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Kultur: Jugendlicher Mut zu sprödem Klang Alexandra Soumm beim Sinfoniekonzert gefeiert

Was für eine Solistin! 22 Jahre jung ist Alexandra Soumm, und sie verfügt über alle Stärken, die so eine junge Geigerin braucht: eine glänzende Virtuosität, ein gewinnendes Lächeln, ein strahlendes Aussehen und eine edle Guadagnini aus dem Jahre 1785.

Was für eine Solistin! 22 Jahre jung ist Alexandra Soumm, und sie verfügt über alle Stärken, die so eine junge Geigerin braucht: eine glänzende Virtuosität, ein gewinnendes Lächeln, ein strahlendes Aussehen und eine edle Guadagnini aus dem Jahre 1785. Zu Gast war die junge Dame beim 2. Sinfoniekonzert des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt im Nikolaisaal, und nach ihrem lupenreinen Vortrag des Mendelssohn’schen Solokonzerts lag ihr das Publikum zu Füßen.

Das lag aber nicht daran, dass Alexandra Soumm nur viele schnelle Töne richtig spielen konnte. Als eine der wenigen derart jungen Geigerinnen, die den Konzertbetrieb überbevölkern, schien sie etwas zu sagen zu haben, was bei Mendelssohns Violinkonzert ziemlich kompliziert ist angesichts der Fülle vermeintlich letzter Worte von ungezählten Referenzaufnahmen. Soumm ging die in ihrer Lesart doch ziemlich introvertierte Partie gänzlich „unsolistisch“ an – fast wie ein Orchesterinstrument, das sich in den Klangteppich einwebt. Ohne die üblichen Marotten übereitler Selbstdarsteller trug die Solistin das hundertfach verkannte Stück in eine Art Kammermusikatmosphäre, die eines Dirigenten fast nicht bedürfte.

So war es denn auch: Chefdirigent Howard Griffiths war auch in der dritten Durchführung des Hauptthemas im Finale nicht in der Lage, seine Frankfurter Holzbläser auf Tempo und Agogik einzuschwören, die die Solistin nun mal vorgeben darf. Viele Abstimmungsproben dürfte es hier nicht gegeben haben, sonst wäre nicht so viel schiefgegangen. Entschädigen konnte Alexandra Soumm aber selbst durch ihren edlen, zurückgenommenen Ton, mit dem sie große Bögen in weiten Phrasen zog. Reichlich belohnt vom Publikum, gab sie Ysaÿe und Bach als Zugabe: beim ersten mit Mut zum spröden Klang und erstaunlichem Gestaltungswillen in diesem sehr blassen Renommierstück, während das Andante aus der zweiten Solosonate doch noch reichlich unstrukturiert daherkam – mit viel Gewicht auf den Ostinati und eher zerfasert als mit weitem Blick aufs Ganze. Hier fehlt noch die persönliche Forschungsarbeit. Dennoch – eine ganz hervorragende Geigerin, insgesamt anständig eskortiert vom Frankfurter Staatsorchester.

Nach die Pause hatte Griffiths Bruckners Vierte gelegt, eine Herausforderung für jedes Orchester, auch in den großen Häusern. Entschieden hatte sich der Chefdirigent für die zweite, verschlankte Haas-Fassung und legte sich schon dadurch auf Entschlackung fest. Das erwies sich als guter Gedanke, denn es verlieh der Aufführung eine spannungsgeladene Frische. Howard Griffiths legte all sein Augenmerk auf die Homogenität des Klangs, kostete kunstfertige Schlüsse aus, forderte Brillanz – nicht ohne Erfolg.

Bei diesem hörnerseligen Stück hätte es darüber hinaus eines durchschlagenden Solisten bedurft; da dieser leider allzu oft kläglich versagte, blieb der Beiname „Romantische“ der vierten Sinfonie Behauptung. Freilich war das nicht allein dem unglücklichen Hornisten geschuldet, sondern diversen Flüchtigkeitsfehlern, die diesem Orchester nicht gut anstehen, die nicht passieren müssten und es eben auch nicht dürfen. Vor allem bei eigentlich nicht zu komplizierten gemeinsamen Einsätzen zerbrach Griffiths’ starker Wille an den Klippen zu schlechter oder zu routinierter Vorbereitung. Manche dramaturgische Mängel, die auch in der Partitur begründet liegen, traten so um so deutlicher zutage. Trotz sehr erfreulicher Einzelleistungen, beispielhaft seien erste Klarinette, Posaunenterzett oder Cellogruppe genannt, fehlte der Aufführung der bei Bruckner fast liturgische Klangzauber, den das Orchester sonst durchaus erzeugen kann. Schade drum. Christian Schmidt

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