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Am vergangenen Mittwoch trainierte das Team zum ersten Mal.

© Berlin Bruisers

Ein sportlicher Schutzraum: Erstes deutsche Rugby-FLINTA*-Team in Berlin gegründet

Die Berlin Bruisers gründen ein Team für Personen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden. Damit wollen sie auch sensibilisieren.

Wenn Rachel Schneider über Rugby spricht, dann klingt sie euphorisch und gerät schnell ins Schwärmen. „Es ist ein unglaublich ermächtigender Raum für jeden Körpertyp.“ Das ist es auch, was die 27-jährige US-Amerikanerin an der Sportart besonders mag. „Du kannst die kleinste, größte, schnellste oder langsamste Person sein – es gibt für jeden einen Platz im Team.“ Es sei nicht nur egal, welche Voraussetzungen jemand mitbringe, sondern sogar wichtig, dass das Team ein möglichst breites Spektrum abbilde.

Damit Rugby Raum für noch mehr Menschen bietet, hat Schneider nun gemeinsam mit dem Verein Berlin Bruisers das erste FLINTA* Rugby Team Deutschlands gegründet. FLINTA* ist ein Akronym, das für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans und agender Personen steht, also all jene, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden. „Es ist ganz wichtig, dass nicht nur Platz gemacht wird für FLINTA-Personen, sondern dass ganz explizit eigene Räume für sie geschaffen werden“, sagt Schneider.

Der Verein wolle damit einen Schutzraum vor Ausgrenzung und Gewalt schaffen, damit sich die geschlechtliche Vielfalt der Gesellschaft auch im Sport widerspiegeln kann. Das zeigte sich beispielsweise anhand der sensiblen Sprache, die beim Training verwendet wird, oder daran, dass die Spieler*innen sich nicht nur mit ihrem Namen, sondern auch ihrem Pronomen vorstellen.

Dass auf diese Weise cis Männer, also Männer, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, ausgeschlossen werden, glaubt Schneider nicht. „Bei dieser Behauptung wird gern ausgelassen, dass so ziemlich jeder Raum für cis Männer geschaffen wurde. Und in jedem Raum, den sie betreten, fühlen sie sich willkommen und sicher.“ Bei FLINTA*-Personen sei das anders, sie könnten sich nicht automatisch sicher fühlen und müssten Angst vor Diskriminierung haben. „Es geht auch gar nicht darum, einen Raum zu schaffen, der bestimmte Leute ausschließt. Vielmehr soll ein Raum für eine bestimmte Personengruppe geschaffen werden.“

Die gegenseitige Unterstützung steht im Vordergrund

Seit der Gründung des Teams hat Schneider viel positives Feedback erhalten, auch von anderen Rugby-Teams in Berlin. Das erste Training fand am vergangenen Mittwoch statt, in Treptow-Köpenick, auf dem Sportplatz an der Neuen Krugallee. Mit dabei waren Menschen, die bereits zuvor Rugby gespielt hatten und einige, die den Sport zum ersten Mal ausprobierten. „Das war ein toller Mix. Am Ende haben wir sogar schon eine Partie Touch Rugby gespielt und es war echt cool zu sehen, wie alle gelacht haben und eine gute Zeit hatten.“

Im Vordergrund soll auch zukünftig die gegenseitige Unterstützung und Einbindung aller Spieler*innen stehen. Es gehe nicht darum, die eigenen körperlichen Grenzen zu überschreiten und sich womöglich zu verletzen, weil man sich nicht traue eine Pause einzulegen. „Niemand sollte sich schuldig oder schlecht wegen seines Fitness-Levels fühlen. Es soll vor allem Spaß machen.“

Die Einbindung aller Spieler*innen steht im Vordergrund.

© Berlin Bruisers

Die Gründung des Teams kommt zu einer Zeit, in der besonders trans Frauen verstärkt um ihren Platz im Sport kämpfen müssen. Erst vor wenigen Jahren versuchte der Rugby-Weltverband trans Frauen gänzlich aus Frauenteams auszuschließen mit der Begründung, dass diese ein Sicherheitsrisiko darstellten und physische Vorteile hätten. Auch der neuseeländischen Gewichtheberin Laurel Hubbard, die als erste trans Athletin an Olympia teilnahm, wurden bereits vor Beginn der Spiele in Tokio unfaire Vorteile vorgeworfen.

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Zurzeit dreht sich die öffentliche Debatte vor allem um die trans Schwimmerin Lia Thomas, der von Floridas Gouverneur Ron DeSantis Betrug unterstellt wurde, nachdem sie bei US-Collegewettkämpfen einige Erfolge feiern konnte. DeSantis unterzeichnete jüngst sogar eine Erklärung, in der er ihr einen wichtigen Sieg aberkannte.

Dabei haben wissenschaftliche Studien längst gezeigt, dass Athletinnen mit höherem Testosteronlevel nicht automatisch einen Vorteil haben. „Viele Dinge werden durch Unwissenheit und mangelndes Wissen vorangetrieben“, sagt auch Schneider. „Viele Menschen kennen keine trans Frauen oder wissen nicht, dass sie eine trans Frau kennen.“

Es bräuchte mehr Aufklärung und Sensibilisierung für gesellschaftliche Vorurteile. Einen Schritt in diese Richtung möchte Schneider mit der Gründung des Rugby-Teams gehen – damit zukünftig mehr Platz für Spieler*innen und weniger Raum für Vorurteile im Sport ist.

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