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Kultur: Bach bläst kein Saxophon

Musikfestspiele wagen mit dem Saxophonquartett „Bl!ndman“ eine mutige Programmierung

Und wieder wurde sie bemüht, die Geschichte von 1747, als der Alte Fritz den alten Bach empfing, dessen Sohn Carl Philipp Emanuel er seit geraumer Zeit in der Hofkapelle beschäftigte. Auf die Probe stellen wollte er ihn und spielte Bach ein eigenes Thema (das wohl eher von einem Hofmusiker stammte) vor, verbunden mit der Aufgabe, daraus eine Fuge zu basteln. Dreistimmig gelang das aus dem Effeff, für die sechsstimmige Bearbeitung erbat sich der „Meister aus Leipzig“ Bedenkzeit und widmete hernach sein „Musikalische Opfer“ dem musikbegeisterten König. Potsdam feiert den 300. Geburtstag des Monarchen, und schier alles wird diesem Jubiläum untergeordnet. Auch Bach, wie damals. Friedrichs Kunstsinn ist nachgerade anbetungswürdig, da kommt die Huldigung des Meisters aus Sachsen, über dessen Heimat der große König keine zehn Jahre später herfiel, gerade recht.

Die Musikfestspiele wollten – immerhin – mal etwas anders machen und luden sich für das majestätische Werk das Saxophonquartett „Bl!ndman“ aus Belgien ein. Mit großem Aufwand hatte dessen spiritus rector Eric Sleichim die kunstvollen Orgelstimmen arrangiert, und es zeigte sich: Bach bläst kein Saxophon. Einerseits ist Saxophonen eine besonders filigrane Dynamik möglich, die einer Orgel abseits vom Registerwechsel verwehrt bleibt. Andererseits ist das erst im 19. Jahrhundert erfundene Instrument für langatmige große Bögen geschaffen, für warme, aufblühende Töne – ganz im Sinne seiner hochromantischen Entstehungszeit. Virtuose Koloraturen stören da nur, gerade wenn es quer durch alle Lagen geht, in denen ein Saxophon völlig unterschiedlich anspricht und demgemäß die Töne unterschiedlich lange brauchen, um wirklich zu klingen, ganz abgesehen von den Klangfarben, die je nach Region sehr differieren können.

Die Flamen konnten weder rhythmisch noch gestalterisch ihre Meisterschaft bei Bach beweisen, zumal überblasene Töne und ernste agogische Abstimmungsprobleme ein rundes Klangbild nicht gerade beförderten. Zu viele schnelle Passagen wirkten wie buchstabiert, der Notentext forderte vollste Konzentration. Letztlich gelang die gewünschte Simulation des Orgelklangs nur in der Baritonlage: Zuweilen konnte man glauben, eine 16-Fuß-Pfeife brumme ohrenbetäubend eine ganze Kathedrale aus. Hier aber war es nur der feine Raffaelsaal der Orangerie, und die Nachahmung der Königin der Instrumente war so pur nicht herzustellen. Dafür ging der zarte Klang eines Saxophonquartetts verloren, sodass eine merkwürdig-zwittrige Uneinheitlichkeit verstörte.

Ganz anders konnten die Qualitäten der Musiker bei Pierre Bartholomées „Ricercar“ von 1974 zum Vorschein kommen. Diese originelle Studie war dem Klangspektrum eines Saxophonquartetts auch sozusagen in die Luftsäule geschrieben. „Bl!ndman“ konnte nicht verhehlen, dass das Quartett in dieser Musik eher zu Hause ist. Mit komplexen Rhythmen, endlosen Generalpausen und kunstvollen Spaltklängen zeigten die vier nach der Pause, was sie wirklich können. Und das mit erstaunlicher Präzision, verglichen zu Bachs gerade durchlaufender Metrik. Ein Saxophon ist nun einmal kein kontrapunktisches Instrument, schon allein wegen des Luftbedarfs.

Immerhin wurde das mutige Programm zum Ende hin flüssiger; die letzten Bach-Partiten über „Sei gegrüßet, Jesu gütig“ hatten endlich ein gleich bleibendes Timbre gefunden und trugen damit wenigstens zur gottesfürchtigen Kontemplation bei. Anders gesagt: Die Unruhe des Beginns verflog, die Kurzweil zerrann.

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