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Tori Bowie war für kurze Zeit kaum zu schlagen im Sprint. 

© imago images/Shutterstock

Wilde Spekulationen um Tod der Leichtathletin: Der pietätlose Fall Tori Bowie

Über den Tod der Olympiasiegerin Tori Bowie wurde viel und offenbar falsch spekuliert. Ihre Agentin fordert Entschuldigungen.

Es hat nur ein paar Minuten gedauert, bis nach Bekanntwerden des Todes der jungen Ausnahmeathletin Tori Bowie Anfang Mai die ersten Gerüchte die Runde machten. Bowie, die Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Sprint, habe „mutmaßlich“ den Freitod gewählt. Zunächst verbreitete sich die Nachricht vom vermeintlichen Suizid über die sozialen Medien, dann über unseriöse, und etwas später - in abgeschwächter Form - über seriöse Medienhäuser.

Die Todesursache hätte auch zu gut gepasst: Erst der Aufstieg aus schwierigen Verhältnissen zur Olympiasiegerin, dann der tiefe Fall, der in den Selbstmord mündete.

Der nun öffentlich gewordene Autopsiebericht besagt etwas anderes: Tori Bowie und ihr ungeborenes Kind starben an Komplikationen der plötzlich einsetzenden Geburt. Laut dem Bericht seien mögliche Todesursachen Atemnot und Eklampsie. Eklampsie ist eine seltene Komplikation der Präeklampsie. Sie kann zu Krampfanfällen und Schlaganfällen führen. In den USA trifft sie besonders häufig schwarze Frauen.

„Leider haben so viele Menschen, eingeschlossen Medienhäuser, so viel um ihren Tod spekuliert“, sagte Bowies Agentin Kimberly Holland den CBS-News. „Ich hoffe, dass sich jetzt, wie die Wahrheit bekannt ist, viele entschuldigen werden.“

Dies dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Pietätlose Berichterstattung ist keine junge Erfindung, sie hat Tradition. Im Falle von Bowie machten sich unmittelbar nach ihrem Tod Reporter der britischen „Daily Mail“ auf zu ihrem Wohnsitz in Orlando im US-Bundesstaat Florida, schossen Fotos von ihrem Haus, ihrer leicht verwahrlosten Garage, gaben die Worte eines besonders gesprächigen Nachbarn wieder, der sinngemäß das Bild von einer völlig neben sich stehenden Frau zeichnete.

Auf dem Laufsteg machte sie eine gute Figur.

© IMAGO/USA TODAY Network

In welcher Verfassung sich Bowie in ihren letzten Tagen tatsächlich befand, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Ihre Managerin Holland gab an, ein tolles Gespräch wenige Tage vor ihrem Tod mit ihr geführt zu haben. Ehemalige Trainer und Athleten, die sie kannten, hatten in den vergangenen Tagen darüber berichtet, dass sich Tori Bowie immer mehr ins Private zurückgezogen habe. Auch das stützte die vielbeschriebene und offenbar falsche These vom Selbstmord der Leichtathletin.

Bowie hatte bei den Olympischen Spielen in Rio im Jahr 2016 die Goldmedaille mit der 4x100-Meter-Staffel, Silber über 100 Meter und Bronze über 200 Meter gewonnen. Ein Jahr später siegte sie bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London spektakulär über 100 Meter.

Bowie wuchs unter schwierigen Umständen in Sandhill im US-Bundesstaat Mississippi auf. Ihre Mutter gab sie und ihre Schwester in ein Heim, als Tori noch ein Kleinkind war. Später wurden beide von ihren Großeltern aufgenommen. Bowie war groß und schlank, wie geschaffen nicht unbedingt für den Sprint, sondern für ihre eigentliche Passion, den Basketball.

Doch früh genug konnten sie die Leichtathletik-Trainer für die olympische Kernsportart gewinnen. Anfangs, so erzählte es ihre Agentin Holland einmal der „New York Times“, habe ihr Laufstil noch den Anschein gehabt, als würde sie vor einem Rottweiler davonrennen. Aber Tori Bowie arbeitete hart an ihren Schwächen und wurde eine der besten Sprinterinnen.

Allerdings nur für kurze Zeit. Nach ihren größten Erfolgen in Rio und London galt ihr Interesse immer mehr der Mode. Sie arbeitete mit unterschiedlichen Fashion Brands, auch landete sie auf dem Cover der Vogue (das Foto hatte keine Geringere als Annie Leibovitz geschossen). Tori Bowie war ein Star!

Von ihrem Ruhm und ihrem Geld wollte sie etwas zurückgeben. Sie besuchte bis ins Jahr 2019 regelmäßig über viele Stunden Kinderheime und verteilte Geschenke. Danach wurden ihre Auftritte, sowohl auf der Tartanbahn als auch daneben, weniger. Sie studierte Musik an der Full Sail University in Florida. Vermutlich wollte sie ein ganz normales, ruhiges Leben führen, das nun mit nur 32 Jahren und einem acht Monate alten Baby im Bauch, das ebenfalls starb, tragisch endete.

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