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Boris Herrmann bei seiner nächtlichen Ankunft in Guadeloupe. Er wurde 24.

© Jimmy Horel

Boris Herrmann bei Route Du Rhum im Ziel: Na, endlich

Der Zeitplan war ehrgeizig. Dennoch ging der deutsche Segler mit einer kaum erprobten Rennyacht an den Start einer Soloregatta. Auch um mögliche Schwachstellen zu entdecken. Eine davon war er selbst.

Boris Herrmann hatte seinen Frieden gemacht mit dem schlechten Abschneiden, lange bevor er das Ziel in Guadeloupe am frühen Donnerstagmorgen erreichte. Zwar war er „natürlich enttäuscht“ über den 24. Rang in diesem renommierten Transatlantikrennen, wie er bei seiner Ankunft sagte. Es ist das schlechteste Ergebnis von ihm in den sechs Jahren, in denen er zur Elite der Imoca-Klasse gehört. Aber dass es so kommen würde, hatte sich schon fünf Tage vorher angekündigt.

Er entdeckte einen technischen Defekt an einem seiner Foils, der sich mit Bordmitteln nicht reparieren ließ. Einige Befestigungsschrauben am Kopfende der Hydroflügel hatten sich gelöst und verbogen. Nicht nur, dass Herrmann die Stelle nur schlecht erreichen konnte, es mangelte ihm wohl auch an passendem Werkzeug, es so gut wieder hinzubiegen, dass die Foils bedenkenlos ein- und ausgefahren werden konnten. Von da an sei die Route du Rhum für ihn „mehr eine Überführungsfahrt als ein Rennen“ gewesen.

Man kann auch sagen: Er war noch nicht so weit.

Eine Drohnenaufnahme von Boris Herrmann am neunten Tag seiner Transatlantikregatta. Am 15. Tag gelangte er ins Ziel.

© Boris Herrmann

Das ist dem ehrgeizigen Zeitplan geschuldet, den Herrmann und sein Team verfolgen. Sie wollten unbedingt schon bei diesem Solorennen an den Start gehen, obwohl man ihnen bedeutete, dass es „unmöglich“ sei, ein nagelneues, unerprobtes Boot mit einem außerdem noch eigenwilligen Designkonzept so schnell nach der Inbetriebnahme im Juli 2022 auf das nötige technische Niveau zu bringen. „Wir zogen es trotzdem durch, nicht unter idealen Umständen und ich wäre auch gerne besser gewesen, aber so ist es gut“, sagt Herrmann.

In perfekter Harmonie von Mensch und Maschine

Einerseits hat er sich mit seiner Ankunft in der Karibik vorzeitig fürs Vendée Globe qualifiziert. Am wichtigsten sei allerdings, Fehlerquellen ausfindig gemacht zu haben, die sich bei dem Mitte Januar in Spanien startenden Ocean Race fatal hätten auswirken können.

Dennoch zeigt diese Ausgabe der alle vier Jahre von St. Malo nach Guadeloupe führenden Route du Rhum, wie eng das Leistungsniveau sowohl auf technischer als auch menschlicher Ebene geworden ist. An der Spitze leisteten sich Thomas Ruyant und Charlie Dalin ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit voll ausgereiften Booten, die von ihren Skippern unerbittlich an Grenzen getrieben wurden. Für das nächste Vendée Globe in zwei Jahren dürfen beide mit neuen Booten rechnen. „LinkedOut“ und „Apivia“ waren also jetzt auf dem Gipfel dessen, was Mensch und Maschine in perfekter Harmonie zu vollbringen vermögen.

Mehr Wind wäre schön. Boris Herrmann am achten Tag noch immer in der Flaute.

© Boris Herrmann

Dahinter reihten sich Neukonstruktionen vom Zeichentisch Guilaume Verdiers ein, die zwar ebenfalls erst in diesem Jahr zu Wasser gelassen wurden, sich aber mehr oder weniger stark an diesen beiden Erfolgsmodellen orientierten. Eine Ausnahme bildet die neue „Charal“ von Jérémie Beyou, die Sam Manuard entworfen hat. Er hat den so genannten „Scow Bow“ oder Wulstbug in die Imoca-Klasse eingeführt, nachdem sein Konzept in der kleineres Class-40 Erfolg hatte.

Zu denken gibt, dass sowohl der viertplatzierte Kevin Escoffier („Holcim - PRB“) als auch Paul Meilhat auf Platz sechs („Biotherme“) als Konkurrenten von Herrmanns „Malizia-Seaexplorer“ beim Ocean Race antreten werden - und schon jetzt ein beachtliches Potenzial abrufen können.

Herrmann fehlt Praxis, die er demnächst sich auch nicht wird aneignen können. So fühlte er sich „nicht richtig zuhause“, die intuitive Verbindung zu dem Boot, seinen Belastungen und Geräuschen, auf die so viel ankommt bei diesem Sport, hat sich noch nicht eingestellt. Um bloß keinen Schaden zu verursachen, hielt er sich mit riskanten Entscheidungen zurück, agierte als Stratege zaghaft. Auch haderte er wieder mit dem Alleinsein auf See, das ihm einfach nicht liege, wie er gestand.

Anderen ist auch nicht besser ergangen

Vielleicht war es aber auch nur fehlendes Glück, dass ihn aus den vorderen Rängen katapultierte. Fast drei Tage hielt ihn ein Windloch nahe der Azoren fest, aus dem sich seine Konkurrenten besser befreien konnten.

So kommt es, dass vor allem Neulinge sich bei der Route du Rhum mit kleineren Budgets und Racern vorangegangener Generationen bewährten. Sebastian Marsset landete auf dem 11. Rang, als schnellster Nicht-Foiler. Auch Tanguy le Turqais, James Harayda und Benjamin Ferre auf den Plätzen 13 bis 15 nutzten das Rennen, um die Phalanx der Vendée-Globe-Veteranen zu durchbrechen.

Noch schlechter als Herrmann ergeht es der Britin Sam Davies, aktuell auf Rang 28. Sie war begeistert über ihre ebenfalls von Sam Manuard entworfene „Initiatives Coer“ ins Rennen gegangen, kam aber nie richtig in Fahrt. Um sich in dem wachsenden Zahl Imoca-Feld zu behaupten kommt es mehr denn je auf außergewöhnliche Leistungen an.

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