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Die Franzosen lieben ihre Tour und lassen sich auch durch das Coronavirus davon abhalten.

© dpa

Frankreich, Corona und ein Radrennen: Präsident Macron und die Blase Tour de France

Trotz vieler neuer Corona-Infektionen kommt Emmanuel Macron am Mittwoch zur Tour de France. Der Besuch ist auch als Geste an seine Landsleute zu verstehen.

Wenn die Tour de France am Mittwoch zum Col de la Loze hinaufrollt, verlässt sie mal wieder die rote Zone. Die Alpenregion Savoyen ist auf Frankreichs Corona-Karte noch grün markiert. Das passt. Da kommt dann auch gleich Präsident Emmanuel Macron vorbei.

"Die Anwesenheit des Präsidenten auf dem Parcours der Tour de France unterstreicht für die Franzosen die Wichtigkeit, das Leben mit dem Virus weiterzuführen", kommentierte das Präsidentenbüro den Auftritt bei der Tour. Es erinnerte freilich auch daran, dass alle brav die Hygieneregeln akzeptieren sollten. "Nur dann können mythische Veranstaltungen, die Teil des kulturellen Erbes sind, auch fortgesetzt werden", hieß es weiter.

Das ist ein hoher Einstieg in das Alpenfestival, das die letzte Tourwoche bietet. Präsidialer Beifall ist ihr gewiss. Die Zweifel, ob ein Rennen inmitten hoher Infektionszahlen Sinn macht, sind mit dem Besuch des Staatsoberhaupts zumindest symbolisch weggefegt.

Platz nehmen wird er im Auto neben Tourboss Christian Prudhomme. Der wurde zwar in der letzten Woche positiv getestet. Seine Quarantäne, die kürzer war als für Normalfranzosen angesagt, hat er überstanden. Sein letzter Test sei negativ, ließ Amaury Sports Organisation vermelden, der private Tourausrichter.

Negativ waren auch die Tests vom zweiten Ruhetag. Kein Team muss Abschied nehmen von der Tour. Bei den vier positiven Tests der Vorwoche war der Zähler zurückgestellt worden. Sie hätten nicht für die Zwei Fälle-Regel gegolten. Die besagte, dass bei zwei positiven Tests binnen sieben Tagen der betreffende Rennstall nach Hause muss.

Inzwischen glauben auch die Fahrer, dass sie es trotz Corona bis Paris schaffen

Die Fahrer hatten für die Regel volles Verständnis. "Es wäre schade drum, wenn Teams abreisen müssten. Und wir wären sicherlich alle enttäuscht. Aber es wäre das einzig Richtige, was man machen kann, um das ganze restliche Fahrerfeld zu schützen. Da stehe ich voll und ganz dahinter, dass zumindest das Rennen dann weitermachen kann", meinte Sunweb-Profi Nikias Arndt.

Groß war die Erleichterung dann, als die Nachricht von den negativen Tests durchkam. "Wenn wir den zweiten Testtag ohne positive Fälle überstehen, glaube ich, dass wir bis nach Paris kommen", hatte noch am Ruhetag der Schweizer Radprofi Michael Schär voller Hoffnung gesagt.

Jetzt lässt sich konstatieren, dass die Blase hält, einigermaßen zumindest. Ganz dicht ist sie nicht, das bewies nicht zuletzt der positive Fall von Prudhomme. Seine Corona-Erkrankung führte dann auch zu Eiltestungen bei Frankreichs Politik-Elite. Premierminister Jean Castex war mit Prudhomme im roten Auto mit der Rennnummer 1, auch der Präsident des Departments Pyrenäen-Atlantik ließ sich testen nach seiner Kutschfahrt mit Prudhomme. Beide waren negativ. Der Tourboss war offenbar kein Spreader.

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Prinz Albert von Monaco, der beim Tour-Auftakt zur Verwunderung vieler ganz ohne Maske auf der VIP-Tribüne stand, war bereits zu Beginn der Pandemie erkrankt - und verließ sich offenbar auf seine Antikörper.

Ob die Tour de France unter den Zuschauern zu einem Verteiler des Virus wurde, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Zwar sah man viele Menschen an der Strecke. "In Lyon war das so, als kämen l'Alpe d'Huez und Champs Elysees zusammen", meinte Radprofi Schär. Aber das Infektionsgeschehen wurde noch nicht so detailliert analysiert, dass die erhöhten Zahlen auf Menschen an der Strecke zurückzuführen wären.

Den Fahrern wurde wegen des an alte Zeiten erinnernden Zuschaueraufkommens hin und wieder aber mulmig. "Es war beeindruckend - und gleichzeitig beängstigend. Denn man fährt da zwischen den Leuten durch eine enge Gasse und jeder Zweite hat keine Maske auf. In solchen Situationen versuche ich dann in der Mitte der Gruppe zu bleiben", lautet Schärs Patentrezept. Machen das auch andere, würde sich die Sturzgefahr im Peloton erhöhen, weil eben alle in die Mitte drängen.

Spitzenreiter Roglic hat seine eigene Blase - in der Blase

Nicht deshalb, sondern wegen allgemeiner Pandemieprävention hatten die zuständigen Präfekten das Publikum von einigen Anstiegen komplett verbannt. Das führte teilweise zu Zornausbrüchen der Zurückgewiesenen, berichtete das Regionalblatt "Le Dauphiné Libéré". Sogar Protestgraffiti tauchten auf: "Eine Tour de France ohne Zuschauer ist wie ein Department ohne Präfekt".

Von alldem sichtlich unbeeindruckt strebt der Slowene Primoz Roglic dem Toursieg entgegen. Er lebt in einer ganz besonderen Blase. Denn innerhalb des Fahrerfelds hat sich um ihn herum auch ein gelbschwarzer Schutzschwarm gebildet. Seine sieben Helfer sind so lange wie möglich bei ihm. Bis zu vier Helfer begleiteten ihn in bei dieser Frankreich-Rundfahrt oft bis in den letzten Anstieg hinein. Das toppt sogar die Performances von Team Sky, heute Ineos, in früheren Jahren.

Dank dieser mannschaftlichen Geschlossenheit ist Roglic überhaupt vorn. Hätte der gelbschwarze Schwarm auf der siebten Etappe nicht so entschlossen die Windkante ausgenutzt, dann wäre jetzt ein anderer Slowene in Gelb.

Tadej Pogacar, aktuell Gesamtzweiter, verlor an diesem Tag eine Minute und 21 Sekunden. Davon holte er schon mehr als die Hälfte durch Attacken in den Bergen auf. Er wirkt stärker als sein Landsmann Roglic, hat aber das wesentlich schwächere Team - keine Blase in der Blase eben.

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