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Besucher:innen betrachten Kunst beim 12. Teltower Kunst-Sonntag im Stubenrauchsaal

© Manfred Thomas

Kunst-Sonntag in Teltow: Die Stadt wird zur Ausstellungsfläche

50 Künstler:innen zeigen sich bei dem mittelmärkischen Event - darunter bekannte Gesichter. Aber auch neue Kunstschaffende mit neuen Kunstformen sind zu sehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sah in einem seiner Bilder letztes Jahr eine Drohne. Gewollt war das nicht, sagt Guido Jülich. In seinen Bildern sehe man eben eine Menge, jeder etwas anderes. So solle das ja auch sein. Tatsächlich sieht man in Jülichs Bildern, die aufgereiht in seinem Atelier am Marktplatz in Teltow hängen oder stehen, so allerhand; Fische, Feen, viele Fabelwesen. Die entstehen auf seinen Bildern dann, wenn die bunten Farben auf der Leinwand getrocknet sind. Mit dem Edding zeichnet der Teltower dann die Konturen an den Stellen nach, an denen seine Farben aufeinandertreffen und Ränder durch Farbüberläufe entstanden sind. Das ist impulsiv, aus dem Bauch heraus, sagt er. „Da sind dann plötzlich Gesichter oder Fische.“

Jülich nennt das Pareidolie, also die Täuschung unseres Gehirns, wirklich vorhandene Dinge um nicht vorhandene zu ergänzen. So geschieht das häufig bei Wolkenbildern. Jülichs Bilder und seine eigene Pareidolie können Interessierte am Sonntag sehen. Zum 14. Teltower Kunst-Sonntag (11 bis 17 Uhr, Ab 12 Jahren kostet der Eintritt 2 Euro) öffnet Jülich sein Atelier. Dort, auf dem Marktplatz, im Bürgerhaus und im Stubenrauchsaal im Neuen Rathaus präsentieren rund 50 Kunstschaffende ihre zeitgenössischen Werke - darunter Skulpturen, Malereien, Fotografien und sogenannte Mixed Media, also durch verschiedene Medien erschaffene Werke.

Kunst auf Stoffen, Malerei und Fotografie

Dazu zählt beispielsweise die Kunst von Eva Mühlenbach, die am Sonntag im Bürgerhaus zu sehen ist. Mühlenbach stickt auf selbst gefertigte Papierkollagen oder Stoffe. Im Bürgerhaus präsentieren neben ihr weitere Mixed-Media-Künstler:innen wie Ulrike Stelzig-Schauert, die ebenfalls mit Stoffen arbeitet und Martina Ruschitz. Aber auch Fotografie und Malerei ist in dem Saal zu sehen wie die bunt leuchtenden Bilder von Ulrich Uffrechts aus Berlin.

Jülich, 61, frühpensionierter Finanzbeamter, geboren in Bonn, ist in diesem Jahr zum ersten Mal nicht nur Teilnehmer des Kunst-Sonntags, er hat auch Organisatorin Susanne Schneider, die inzwischen nicht mehr bei der Stadt beschäftigt ist, bei der Organisation und der Auswahl der präsentierten Kunstschaffenden geholfen.

Ina Münch und Guido Gerd Jülich tragen Bilder für den 14. Teltower Kunst-Sonntag zusammen

© Ottmar Winter PNN

Neben dem Bürgerhaus zeigen rund 14 Künstler:innen unter anderem Skulpturen im zwölf mal 20 Meter großen Zelt auf dem Marktplatz. „Wir haben versucht, die Skulpturen-Leute zu konzentrieren“, sagt Jülich. Sie bräuchten für ihre Werke mehr Platz, Bilder seien nun einmal nur zwei-dimensional. Bei der Anordnung habe man mehr darauf geachtet, diejenigen, die in den vorherigen Jahren zusammenstanden, auch wieder nebeneinander zu stellen, als auf die inhaltliche Zusammenstellung. „Sie sind sich schon vertraut“, sagt Jülich. Es gebe viele „Wiederholungstäter“, die schon an den vergangenen Kunst-Sonntagen teilgenommen haben. Aber auch neue Künstler:innen seien in diesem Jahr dabei.

Zurückhaltung fehl am Platz

Als weitere Fläche des Kunst-Events dient der Stubenrauchsaal im Neuen Rathaus. In dem Saal, in dem sonst die Stadtverordneten über Anträge abstimmen, werden am Sonntag vor allem Bilder zu sehen sein. Mit dabei ist Alfred Roland Solecki aus Kleinmachnow und Katrin Seifert aus Potsdam, die für ihre Strukturbilder verschiedene Papiere wie beispielsweise Japan-Papier, das selbst arbeitet, malt.

Die Teltowerin Ina Münch ist nachträglich zur am Sonntag anwesenden Künstler:innenrunde dazugekommen, da noch Plätze frei waren. Bei Münchs Bildern ist Zurückhaltung fehl am Platz. Ihre Bilder darf, soll man anfassen. „Manches fühlt sich an wie Elefantenhaut oder wie Baumrinde“, sagt die braunhaarige Frau. Münch bringt auf ihre abstrakten Bilder mehrere Schichten; Acryllack, Öl, Bleistiftspuren, Ölkreide. Mit Letzterem will sie Bestimmtes in ihren Darstellungen hervorholen. Sie lege gerne viel übereinander, einiges werde dabei auch später wieder „weggemalt“.

Guido Gerd Jülich in seinem Atelier

© Ottmar Winter PNN

„Glücksspender“ Natur

Ihr Bild „Bubble-Tea“, das an die kohlensäurehaltigen Getränke erinnert, wurde im unteren Bereich durch nachträglich aufgebrachtes Bitumen, eine klebrige Kohlenwasserstoff-Masse, die bei der Aufbereitung von Erdölen gewonnen wird, unerwartet dunkel. Münch mag den natürlichen „Kaffeeton“, der Blasen bildet. In ihren Bildern sei die Natur häufig ein Vorbild ihrer Arbeiten, ein „Glücksspender“, wie sie sagt. So wie bei dem am Sonntag in Jülichs Atelier zu sehenden Bild „Seegedanken“, das ein wenig an Monets Seerosen-Werke erinnert.

Jülich war schon bei dem ersten Kunst-Sonntag 2008 dabei, damals noch als Bildhauer mit Skulpturen. In diesem Jahr wolle er sich auf dem eintägigen Event einmal genauer auch die anderen Kunstschaffenden ansehen. Durch eine Umfrage, die an dem Tag unter den Künstler:innen und Besucher:innen durchgeführt werden soll, will die Stadt schauen, wo es Verbesserungsbedarf gibt.

Das Ergebnis soll als Blaupause für künftige Veranstaltungen dienen, sagt Jülich. Bundeskanzler Scholz hatte er im August 2021, als der Potsdamer noch auf Wahlkampftour war, spontan eingeladen, zu seiner Ateliereröffnung zu kommen. Daran geglaubt, dass er tatsächlich kommt, habe er erst, als Scholz vor seiner Haustür stand, hinter der sich an der Wand heute das Werk mit der Drohne befindet.

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