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Sport: SC Charlottenburg: Aufstand beim Bodenpersonal

Ein Libero hat es im Volleyball nicht leicht. Knallharte Sprungaufgaben, spektakuläre Schmetterbälle am Netz oder die Bildung eines unüberwindbaren Blocks - das alles ist ihm untersagt.

Von Karsten Doneck, dpa

Ein Libero hat es im Volleyball nicht leicht. Knallharte Sprungaufgaben, spektakuläre Schmetterbälle am Netz oder die Bildung eines unüberwindbaren Blocks - das alles ist ihm untersagt. Dem Libero sind durch das Regelwerk enge Fesseln angelegt. Der "freie Mann" darf sich nur im Hinterfeld bewegen, ist dort für die Abwehrarbeit zuständig. Vom Gegner geschlagene Bälle vor der Berührung des Hallenbodens zu erwischen, möglichst noch so, dass die eigene Mannschaft aus der Situation heraus gleich einen gezielten Angriff einleiten kann, das muss der Libero leisten. Er ist im Volleyball also so eine Art Bodenpersonal für die ungeliebten Aufräumarbeiten.

Beim Bundesligisten SC Charlottenburg hat Vincent Lange diese Rolle übernommen. Eine Rolle, von der sonst wenig Glanz, wenig spektakuläre Aktion ausgeht. Doch wie Lange seine Aufgabe interpretiert, wie er da nach heranflatternden oder kraftvoll geschlagenen Bällen über den Hallenboden hechtet, das macht ihn beim SCC zu einer ganz wertvollen Kraft. Und nicht nur beim SCC. "Der Bundestrainer hat sich schon bei mir gemeldet", sagt Lange stolz. Stelian Moculescu, besagter Bundestrainer, hat längst ein Auge auf die Nummer 6 der Charlottenburger geworfen, will ihn vielleicht schon für die Spiele in der Weltliga in die deutsche Nationalmannschaft holen.

Allerdings stellt Moculescu eine Bedingung: "Er muss über einen längeren Zeitraum im Verein Libero spielen, um sich zu stabilisieren." Für den SCC kein Problem. Trainer Brian Watson hat, nachdem im Volleyball der Libero eingeführt worden ist, Ulf Quell auf dieser Position getestet, es dann mit seinem eigenen Assistenten Torsten Schulz probiert. Erst Vincent Lange, der im Saisonprogrammheft des SC Charlottenburg noch als Außenangreifer angekündigt wurde, stellte Watson zufrieden.

Vincent Lange erfüllt die an sich biedere Defensivrolle allerdings auch mit Kreativität. Kein Wunder. "Er kommt vom Beachvolleyball. Das hilft ihm, gerade bei den nicht-typischen Abwehraktionen", sagt Kaweh Niroomand, der SCC-Manager. Langes Vorteil: Er misst nur 1,95 Meter, für einen Volleyballer nicht unbedingt das Gardemaß, aber "er ist dadurch sehr wendig", wie Niroomand feststellt. Wendigkeit ist mithin ein ganz wichtiges Kriterium bei den Anforderungen, die an einen Abwehrspieler im Volleyball gestellt werden. Zudem macht ihn sein selbstbewusstes Auftreten auf dem Spielfeld zu einer Führungspersönlichkeit in der ansonsten recht jungen SCC-Mannschaft. "Er ist kein ruhiger Mensch. Er dirigiert, redet, organisiert, ergreift Initiativen", lobt Niroomand.

Solche Typen sind auch in der Nationalmannschaft gefragt. Nur Vincent Lange lässt sich vom Gerede darüber nicht verrückt machen. "Klar, ich werde mich reinhängen, aber das ist doch noch Zukunftsmusik. Jetzt muss ich mich auf die Champions League konzentrieren", sagt der 26-Jährige. Karriereplanung Schritt für Schritt. In der Champions League hat der SCC heute das für ein mögliches Weiterkommen vorentscheidende Gruppenspiel bei Iraklis Saloniki. Da wird für einen wie Lange die Nationalmannschaft zweitrangig. Noch jedenfalls.

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