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Sport: Deutschland-Tour: Wenn ein unfreiwilliger Fahrerstreik droht ...

Die zweite Auflage der wieder belebten Deutschland-Rundfahrt litt unter Telekom-Fieber. Die zum Teil hochkarätige internationale Konkurrenz und die ehrgeizigen lokalen Zweitliga-Teams waren mit wenigen Ausnahmen nur Staffage für die Zabel/Ullrich-Show.

Die zweite Auflage der wieder belebten Deutschland-Rundfahrt litt unter Telekom-Fieber. Die zum Teil hochkarätige internationale Konkurrenz und die ehrgeizigen lokalen Zweitliga-Teams waren mit wenigen Ausnahmen nur Staffage für die Zabel/Ullrich-Show. Aber das machte die Tour - bei Redaktionsschluss noch nicht beendet - über 1247 km und acht Etappen für das Publikum, die Sponsoren und Fernseher offensichtlich besonders attraktiv. Zumal sich die Fans nach dem Bundesliga-Finale ohne Ablenkung umorientieren konnten.

"Das war der Durchbruch", meinte Gesamtleiter Michael Hinz, der die 6,5 Millionen-Mark-Veranstaltung (plus Produktionskosten für das Fernsehen) auf die Beine stellte und langfristig noch standhafter machen will. Die ARD soll schon in den Startlöchern stehen, um die Übertragungsrechte von Sat 1 zu übernehmen. "Wir dürfen nicht vergessen, wir sind erst im zweiten Jahr. Dafür lief doch alles sehr gut und besser als beim Auftakt im Vorjahr", sagte Verbands-Präsident Manfred Böhmer, der im kommenden März nicht mehr kandidieren wird.

Die Veranstaltung sei "rundherum" angenommen worden. Die Königsetappe haben fast drei Millionen Fernseh-Zuschauer verfolgt, und für das kommende Jahr liegen schon wieder 45 Bewerbungen vor, Gastgeberstadt für Start und Ziel einer Etappe (Kosten: 175 000 Mark für das Doppelpaket) zu sein. Der im internationalen Maßstab gering bewerteten Deutschland-Tour, die den gleichen Stellenwert wie die Schweden-Rundfahrt genießt, tat vor allem David Plaza gut. Der Newcomer aus Spanien gewann sein erstes Zeitfahren als Profi und soll im Juli sein Debüt bei der Tour de France geben.

Mit der unerwarteten sportlichen Wende nach dem Zeitfahren von Herzogenaurach waren die Veranstalter hoch zufrieden, der Eindruck einer internen Telekom-Meisterschaft war verwischt. Mit Udo Bölts als Sieger der Königsetappe, die der brave Pfälzer im Dauerregen gegen den Italiener Michele Bartoli entschied, hatte es nach deren Meinung schon den "falschen Sieger" gegeben.

"So ist Sport - Andreas Klöden war bei der Baskenland-Rundfahrt nur fünf Sekunden vorne. Diesmal war das Glück eben gegen uns", sagte Telekom-Teamchef Walter Godefroot, der bei der Beurteilung seines Top-Angestellten Jan Ullrich vier Wochen vor dem Tourstart zum ersten Mal differenziertere Töne anschlug: "Wenn er nicht aufs Podium kommt, wäre ich enttäuscht." Der Toursieg scheint angesichts der Formrückstande des Siegers von 1997 außer Sichtweite zu geraten. Ullrich hatte im Winter mal wieder mit Übergewicht zu kämpfen, eine altbekannte Tatsache, nur fällt es ihm diesmal erheblich schwerer als sonst, wieder zur alten Fitness zu kommen.

Als die Tour-de-France-Größen Richard Virenque (Frankreich) und Laurent Dufaux (Schweiz) im Schwarzwald die Muskeln spielen und erahnen ließen, wozu sie in vier Wochen in Frankreich im Stande sein könnten, fuhr Ullrich deutlich hinterher. Auch in seiner Domäne kam der Zeitfahr-Weltmeister am Mittwoch nicht so flott wie früher von der Stelle und war im Kampf gegen die Uhr wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben sogar 52 Sekunden langsamer als Bölts. Der noch übergewichtige Ullrich - der hautenge Einteiler beim Zeitfahren mit den Querstreifen des Weltmeisters wirkte weniger vorteilhaft - lässt sich nicht aus dem Tritt bringen: "Ich habe noch einen Monat Zeit. Es gab eine Steigerung bei mir, ich bin zufrieden." Das klingt allerdings nach Zweckoptimismus. Diverse Beobachter haben ihre Zweifel, dass Ullrich bei der Tour wie so stark fahren wird wie früher, als er zum großen Star aufstieg.

Aber nicht bloß Ullrich, auch die anderen Fahrer waren zufrieden. Straßenbeschaffenheit, Streckensicherung und Unterbringung wurden gelobt. "Alles ist hervorragend organisiert, besonders die Hotels sind einfach große Klasse", meinte Sprintstar Erik Zabel vom Team Telekom. Belgiens Radsport-Idol Johan Museuw und seine Kollegen vom italienischen Mapei-Rennstall wohnten unter anderem im Nobel-Hotel Villa Hammerschmiede bei Pforzheim. Hinz: "Die haben sich dort so wohl gefühlt, dass sie zur dritten Etappe gar nicht mehr antreten wollten ..."

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