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Gewinner des Soundcheck Awards 2020: Makaya McCraven.

© Andreas Müller

Soundcheck Award 2020: Überreicht an Makaya McCraven

Wegen der Corona-Pandemie konnte die Verleihung zunächst nicht wie geplant stattfinden. Als der US-Musiker am Mittwoch in Berlin ein Konzert gab, war es endlich soweit.

„Wow, very cool“, sagt Makaya McCraven, als er am Mittwoch den Soundcheck Award in Händen hält. Der Schlagzeuger aus Chicago hatte seine geplanten Konzerte in Europa wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie mehrmals verschoben. Deshalb verzögerte sich auch dieser Moment: die Möglichkeit, dem Preisträger des Soundcheck Awards 2020 endlich zu überreichen, was ihm gebührt - eine künstlerische Grafik des Illustrators und Designers Otto Steininger. McCraven erhält sie für „We’re New Again“, eine Bearbeitung des Werks von Gil Scott-Heron.

Die formlose Zeremonie geht in der Garderobe des Musiker im Festsaal Kreuzberg vonstatten, wo er mit zwei Mitgliedern seines Quartetts auf den abendliche Auftritt wartet. Der 39-Jährige, der als Sohn des Freejazz-Schlagzeugers Steven McCraven in Paris geboren und nach der Trennung der Eltern von seiner ungarischen Mutter allein großgezogen wurde, lebt mit Frau und zwei Kindern in Chicago. Seit Erscheinen des prämierten Tribute-Albums für Gil Scott-Heron, hat er bereits weitere Alben veröffentlicht, zuletzt „In These Times“.

Ein Puzzle aus Lebenserinnerungen zusammengesetzt

Zur Begründung der Jury-Entscheidung hatte der Tagesspiegel vor einem Jahr geschrieben: „We’re New Again - A Reimanining“ von McCraven stelle eine stilbildende Auseinandersetzung mit Leben und Werk des 2011 verstorbenen US-Poeten Gil Scott-Heron dar. Indem es Jazz- und Soul-Traditionen mit digitalen Mitteln neu interpretiere, stehe es für einen hochaktuellen künstlerischen Ansatz, der technologische Grenzen überwinde, ohne die Integrität des ursprünglichen Materials zu verletzen. McCraven hatte sich des Nachlasses von Gil Scott-Heron angenommen, den der ein Jahr vor seinem Tod 2010 in Form des Albums „I’m New Here“ in die Hände des britischen Produzenten Richard Russel gelegt hatte. Es war schon die dritte Überarbeitung von Scott-Herons Hinterlassenschaft, die zunächst dank Russel über das Stadium einer losen Sammlung aus Monologen, Gedankenfetzen und musikalischer Ideen hinausgelangt war. Russel hatte seinerzeit befreundete Musiker wie Bill Callahan und Kanye West gebeten, die von Scott-Heron eingesprochenen Texte zu vertonen. Danach nahm sich Jamie X des Materials an und versuchte es mit House-Beats zu verschneiden. Als nun McCraven das Puzzle aus Lebenserinnerungen auf Wunsch von Russel neu sortierte, war der Soziologe, Rap-Pionier und Straßenpoet Scott-Heron beinahe zehn Jahre tot.

Makaya McCraven mit Soundcheck-Moderator Andreas Müller (Mitte) und Tagesspiegel-Redakteur Kai Müller bei der Verleihung des Awards.

© Andreas Müller

Zunächst hatten Russel und McCraven auch nur über ein Remix-Projekt gesprochen, wie der Musiker jetzt verriet. Aber er habe sich gefragt, warum er elektronische Beats noch einmal verfremden oder überarbeiten sollte. Ihm schwebte vielmehr eine „organische Verbindung“ mit dem Originalmaterial vor. Russel habe dann nach dem Abhören der ersten Tonproben sofort eingesehen, dass McCravens Ansatz weit über ein Remix hinausging.

McCraven ist das seltene Kunststück gelungen, ein zeitgemäßes Werk aus den Splittern zusammenzusetzen, die ihm die Datenbanken zur Verfügung stellen. Darunter vor allem auch eigene Aufnahmen mit diversen seiner Jazzprojekten, die er nachträglich ediert und auf Kernmomente reduziert. Entstanden ist eine musikalische Erzählung, die erstmals Gil Scott-Herons verkrachtem Leben gerecht wird und es erfahrbar macht als eine schwarze Geschichte vaterloser Familien, des endlosen Bemühens um Anerkennung und Ehrbarkeit und ihrer dämonischen Begleiter Alkohol und Drogensucht.

In gewisser Weise holt McCraven die verlorene Seele Scott-Herons wieder in das Haus der Familie zurück, das dieser in seinen Gedichten beschreibt.

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