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Kultur: Ohne Fehl und Tadel

Matan Dagan mit Kammermusik im Foyer

Es war einfach auch ein bisschen Pech. Matan Dagan, Stimmführer der 2. Violinen in der Kammerakademie Potsdam, hatte sich für sein Kammerkonzert am Freitagabend im Foyer des Nikolaisaals seine Landsmännin Yael Kareth eingeladen. Ravels G-Dur-Sonate hatte es geben sollen und Schostakowitschs Präludien für Violine und Klavier. Doch die Pianistin sagte ab, und der ebenfalls aus Israel stammende Kollege Lahav Shani sprang ein. Übrig blieb dann vom Programm nur noch der Sonatenerstling von Franz Schubert und Beethovens düstre d-Moll-Variante, dazu kamen Dvoráks G-Dur-Sonatine und Bartóks Rumänische Volkstänze. Programmatisch rund ist etwas anderes, aber es war nicht zu ändern.

Kurzum: Dagan und sein erst 22-jähriger Begleiter machten ihr Bestes daraus, und das Auditorium im vollbesetzten Foyer folgte dem Duo mit wachsender Begeisterung. Allerdings tauschten sie zu viele Nettigkeiten aus, bevor sie wirklich zur Sache kamen: Kam der Schubert noch allzu brav daher, blieb der Dvorák doch geradezu klassizistisch glatt. Diese Freundlichkeiten wurden dem doch sehr leidenschaftlich komponierenden Böhmen, der auch in so einem vergleichsweise kleinformatigen Werk wie der sonatenreifen Sonatine das pralle folkloristische Leben seiner Heimat abzubilden versuchte oder es zumindest zitierend anklingen ließ, nicht gerecht. Das technisch einwandfrei aufspielende Duo blieb hier noch musikalisch unscharf und schien in seiner dramaturgischen Unverbindlichkeit zu verharren. Auch an den deutlichsten Signalen für stärkere Akzentuierungen oder besonders auszukostende Passagen spielten die beiden sehr sympathisch vorbei. Als handele es sich um Salonmusik für ein diplomatisches Korps – versiert, perfektioniert, aber doch ziemlich eingeebnet, wo doch so viele Stolpersteine in die Partitur versenkt sind. Man kann das so machen, denn es ist ohne Fehl und Tadel, aber am End’ leider ohne allzu viel Substanz.

Nach der Pause wurde es merklich passionierter: Beethovens c-Moll-Sonate kam deutlich aufgeraut daher, vielleicht war es auch die Musik, mit der die beiden einfach mehr anfangen konnten, denn bei dem Bonner weiß man immer, mit wem man es zu tun hat. Hier erwies sich die zurückhaltende, ja fast devote Art des Musizierens als sehr vorteilhaft, weil sie die klassizistische Machart am besten abbilden konnte. Mochte die eine oder andere Artikulation im Scherzo noch nicht einheitlich sein und so unvermittelt den Eindruck eines überambitionierten Musizierens hervorrufen, war das Duo schließlich im Finale ganz bei sich selbst und konnte im versöhnlichen Kampf der Instrumente wirklich mitreißen.

Gleichfalls feurig erlebte das Publikum die höchst kurzweiligen Rumänischen Volkstänze Béla Bartóks, der am Ende einer langen Experimentierphase letztlich doch zur unverstellten, reinen Volksmelodie gefunden hatte, die er kunstvoll in seine eigene musikalische Sprache verwob. Geiger Matan Dagan erzeugte hier mit seinem wunderbar lodernden Ton ein ganz eigenes Timbre einer Musik, die ständig auf der Lauer zu liegen scheint. Vielleicht verkünstelte er sie etwas zu sehr, denn artifiziell wollte Bartók eben gerade nicht sein. Andererseits tat die Anverwandlung des Klangs von fahl auf der e- bis dickblutig auf der satt angestrichenen G-Saite sehr wohl. Und auch sein Landsmann Lahav Shani trat hier endlich aus dem Schatten seiner zu großen Bescheidenheit heraus. Mit großem Gestaltungswillen formte er seine von der Begleiteraufgabe emanzipierten Passagen.

Letzten Endes war es wohl vor allem das aus der Not geborene Programm, das die wahren Fähigkeiten der Protagonisten eher verschleierte. Musikalische Tiefe konnte man nur dort deutlich hören, wo die Qualität des Werkes sie auch wirklich hergab. Der jubelnde Schlussapplaus war also nur mehr als berechtigt.

Christian Schmidt

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