen westdeutschen Hochschulen kannte, wo es für einen Studenten gute Chancen gab, in den direkten Kontakt mit der Forschung zu kommen. Dass ich später irgendetwas beruflich mit Geschichte tun wollte, war mir seit der Schulzeit klar. Ich war überzeugt davon, dass im Hinblick auf einen möglichen Einstieg in die wissenschaftliche Laufbahn eine mittelgroße Hochschule bessere Aussichten bot als die üblichen Massenuniversitäten. Potsdam war also eine bewusste Entscheidung.

Tatsächlich sollten sich diese Erwartungen erfüllen. Schon bald nach Beginn meines Studiums ergaben sich erste Gelegenheiten, einen Einblick in das Berufsfeld des Historikers zu erhalten. Dieses trägt sich größtenteils außerhalb des Hörsaals zu – im Archiv, in der Bibliothek oder am heimischen Schreibtisch. Als studentische Hilfskraft lernte ich die verschiedenen Tätigkeitsfelder eines Geisteswissenschaftlers kennen. Das hatte nichts mit Kaffeekochen oder dauerhaftem Kopieren zu tun, wenngleich der Kopierer durchaus ein wichtiges Arbeitsutensil darstellt. Ich lernte den organisatorischen Teil der Wissenschaft kennen, arbeitete an Buchprojekten mit und wurde in die Vorbereitung von Ausstellungen und Konferenzen mit eingebunden. Ein schönes Erlebnis war es, als „einfacher“ Student seine eigenen Ideen mit einbringen zu können. Die Erfahrungen, die ich in den verschiedenen Bereichen sammelte, haben sich wiederum positiv auf mein Studium ausgewirkt. Wenn man weiß, wie Wissenschaft funktioniert, dann verändern sich die eigenen Perspektiven grundlegend. Meine Begeisterung für das Berufsfeld eines Historikers hat sich dadurch jedenfalls verstärkt.

Ob ich diesen Entwicklungsweg als konsequent durchdacht und zielgerichtet bezeichnen würde, kann ich nicht mit letzter Bestimmtheit sagen. Vieles ergab sich einfach von selbst. Dabei nahm ich es in Kauf, dass ich durch die verschiedenen Projekte, für die andere mehrere Praktika zusätzlich absolvieren mussten, die Regelstudienzeit um ein paar Semester überschritt.

Das dürfte heute, unter den Bedingungen der Bachelor- und Masterstudiengänge, ungleich schwerer umzusetzen sein. Gleichwohl gibt es auch jetzt zahlreiche Möglichkeiten. Mir ist bewusst, dass die Zukunft nach der Dissertation, an der ich zur Zeit arbeite, trotz aller öffentlichen Bekundungen für einen Historiker keineswegs gesichert ist. Feste Stellen als Wissenschaftler finden die wenigsten von uns. Viele wechseln nach der Promotion in die freie Wirtschaft oder in den Schuldienst. Dort stehen die Aussichten weitaus günstiger. Aber als Westfale ist man eben von Natur aus ein Zweckoptimist.

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