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Letesenbet Gidey ist eine der weltbesten Langstreckenläuferinnen.

© AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Istaf in Berlin mit internationalen Stars: Noch ist die Leichtathletik nicht am Boden

Über die Leichtathletik hierzulande fegte zuletzt ein Shitstorm hinweg. Das Istaf in Berlin dürfte auch diese Krise überwinden. Am Sonntag könnten ein paar Meeting-Rekorde fallen.

Die Leichtathletik hat es im Moment nicht leicht. Auch nicht die Veranstalter des internationalen Istaf-Meetings, das am Sonntag ab 14 Uhr im Berliner Olympiastadion ausgetragen wird. Zur Pressekonferenz war zunächst Gina Lückenkemper angekündigt. Die Sprinterin enttäuschte jüngst bei den Weltmeisterschaften in Budapest. Aber sie ist ein bekanntes Gesicht, spricht schnell und formuliert dabei noch griffige Sätze. Doch einen Tag vor dem Termin sagte sie wegen einer Virusinfektion ab.

So blieb als halbwegs prominenter Athlet noch Julian Weber. Der Speerwerfer verpasste bei der WM eine Medaille und ist kein Lautsprecher. Es war also ohnehin nicht das große Feuerwerk bei der Pressekonferenz zu erwarten. Umso bitterer, dass Weber mit dem Flieger nicht aus Zürich wegkam und er nur zugeschaltet war. Jener Weber im Übrigen, dessen Speere auf dem Weg nach Budapest verloren gegangen waren und bis heute noch nicht aufgetaucht sind. Erst kein Glück, dann kommt auch noch das Pech dazu. Diese Sportlerformel hat die Leichtathletik mit voller Wucht getroffen.

Keine Medaille bei WM in Budapest

Es ist eine Woche her, dass die deutsche Delegation mit 70 Sportlerinnen und Sportlern aus Budapest abreiste. Nicht eine Medaille gewann sie. So schlecht hat Deutschland bei Leichtathletik-Weltmeisterschaften noch nie abgeschnitten, auch wenn die Öffentlich-Rechtlichen Arithmetiken aufstellten (Platzierungen unter den ersten Acht), die das Ergebnis nicht so desaströs erscheinen lassen sollten.

Allein, es half nichts. Eine Art Shitstorm fegte über die deutsche Leichtathletik hinweg, wie es ihn in der Historie der Sportart wohl ebenfalls noch nicht oft gegeben hat. Demnach ist, kurz zusammengefasst, den Verbandsfunktionären der Rotwein wichtiger als die Trainingsbedingungen ihrer Athleten; diese wiederum ziehen Instagram dem harten Training vor und überhaupt herrscht in diesem Land kein Leistungsdenken mehr. Deutschland, Verliererland.

Vermutlich steht es nicht ganz so schlimm um den Leistungssport im Allgemeinen und die Leichtathletik im Speziellen, wie man in den vergangenen Tagen den Eindruck bekommen konnte. Doch richtig Lust auf die Leichtathletik machten die Weltmeisterschaften bestimmt nicht. Der Zeitpunkt für das Istaf hätte sicher günstiger liegen können.

Seit mehr als 100 Jahren gibt es das Istaf

Aber was will man machen? Die Dinge sind, wie sie sind. Deswegen steht Meeting-Direktor Martin Seeber am Freitag in einem schicken Auto-Showroom in Berlin und strahlt, als er hinsichtlich der WM in Budapest bilanziert, „dass die Einschaltquoten hervorragend waren“. Es muss und soll immer irgendwie weitergehen mit der Leichtathletik.

In Berlin tut es das schon lange. Das Istaf wird mit Unterbrechungen seit mehr als 100 Jahren ausgetragen und hat schon schlimme Krisen überlebt. Für Sonntag werden etwas mehr als 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet. Es war schon mal deutlich mehr, richtig besorgniserregend ist es nicht. Zumal die Öffentlich-Rechtlichen nach wie vor dabei sind. Das ZDF überträgt ab 16:55 Uhr live.

Freuen können sich die Zuschauer neben der Speerwerfer-Konkurrenz mit - wenn bei ihm nichts dazwischenkommt - Julian Weber vor allem auf den Diskuswurf der Frauen mit Olympiasiegerin Valarie Allman aus den USA und den starken deutschen Werferinnen Kristin Pudenz und Shanice Craft. Außerdem sind im Stabhochsprung der Männer mit fünf Sechs-Meter-Springern sowie beim 5000-Meter-Lauf der Frauen mit der Weltrekordhalterin Letesenbet Gidey sportlich herausragende Leistungen zu erwarten.

Die Ausrichtung des Istaf liegt nicht allein auf dem Leistungssport. Seit Jahren schon starten Schülerstaffeln, dieses Jahr gehen 640 Kinder im Olympiastadion an den Start. Auch organisieren die Istaf-Veranstalter Leichtathletik-Stunden an Berliner Grundschulen. „Wir wollen eine breite Basis für die Leichtathletik begeistern“, sagt Seeber. „Und das funktioniert auch. Unser Publikum wird immer jünger.“

Rosina Schneider macht Hoffnung

Seeber hofft, dass aus der Breite irgendwann wieder Athleten hierzulande heranwachsen, die es mit den Besten auf der Welt aufnehmen können. Am Freitag steht Rosina Schneider neben ihm. Über 100-Meter-Hürden und in der  4x100-Meter-Staffel gewann sie bei den U-20-Europameisterschaften vor wenigen Wochen in Jerusalem die Goldmedaille. „Ich hab richtig Bock auf die Leichtathletik“, sagt sie. Das sind Töne, die so gar nicht den Zustand der olympischen Kernsportart hierzulande beschreiben. Und deshalb besonders viel Hoffnung machen.

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