zum Hauptinhalt

Kultur: Wenn es an der Umsetzung mangelt

Pfingstkonzert mit Exxential Bach

Jeder noch so kleine Anlass ist Grund genug, dem größten Leipziger Thomaskantor allüberall Musikfeste zu widmen. Auch in Potsdam. Johann Sebastian Bach war 1747 hier, um sich von Friedrich II. Thema und Auftrag für sein „Musikalisches Opfer“ abzuholen. Nun ist das nicht mehr und nicht weniger als eine illustre Geschichte von einem absolutistischen Herrscher, der nach musikalischer Lust und machtbewusster Laune einen über alle Zweifel erhabenen Musiker mal ein bisschen herausfordern wollte. Dass es sich in Potsdam so liest, als würde die Bachpflege im Subtext also gleich noch das Lob des Heiligen Friedrich singen, ist fast schon geschenkt.

Als nicht geschenkt erweisen sich die Kartenpreise der Bachtage, zumal wenn viele Plätze für das Pfingstkonzert am Sonntag in der Friedenskirche doppelt belegt und der Einlassfachkraft darob das Nervenkostüm erschüttert und die hilflosen „Hände gebunden“ sind. So viel organisatorischer Unprofessionalität folgt endlich musikalisches Können. Geladen hatte das Ensemble Exxential Bach zur Pfingstkantate „Erschallet, ihr Lieder, erklinget, ihr Saiten“, erhitzt von Bachs sehr spritziger vierter Orchestersuite, auf dem Programmzettel weltmännisch, aber falsch zur „Ouverture“ verstümmelt.

Die aus allen Ecken Deutschlands und Hollands zusammengeholten Instrumentalsolisten ließen keinerlei Zweifel an ihrer Eignung und Erfahrung mit der historischen Aufführungspraxis aufkommen. Lebendig und farbenreich, befreit von aller bleischweren Legatoödnis, keck in der Formulierung der kurz gehaltenen Phrasen bewies jedes Orchestermitglied in den Dienst der Musik gestellte Virtuosität und Gespür für Agogik. Für das Zusammenspiel allerdings fehlten entweder zwei Durchlaufproben oder eine eindeutigere Ansage.

Nun gilt ja Initiator, Cembalist und Dirigent Björn O. Wiede als Potsdamer Tausendsassa in allen Fragen der Alten Musik, der Nikolaikantor und „Intendant“ der Bachtage ist ein umtriebiger Mann. Ohne den 50-Jährigen wäre das Musikleben der brandenburgischen Landeshauptstadt um vieles ärmer. Er teilt allerdings das Schicksal vieler Kantoren, mit schier unglaublicher Energie und überquellendem Ideenreichtum so manches Mal über die eigenen handwerklichen Kräfte zu stolpern. Will heißen, gute Konzepte müssen auch gut kommuniziert werden, und das ist in Wiedes Pfingstkonzert verbal eher kompliziert und vom dirigentischen Habitus erst recht keine reine Freude. Auch Konzertmeister Wolfgang Hasleder, selbst ein Potsdamer Ensemblekompositeur mit Format, kann nicht reparieren, was vom Cembalo aus so alles schiefgeht. Das schönste Klangkonzept, der gelehrte Hintergrund, die beste Musizierhaltung – all das verliert sein Fundament, wenn banale Einsätze nicht funktionieren und die Stimmen auseinanderlaufen. Noch bei den professionellsten Musikern löst das Verkrampfungen aus, die man ihrem Spiel anmerkt. Das ist schade, denn bei aller übergewichtigen Konzentration auf einen gemeinsamen Atem lassen die Einzelleistungen aufmerken: beim obligaten Oboentrio ebenso wie am Barockfagott, der Violone und den historischen Trompeten.

„Essenziell“ will Wiede sein, wenn er seinen Chor solistisch besetzt. Historisch wirklich belegt ist diese Aufführungspraxis trotz aller Behauptungen immer noch nicht, sondern vor allem weniger aufwendig. Dünn gegen die Instrumentalgewalt wirken die bestens aufgelegten Sängerstimmen in jedem Fall – gerade in dieser Kantate stellt allein schon die Instrumentierung eine solistische Besetzung von vornherein infrage. In den sparsamer begleiteten Arien können besonders Sopranistin Heidi Maria Taubert und Tenor Wolfram Lattke ihre Volumina naturgemäß besser entfalten. Aber wenn nicht einmal im Choral das Solistenquartett eine gemeinsame Phraseologie findet, liegt es bestimmt nicht an den hervorragenden Sängern. Hier fehlt es schlicht an einer guten „Übersetzung“. Christian Schmidt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false