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Sport: Hertha BSC: Tauziehen im Trainingslager

Jörg Neubauer ist ein wichtiger Mann. Er war gerade eingetroffen im Trainingsquartier des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, da bat ihn Manager Dieter Hoeneß schon zum mehrstündigen Gespräch.

Jörg Neubauer ist ein wichtiger Mann. Er war gerade eingetroffen im Trainingsquartier des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC, da bat ihn Manager Dieter Hoeneß schon zum mehrstündigen Gespräch. Nun schießt Neubauer keine Tore, noch hilft er, welche zu verhindern. Der 38-jährige Jurist ist Spielerberater und -vermittler, ausgestattet mit der Lizenz des Weltverbandes Fifa. Gut 50 Fußballer zählen zu Neubauers Mandantschaft. Fünf sind es allein bei Hertha. Hartmann, Veit, Rehmer, Beinlich und seit kurzem Deisler - nicht die Schlechtesten, die in Berlin gegen den Ball treten.

Zwei dieser Mandanten haben dieser Tage "dringenden Beratungsbedarf", wie Neubauer das nennt. Die Nationalspieler Marko Rehmer und Sebastian Deisler basteln - zumindest gedanklich - an ihrer Zukunft. Deisler, das wohl größte Talent des deutschen Fußballs, hat noch einen Vertrag bis 2002. Da die Künste des 21-jährigen Mittelfeldspielers jedoch Begehrlichkeiten der Konkurrenz geweckt haben, will Hertha den Vertrag frühzeitig verlängern. Für Rehmer liegen Anfragen vor, von Juventus Turin und vom FC Arsenal. Zwar ist der Verteidiger bis 2003 an Hertha gebunden, doch eine von Neubauer eingebaute Vertragsklausel ermöglicht Rehmer einen Wechsel, wenn ein Klub 16 Millionen Mark Ablöse bezahlt.

Beide Fälle möchte Hertha BSC frühzeitig klären, und deswegen ist Neubauer am Mittwoch eingeflogen. Mit Rehmer stand er schon zweimal an einem ähnlichen Punkt. "Vor vier Jahren", erzählt Neubauer, "hat der Marko für kleines Geld beim 1. FC Union gespielt. Er hatte Anfragen von Tennis Borussia und Hansa Rostock. TeBe hat das Doppelte geboten, spielte aber in der Regionalliga. Deswegen habe ich ihm Rostock nahegelegt. Ich habe gesagt: Marko, überlege dir das. Dort ist Frank Pagelsdorf dein Trainer, da machst du jedes Spiel, da kannst du dich für große Klubs interessant machen." Rehmer hörte auf Neubauer.

Der nächste Schritt stand 1999 an. Rehmer wählte zwischen Hertha und Florenz. Erneut führte Neubauer Vor- und Nachteile beider Klubs auf. "Der Marko war noch kein Nationalspieler, und in Florenz wussten die gar nicht, was Rostock ist." Wieder ließ Rehmer sich überreden, ging nach Berlin, wurde Nationalspieler und fuhr zur EM.

Und jetzt? Angeblich fliegt Rehmer am Montag zu einem Gespräch mit Arsenals Trainer Arsene Wenger nach London. Und Italien? Rehmer weiß, dass ein Verein wie Juventus nicht alle Tage anklopft. Manche Chancen kommen nur einmal im Leben, und Rehmer ist schon 28. Neubauer nickt, und für eine Weile sieht es so aus, als favorisiere er einen Wechsel in die Seria A. Das wäre auch für ihn, den Berater, ein Sprung nach oben. Ganz unvermittelt kommt das Gegenargument: "Was nutzt ihm das viele Geld und das Trikot eines Weltvereins, wenn er nicht spielt? Wenn ein Fußballer nicht Fußball spielt, dann geht er ein. Keiner sagt sich: ich habe nur noch Spaß am Geldverdienen." Erst einmal müsse Rehmers sportliche Perspektive bei Juventus geklärt werden. Deswegen will Neubauer in den nächsten Tagen nach Turin fliegen. Wie viel von seinem Urteil abhängt, hat die Vergangenheit gezeigt.

Bei Sebastian Deisler sieht es etwas anders aus. Der Aufsteiger Neubauer hat ihn im vergangenen Herbst von seinem alteingesessenen Kollegen Norbert Pflippen übernommen. Pflippen hatte sich von Mönchengladbach aus nicht intensiv genug um den sensiblen Kicker gekümmert. Dabei hatte Pflippen Deislers Karriere seit der Jugend gefördert. Pflippen kartete öffentlich nach, Deisler und Neubauer schwiegen. "Damals", sagt Neubauer, "ging das Gerücht um, ich hätte den Sebastian abgeworben. Also, wenn ich sowas höre! Sebastian hat den Vertrag mit Pflippen gekündigt, danach hat er sich mit fünf Beratern unterhalten und sich für mich entschieden."

Neubauer hat versucht, die Sache bei einem Telefonat mit Pflippen aus der Welt zu schaffen. Noch heute lobt er den Kollegen für dessen Entscheidung, Deisler 1999 nicht zu Bayern München, sondern zu Hertha zu transferieren. "Schauen Sie sich doch an, wo der Junge jetzt steht: Er ist Stammspieler, nicht nur bei Hertha, sondern auch in der Nationalelf. Diese Entscheidung war richtig. Wenn Lothar Matthäus das Gegenteil behauptet, dann erzählt er dummes Zeug." Das klingt wie ein engagiertes Plädoyer für einen Verbleib bei Hertha und ist doch wohl nur eine Zustandsbeschreibung. "Mit dem Sebastian", sagt Neubauer, "habe ich ein Ziel: Das soll einmal ein ganz großer Fußballer werden. Gute gibt es viele, aber Sebastian hat das Zeug zu einem Großen."

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