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Das Machtzentrum. Beim HSV haben jetzt Sportdirektor Frank Arnesen (r.) und Trainer Michael Oenning das Sagen.

© dapd

Bundesligisten im Test (11): Hamburger SV: Abkehr vom Heldenfußball

Der Hamburger SV setzt künftig auf solide Arbeiter statt große Namen. Wer sind die Stars im Verein und wer hat das Sagen?

Am 5. August startet die Fußball-Bundesliga in ihre neue Saison. In unserer Serie testen wir täglich Stärken, Schwächen und Marotten der Vereine. Heute: Hamburger SV

Was hat sich verbessert?

Der neue Sportchef Frank Arnesen hat verfeindete Lager durch pure Anwesenheit befriedet und den zerstrittenen Aufsichtsrat verstummen lassen. Er ist der Mann, den alle mögen, von dessen Können alle überzeugt sind. Seine integrativen Fähigkeiten strahlen auf den ganzen Verein und die Mannschaft ab. Es ist ruhiger denn je beim HSV. In der Kabine trauen sich nun auch die Jungen zu sprechen, nachdem die Herrschaft der bissigen Alpha-Männchen um Torwart Frank Rost beendet ist.

Wer sind die Stars?

Vor zehn Jahren war Dino „Hermann“ der beliebteste Hamburger. 2004 begann die Ära der großen Namen, van der Vaart, Ailton, Sorin, Zé Roberto und zuletzt Ruud van Nistelrooy lösten das pummelige Maskottchen als Star ab. In dieser Saison könnte sich Hermann seinen Spitzenplatz zurückholen, denn der HSV hat alles mit großem Namen hinten drauf verkauft. Starappeal verströmt dieser Kader der soliden Arbeiter nicht, und sollten Petric und/oder Guerrero abgegeben werden, bliebe Jarolim als bekanntester HSV-Spieler. Gute Chancen also für Hermann. Wenn ihm nicht Dennis Aogo dazwischen kommt – der Nationalspieler positioniert sich gerade als Wortführer.

Wer hat das Sagen im Verein?

Wahrscheinlich hat er auch die Anordnung auf dem Mannschaftsfoto bestimmt und die Farbe der Ausgehanzüge. Seit Ernst Happel hatte keiner den HSV mehr so im Griff wie Frank Arnesen. Der neue Sportchef soll den ganzen Klub umkrempeln und aus dem Traditionsverein wieder einen Meisterschaftskandidaten machen. Dafür bekommt er Prokura von allen Seiten. Trainer Michael Oenning hat sich in seine Rolle als Untergebener gefügt, und sieht mit kurzem Haar und ohne Ziegenbart nun auch eher wie ein Trainer aus, nicht wie ein jung gebliebener Erdkunde-Lehrer. Der neue HSV steht für die Abkehr vom Heldenfußball. Arnesen brachte vom alten Arbeitsplatz beim FC Chelsea vier junge Profis mit und hat noch nicht einmal darüber geklagt, dass dem HSV das Geld früherer Tage fehlt. Bis zum Ende der Transferzeit muss er sich Gedanken machen, wie er Mladen Petric ohne Gehaltserhöhung zum Bleiben über 2012 hinaus bewegen kann, und hoffen, dass es für Paolo Guerrero nach seinen guten Spielen beim Südamerika-Pokal Angebote gibt: mit vier Millionen Euro Jahresgehalt liegt der selten überzeugende Peruaner dem HSV gewaltig auf der Tasche.

Wie steht es um die Finanzen?

Der HSV muss sparen. Nicht mehr 48, sondern nur noch 36 Millionen Euro gibt der HSV für seine Spieler aus und liegt damit deutlich hinter der Liga-Spitze. Der neue Vorstandschef Claas Jarchow hat mit spitzem Bleistift nachgerechnet und die riskante Ausgabenpolitik seines Vorgängers Bernd Hoffmann für beendet erklärt. 2017 ist das Stadion abbezahlt – so lange muss der HSV jährlich mehr als 17 Millionen Euro an Zins und Tilgung für die Arena aufbringen. Geld, das Jarchow jetzt gern hätte.

Was erwarten die Fans?

Zuletzt sagte Rothenbaum-Turnierdirektor Michael Stich, dass er wegen der schwachen letzten Spielzeiten auf seine Dauerkarte verzichten wolle. Er tat es dann aber doch nicht. So geht es vielen Fans: sie sind unzufrieden, überlegen – und decken sich dann doch ein. Mehr als 30 000 Saisontickets wird der HSV wieder verkaufen. Der Umbruch auf allen Ebenen macht eben auch neugierig. Von den organisierten Anhängern hört man, sie wollten sich mit der jungen Mannschaft gedulden. Zum ersten Mal seit Jahren sind die Erwartungen gedämpft.

Was ist möglich?

Neun Profis sind weg, von Rost über Zé bis van Nistelrooy und Pitroipa. Auch die ewigen Talente wie Trochowski (zum FC Sevilla), Torun (Hertha BSC) und Choupo-Moting (Mainz) hat Arnesen verkauft. Guy Demel darf nur noch bei den Amateuren trainieren. Der Umbruch ist krass: die neue Mannschaft ist jung, unbekannt, komplett umgestellt und soll auch einen anderen Fußball spielen – weniger Ballbesitz, schneller zum Tor. Ein Platz zwischen acht und zwölf wäre ein Erfolg.

Und sonst?

Die inzwischen abgefundenen Vorstände Hoffmann und Kraus hatten viele gute Ideen. Eine gehört nicht dazu: der HSV-Friedhof. Hier will keiner liegen. In den 34 Monaten, seit der Friedhof nahe der Arena mit seinen 300 bis 500 Grabflächen besteht, gab es erst eine Beerdigung: Der ehemalige Aufsichtsrat Eberstein ließ seine Frau beisetzen. HSV-Amateurvorstand Scheel hat eine Erklärung für die Leere auf dem Platz der Ruhe: „Gott sei dank sterben unsere Mitglieder und Anhänger nicht so schnell.“ So möge es bleiben.

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