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Da konnte er noch lachen. Herthas Sandro Schwarz (r.) vor seinem ersten Derby mit Urs Fischer vom 1. FC Union.

© Imago/Jan Huebner

Derby zwischen Hertha BSC und Union: Wenn Frust auf Lust trifft

Hertha BSC taumelt dem Derby entgegen. Bei einer weiteren Niederlage dürfte die Stimmung endgültig kippen. Ein Erfolg hingegen könnte vieles ins Positive wenden.

Vermutlich wird es eine Punktlandung werden. Am Dienstag waren noch rund 1500 Karten für das Derby zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union erhältlich; am Donnerstag 1000 und am Freitagmorgen 800. Aller Wahrscheinlichkeit wird Hertha also auch am Samstagnachmittag wieder ein volles Olympiastadion vermelden können. Wie immer beim Derby außerhalb von Coronazeiten.

So lange aber hat es noch nie gedauert, bis alle Karten weg waren. Vielleicht liegt es am ungemütlichen Januarwetter. Oder an den Schulferien in Berlin. Oder am derzeitigen Zustand von Hertha BSC. Der ist alles andere als einladend.

Zwei Spiele, zwei Niederlagen, 1:8 Tore: Das ist die Bilanz der Mannschaft von Trainer Sandro Schwarz in diesem Jahr. Am Samstag (15.30 Uhr, live bei Sky) trifft Frust auf Lust. Union hat 2023 beide Spiele gewonnen, sich nach dem gequälten Jahresausklang wieder auf Platz zwei zurückgekämpft. Mit anderen Worten: Vor Hertha BSC liegt eine höchst anspruchsvolle Aufgabe.

Das Derby zur Unzeit also? Im Gegenteil. „Es kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagt Sandro Schwarz, „weil du eine Riesenmöglichkeit hast, die Stimmung zu drehen. Es ist ein emotionales Spiel, das wollen wir ausstrahlen.“

Die Mannschaft kann zeigen, dass sie kapiert hat, worum es geht. Sie kann ihre Fans wieder einfangen und mitnehmen. Sie kann mit einem Sieg, den derzeit niemand erwartet, vieles wieder gutmachen.

Nur: Wie soll das funktionieren? Wie soll eine Mannschaft, die in den ersten beiden Spielen des Jahres gezeigt hat, dass sie nicht als Mannschaft funktioniert, die beim geringsten Widerstand zusammenfällt, wie soll die gegen ein Team bestehen, das inzwischen so verlässlich funktioniert wie die japanische Eisenbahn?

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verschiedene Hertha-Trainer saßen bei den bisherigen Derbys in der Bundesliga auf der Bank. Bei Union war es nur Urs Fischer.

Union ist in beiden Begegnungen – zu Hause gegen Hoffenheim und in Bremen – 0:1 in Rückstand geraten und hat beide am Ende doch noch für sich entschieden. So geht Widerstand. Hertha hingegen ist es in dieser Saison kein einziges Mal gelungen, eine Begegnung nach einem Rückstand noch zu drehen. Eher folgte einem 0:1 das 0:2 und oft genug noch das 0:3.

Bevor im Olympiastadion Herthas Mannschaftsaufstellung verlesen wird, werden die Anhänger traditionell dazu aufgefordert, sich bereit zu machen „für Berlins Fußballteam Nummer eins“. Schön wär’s. Seitdem Union 2019 in die Bundesliga aufgestiegen ist, haben sich die Machtverhältnisse im Berliner Fußball ins Gegenteil verkehrt. Erst schleichend, dann immer offensichtlicher.

Aus ferner Vergangenheit. Beim bisher letzten Hertha-Sieg gegen Union erzielte Peter Pekarik eines der Tore.

© imago images/Camera 4

Aus dem Herausforderer ist der Gejagte geworden. Union ist Zweiter (hinter den Bayern), Hertha Zweiter von hinten (vor Schalke). „Das ist eine Mannschaft, die ihre Abläufe schon lange perfektioniert hat“, sagt Schwarz über den Konkurrenten aus dem Südosten der Stadt. Hertha hat die jüngsten vier Derbys gegen Union verloren. Der letzte Sieg datiert aus dem Dezember 2020. Trainer war damals Bruno Labbadia.

Seitdem folgten Pal Dardai, Tayfun Korkut, Felix Magath und nun Sandro Schwarz. Urs Fischer, der bei Union bei allen Bundesligaderbys auf der Bank saß, hatte es auf Hertha-Seite mit sechs unterschiedlichen Trainern zu tun.

Union verkörpert all das, was Hertha gerne hätte: Ruhe, Sicherheit, Kontinuität. Einen klaren Plan. Herthas Mannschaft ist hingegen noch auf der Suche. Vieles, was unter Schwarz schon funktioniert hat, hat zuletzt nicht mehr funktioniert. „Für uns gilt es, unser Spiel wieder zu finden, die Basics, die Grundtugenden“, sagt er. „Wir müssen dieses Selbstbewusstsein haben, dass wir auch Stärken haben, dass wir uns nicht verstecken wollen.“

Und trotzdem sind die Erwartungen an Hertha gering, erst recht nach den jüngsten beiden Auftritten der Mannschaft, die viele Fragezeichen hinterlassen haben. Bisher hat sich der Anhang als ausgesprochen geduldig erwiesen; aber im Verein weiß jeder, dass eine ähnliche Leistung wie gegen Wolfsburg die Stimmung endgültig kippen lassen kann. „Die Wichtigkeit des Spiels ist uns bewusst“, sagt Trainer Schwarz. Trotzdem dürfe man sich nicht damit beschäftigen, was passiere, wenn es schiefgehe.

„Die Situation musst du annehmen, die musst du voll annehmen, die musst du auch positiv voll annehmen“, sagt Fredi Bobic, Herthas Geschäftsführer Sport. „Entscheidend ist: Haltung, voll drauf und alles reinhauen.“ Dann klappt’s auch mit den Fans.

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