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Ganz vorne dabei: Natalie Geisenberger liegt im Gesamtweltcup auf Platz eins und will im nächsten Jahr nach Peking.

© imago images/Fotostand

Rennrodlerin Natalie Geisenberger vor der WM: „Die Corona-Situation kommt mir sehr entgegen"

Erst im Mai wurde die Münchnerin Mutter und schon jetzt rast sie ihren Konkurrentinnen davon. Dass die Wettkämpfe nach Europa verlegt wurden, kommt ihr gelegen.

Es gibt ziemlich viele gute Gründe, warum Leistungsportler*innen unter den aktuellen Coronavirus-Maßnahmen leiden: Wettkämpfe, die spontan abgesagt oder verschoben werden, leere Zuschauerränge oder aber strenge Hygieneauflagen, die sich auf die Sportereignisse auswirken. Es gibt allerdings einige – wenn auch wenige – Personen, die darin Positives sehen. „Die Corona-Situation kommt mir sehr entgegen, wenn ich ehrlich bin“, sagt zum Beispiel Natalie Geisenberger.

Normalerweise hätten die Rennrodlerin und ihre Teamkolleginnen in der aktuellen Saison viele Rennen im Ausland und in Übersee gehabt. Diese wurden coronabedingt allesamt nach Europa verschoben. Die Entscheidung kommt Geisenberger gelegen: Die neunfache Weltmeisterin ist nämlich erst im Mai Mutter geworden. „Ich konnte mir nicht vorstellen, wochenlang von meinem Sohn getrennt unterwegs zu sein“, sagt die Münchnerin. Ihr ursprünglicher Plan sei es gewesen, nur die Rennen, die in der Nähe stattfänden, zu fahren. Doch abgesehen von einer Woche in Lettland finden nun alle Wettkämpfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt, sodass ihr Sohn Leo überall dabei sein kann. Das spiele ihr natürlich total in die Karten, erzählt Geisenberger. Die vergangene Saison setzte die Münchnerin, die bislang als einzige Frau siebenmal in Folge den Gesamtweltcup gewonnen hat, aus. Jetzt ist sie mit großem Erfolg zurück und rast ihren Konkurrentinnen davon.

Beim letzten Heimweltcup in Königssee musste Geisenberger sich zwar mit dem zweiten Platz zufriedengeben. In der Gesamtwertung führt sie allerdings nach wie vor. Mit ihrem Comeback ist Geisenberger bisher „wirklich sehr zufrieden“ – sowohl mit den sportlichen Erfolgen als auch mit der privaten Organisation, die dahintersteht. Wenn ihr jemand noch im Sommer gesagt hätte, dass sie nach fünf Rennen im Gesamtweltcup vorne läge, dann hätte sie das eins zu eins genau so genommen, sagt Geisenberger. „Dieses Abenteuer war ein Versuch, der momentan wirklich gut gelingt. Ich bin positiv überrascht.“

Auch die Leistung des gesamten Frauenteams könne sich sehen lassen, findet Geisenberger. Aktuell belegen sie und ihre Teamkolleginnen in der Gesamtwertung die ersten drei Plätze. Dajana Eitberger, die wenige Monate vor Geisenberger ein Kind bekommen hat, feierte bereits im Dezember in Oberhof ihren ersten Sieg nach der Pause. Und auch Julia Taubitz, die beim Weltcup in Königssee siegte, zeigt in dieser Saison sehr starke Leistungen. Dass viel über ihr Muttersein berichtet und sie als „Rodelmami“ gefeiert wird, überrascht Geisenberger nicht: „Damit war zu rechnen.“ Denn schließlich gebe es wenige Mütter im Leistungssport, die mit so jungen Kindern ein Comeback probierten. „Es war klar, dass das der Hauptfokus wird und das ist auch total okay für mich.“

Geisenberger will sich selbst nicht unter Druck setzen

Aktuell bereiten sie und die Teamkolleginnen sich auf den Weltcup in Sigulda am Wochenende vor. Mit Charterflügen wurden sie nach Lettland geflogen und befinden sich dort in einer „richtigen Blase“: Die Sportlerinnen haben kaum Kontakt zum öffentlichen Leben und werden – ebenso wie ihre Trainer – bis zu dreimal die Woche getestet. Schutzmasken gehören zum Alltag und anders als sonst schlafen die Rennrodlerinnen in diesem Jahr in Einzelzimmern. Dementsprechend gibt es zwar kaum Personen, die positiv auf das Coronavirus getestet werden, dafür gestaltet sich das soziale Leben schwierig. „Zum Teil schreiben wir Sportlerinnen, die hier sind, uns gegenseitig Whatsapp-Nachrichten von Zimmer zu Zimmer“, berichtet Geisenberger, „weil wir untereinander auch versuchen, so wenig Kontakt wie möglich zu haben. Aber wir versuchen, das Beste draus zu machen.“

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Viel Zeit, um über die Situation nachzudenken, bleibt aber ohnehin nicht: Denn im Anschluss an das Wettkampf-Wochenende in Sigulda geht es für die Rodlerinnen weiter mit den Rennen in Oberhof und Innsbruck; und Ende Januar folgt schließlich die Rennrodel-Weltmeisterschaft. Diese war ursprünglich für Februar angesetzt und sollte in Kanada stattfinden. Aufgrund der Pandemie und der kanadischen Reisebeschränkungen wurde sie allerdings nach Königssee verlegt. Dass es für Geisenberger eine Heim-WM wird, hätte sie bis vor wenigen Monaten auch nicht gedacht. Sie will sich keine Platzierungen als Ziel setzen und sich selbst nicht unter Druck setzen, sondern weiterhin „schöne Fahrten“ und „stabile Leistungen“ erbringen. Die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Peking sind ihr langfristiges Ziel. Sie müsse sich immer wieder vor Augen halten, dass sie erst im Mai ein Kind bekommen habe und Ende Juni wieder mit dem Training angefangen habe, sagt Geisenberger. „Und dafür kann ich wirklich sehr zufrieden sein, wie alles läuft“

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