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Kultur: Bergfest bei den Winzern

Sächsischer Wein mit Musike

„Winzerberg“, „Triumphtor“, „Terrassenanlage“ – es sind große historische Worte, die die Bürgerinitiative zum Wiederaufbau des historischen Rebenhanges gegenüber dem Schlosspark Sanssouci im Munde führen kann. Und sie hat sich ja auch Großes vorgenommen: Bis 2015 soll der Weinberg wieder im alten Glanz erstehen, nachdem er 50 Jahre lang verfiel.

Nun begeistert der holde Rebensaft ja seit Jahrhunderten die Zungen quer durch alle Bevölkerungsschichten, in Sachsen wie in Preußen, deren gemeinsame Geschichte die Musikfestspiele Sanssouci in diesem Jahr erforschen. In Ermangelung genussfähiger brandenburgischer Weine waren folgerichtig die erlesensten Sorten von den Radebeuler Elbhängen die Hauptattraktion am Winzerberg, das sächsische Staatsweingut Schloss Wackerbarth versteigerte gar allerbeste Tropfen zugunsten der Potsdamer weinbäuerlichen Wiedereinrichter.

Weil sich niemand so recht für 100 Euro teure Weine erwärmen konnte – die edelsten Trünke blieben eben schon immer den edelsten Herrschern vorbehalten –, half Festivalchefin Andrea Palent den Auktionären aus der Patsche und ersteigerte selbst eines der exklusiven Fläschlein: „Wir haben heute Bergfest, und warum sollen wir das nicht am Winzerberg feiern, dessen Historie unser Publikum heute auch bei Führungen kennenlernen kann?“ Schließlich hatte August den Starken und Friedrich Wilhelm I. auch die Vorliebe für die belebende Kehlenspülung verbunden.

So geriet die ausverkaufte Veranstaltung eher zum kulinarischen Fest mit Musike, die von den hervorragenden Männerstimmen des Vocal Concert Dresden und dem etwas introvertierten Martina Eisenreich Quartett beigesteuert wurde. An den Tischen erwies sich die Lust am Mitsingen und Mitschunkeln direkt proportional zum Pegel, und die Diskussionen, ob nun ein sächsisches Quarkkeulchen wirklich rund sein dürfe, wurden heftiger. Dennoch bewahrte die ausgesuchte Qualität der Weine der volksfestlichen Atmosphäre eine noble Gediegenheit.

Zu dieser gelösten Stimmung trugen die Männerchoristen durchaus bei, auch wenn sie nicht immer die volle Konzentration des Publikums auf sich zogen. Mit einem guten Schoppen Selbstironie widmeten sie sich der einst guten Tradition zünftiger Trinklieder – und dies mit aller zu Gebote stehenden stimmlichen Eleganz. Nichts da von röhrenden Bässen oder krähenden Tenören, wie man das so kennt, wenn ambitionierte, aber stimmschwache Männerchöre ihre bierselige Maskulinität durch Lautstärke unter Beweis stellen wollen. Allerdings dürfte der Chor dann doch eher auf das „seriöse“ Repertoire gepachtet sein und hätte gut und gern Anspruch auf einen würdigen Platz im Festspielprogramm. Ganz vortrefflich intonierten die nicht mal 20 Dresdner, stilsicher dirigierte Peter Kopp – mal auf der dekorativen Treppe, mal inmitten des Publikums. Das Hoch auf Wein, Weib und Gesang kam an.

Etwas mühsamer vollzog sich der Auftritt des Martina Eisenreich Quartetts. Mit langen Texten von zweifelhafter Relevanz verstrickte die Namenspatronin ihr durchaus virtuos aufspielendes Quartett nur allzu oft in einer bloß behaupteten Innerlichkeit. Nichtsdestoweniger fesselte Martina Eisenreich dann wieder mit ihren irren Doppelgriffen, betörte besonders Kontrabassist Stephan Glaubitz durch einen warmen, selten vollen Ton, der wiederum nicht so ganz zum Stilmix passen wollte. Bis Oswaldt Buss als ziemlich unerträglich moderierender Weingott die Klammer zum beeindruckenden Spektakel der Feuerkunst Berlin schließen konnte, vergingen stattliche Stunden. Trotzdem hinterließ der lange Abend neben vollen Mägen und berauschten Sinnen auch den einen oder anderen vergnügten Pfeifton eines späten Heimkehrers auf der sommerabendlich stillen Schopenhauerstraße. Christian Schmidt

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