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Ihr folgt die treue Fangemeinde. Die dänische Blockflötistin Michala Petri.

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Kultur: Von wegen „Klangschnuller“

Michala Petri zu Gast bei der Kammerakademie

Wenn der Nikolaisaal zu „Stars international“ ruft, folgt eine treue Fangemeinde dem Aufruf. Dass am Sonntagabend viele extra für Michala Petri auch von weiter her kamen, bewies die lange Schlange am Signiertisch und der erstaunliche Publikumsschwund nach der Pause, als der Blockflötenstar aus Dänemark nach einem regelrechten Musikmarathon ausgeblasen hatte.

Michala Petri, 53, spielt seit genau 50 Jahren auf der Blockflöte. Seit 47 Jahren steht sie auf internationalen Konzertbühnen, und nun eben bei der Kammerakademie in Potsdam. Die Stars ihres Instrumentes sind rar gesät; die Blockflöte kämpft erst seit der Wiederentdeckung der Schönheiten barocker Musik und nach Jahrhunderte währender Vergessenheit gegen das Image des „Klangschnullers“, so das böse Wort eines Flötenprofessors aus den 60er Jahren. Es soll Kinder geben, denen das Erlernen von „richtigen“ Holzblasinstrumenten ausgeredet wird, weil die Eltern den obligatorischen Start auf der Blockflöte akustisch nicht dulden wollen.

Tatsächlich ist das Spielen auf der Blockflöte eine heikle Angelegenheit, denn sie erzeugt nur bei perfekter Bedienung Töne, die aller Zweifel über ihre Intonationsfähigkeit enthoben sind. Mag sein, dass sich in Musikschulen das Blockflötulieren erst einmal leicht anfühlt – Musik wird erst daraus, wenn sich eine Michala Petri des Instruments annimmt. Und selbst dann! Bei aller zur Schau gestellten Virtuosität ist auch die Dänin nur ein Mensch, sackten ihr besonders lange Töne manchmal nach unten ab. Man kann eben nicht eine Dreiviertelstunde lang durchgängig millimetergenau greifen, gerade bei einer winzigen Sopranino-Blockflöte, und in aller Vollkommenheit den Ansatz wahren, gerade wenn man noch eine dynamische Vorstellung umsetzen will.

Darüber hinaus sei die Anmerkung erlaubt, dass die mitgebrachten Werke nicht eben aus der Tiefsee der musikalischen Gedanken stammten; war Vivaldis „Finkenkonzert“ eher ein musikalischer Spaß, blieb die Freude über Mozarts solitäres Andante, das im Köchelverzeichnis unter Nummer 315 rangiert, gespalten, denn auch eine Petri konnte mit ihrem etwas eckigen Klang nicht verhehlen, dass dieser Mozart für die Querflöte konzipiert worden war.

Michala Petris echtes Verdienst besteht vor allem darin, ihrem Instrument die Klangmusealisierung zu ersparen, indem sie immer wieder moderne Werke auf den Spielplan setzt. Mag Thomas Koppel in seinem der Petri gewidmeten „Los Angeles Street Concerto“ auch eine etwas eintönige Klangsprache entwickelt und dadurch gewisse Längen in Kauf genommen haben, die Suite von Charakterstücken hatte durchaus als Momentaufnahme einen originellen Wert, wenn auch mit überschaubarer inhaltlicher Relevanz. Beeindruckender war da schon Artjom Wassiljews „Valere iubere“ (Abschied nehmen), eine Art Schwanengesang von großer Sogwirkung, die sich aus dem Verschmelzen von Soloinstrument und Streichorchester ergab. Gelegenheit zu glänzen hatte hier die Kammerakademie mit einem erstaunlichen Instinkt für Klangpräzision, gerade wenn es ans synchrone Glissandieren ging.

Gut aufeinander eingespielt erwies sich das extrem wache Orchester vor allem in Franz Schuberts zweiter Sinfonie, die nach anfänglichen Abstimmungsproblemen zu einem rhythmischen Feuerwerk stilisiert wurde. Matilda Hofman, für Chefdirigent Antonello Manacorda eingesprungen, weil der sich derzeit in Italien wichtigen Opernprojekten widmet, betonte hier ein regelrecht perkussives Moment, dessen Notwendigkeit sie sich manchmal nur einbildete oder es als „lebendig“ missverstand. Gerade in delikaten Solopassagen blieben dafür die Seitenstimmen oft zu laut, das Energieniveau war gleich bleibend hoch, mithin zuweilen übersteuert, und setzte einen merkwürdigen Kontrast zur äußeren Erscheinung der jungen Dirigentin. Überragend blieb aber einmal mehr die Präzision der Potsdamer. Bravourös. Christian Schmidt

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