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Unter freiem Himmel. Das Historien-Event im Schlosspark eignet sich nur bedingt für Konzerte.

© dpa

Kultur: Musik als süßes Bonbon

Das Vorabendkonzert der Potsdamer Schlössernacht mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra war vor allem etwas fürs Auge

Der Applaus für das zwanzigminütige Feuerwerk über der Jubiläumsterrasse sprach Bände. Unterhalb der Orangerie im Schlosspark Sanssouci war diesmal die Bühne für das Vorabendkonzert der Potsdamer Schlössernacht aufgebaut, und es war niemand geringerer gekommen als das City of Birmingham Symphony Orchestra mit Andris Nelsons als Dirigent und Baiba Skride mit ihrer Stradivari. Aber das musikalische Aufgebot konnte mit dem pyrotechnischen nicht Schritt halten: Das fulminante Feuerwerk stahl den Musikern einfach die Show.

Das lag aber nicht daran, dass ihre Musik enttäuscht hätte. Vielmehr machte ihnen eine unterirdische Tonübertragung den Garaus. Vor allem die Streicherfraktion plärrte derart blechdosenhaft, als säße man vor einem Grammophontrichter und hörte sich eine Aufnahme aus den Zwanzigerjahren an. Ein bisschen unglücklich auch die Werkauswahl: Der Superstar Baiba Skride wurde nach Mozarts viertem Violinkonzert nach wenigen Minuten Applaus von der Bühne entlassen. Das Stück erwies sich als einfach zu intim für 5000 Zuschauer unter freiem Himmel. Denn für zu viel Ablenkung sorgten abwechselnd die Sterne am Himmel, die Vorfreude auf kulinarische Genüsse, die Sorge um die Erreichbarkeit stiller Örtchen und erstaunlich viele tief fliegende Flugzeuge.

Mozart schrieb sämtliche seiner Werke nun mal für Säle, in die im Schnitt 300 Adlige hineinpassten – unter eine geschlossene Decke. Die Jubiläumsterrasse hätte er nur theoretisch kennen können. So aber verlief sich doch manches Detail im Sande; viele gute, frische Ideen Nelsons verhallten ungehört im Undifferenzierbaren des Billigtons. Baiba Skride wirkte unentschlossen, wie sie ihren Solopart anlegen sollte. Sie konnte wohl kaum abschätzen, wie stark der Nachhall über dem Park sein würde, und so fiel ihr Vibrato ebenso unterschiedlich aus wie ihre Klangfarben, die dennoch auf diesem wunderschönen Instrument sehr vollmundig wirkten. Die Birminghamer steuerten eine erfrischende Mischung aus Klangintensität und Durchsichtigkeit bei, das Grazioso nahmen sie beim Wort, da leistete Andris Nelsons ganze Arbeit. Nur von den Stühlen reißen konnte dieser Mozart ebenso wenig wie die eher flache Glinka-Ouvertüre zu „Ruslan und Ludmila“.

Aufrauschender wurde es erst nach der Pause, als Jean Sibelius’ Zweite durch den Park scholl. Zwar erfand auch hier das hochgelobte Orchester das Rad nicht neu, konnte es schon wegen der akustischen Verhältnisse die Dramatik des Werks nicht transportieren. Aber Andris Nelsons tat alles, um dem berühmten Finnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wie sollte er auch merken, dass im Publikum eine sehr heterogene Klangmasse ankam, wie durch einen Vorhang gedämpft? Es war nicht der Dirigent, der die aufwühlenden Spitzen geglättet hätte, es waren die Regler. Auch hier war die Programmwahl eher mutig, braucht man doch bei Sibelius ziemlich viele Details, damit sich das Stück mitteilt. Dass man die Sinfonie in ihren Grundzügen dennoch erahnen konnte, ist eine grandiose Leistung des Orchesters, wenn auch weit vom angekündigten „Wunder“ entfernt.

All die orchestralen Mühen konnten jedoch kaum darüber hinwegtäuschen, dass das Konzert eher als Kulisse denn als zentraler Punkt gemeint war; inszeniert wurde vor allem die aristokratische Schönheit des Parkensembles, die durch die Illumination der Wege besonders beeindrucken musste. Die kulinarische Ausstattung enttäuschte nicht, und das ostentative Geböllere zur Musik aus der Konserve – während das Orchester noch sitzen blieb – stand den Berufsmusikern in seiner Kunstfertigkeit in nichts nach, ja es passte sogar meistens auf Stimmungs- und Taktwechsel.

Letzten Endes dürfte sich für einen großen Teil des Publikums das Ambiente als viel wichtiger erwiesen haben – ein vieldiskutiertes Drumherum und die Musik als süßes Bonbon. Nächstes Jahr am 16. August dann mit den Wiener Symphonikern – nein, das sind nicht die Philharmoniker – und Xavier de Maistre. Bleibt nur zu hoffen, dass dem Harfenisten eine professionelle Tonregie zur Seite gestellt wird. Man mag sich nicht vorstellen, wie dieses Instrument in diesem Jahr geklungen hätte. Christian Schmidt

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