zum Hauptinhalt
Thomas Müller traf beim 4:2 gegen Borussia Dortmund doppelt.

© Imago/Sascha Walther

Zoff zwischen Kahn und Matthäus: Der FC Bayern zwischen Dominanz, Wankelmut und ein bisschen Hollywood

Die Münchner und Trainer Tuchel sind nach dem Sieg gegen den BVB nur teilweise zufrieden. Das hat aber mehr mit spielerischen Mängeln als mit der harten Kritik von Lothar Matthäus zu tun.

Am Ende hat Thomas Tuchel die Mannschaft ganz sich selbst überlassen. Nach dem Abpfiff, beim Feiern auf dem Rasen, mit den Fans. Der neue Trainer des FC Bayern war nur stiller Beobachter, wenn er sich überhaupt Zeit nahm, dem Treiben zuzuschauen.

Klar, er hätte sich dazustellen können, mitmachen, „aber es war nicht der Moment, mich in den Mittelpunkt zu drängen“, fand er nach dem 4:2-Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund. So wie er auch während der Partie am Samstag der Meinung war, dass es keinen Grund gibt, bei jedem der vier Münchner Tore ein Freudentänzchen zu veranstalten an der Seitenlinie.

Tuchel bewies ein sehr feines Gespür für die Situation. Seit seinem Dienstbeginn vor gut einer Woche stand er fast immer im Mittelpunkt, zwangsläufig. Jedes Training, jede Aussage, jede Geste wurde seziert und interpretiert in den vergangenen Tagen.

Aber das, was seine Mannschaft gegen Dortmund auf dem Platz zeigte, hatte nur in Ansätzen mit ihm zu tun. Sicher, er hat ein paar Korrekturen vorgenommen, vor allem in der defensiven Struktur Positionen verändert und so für etwas mehr Stabilität gesorgt, phasenweise jedenfalls.

„Er hat einen klaren Plan, klare Ideen und hat uns vor dem Spiel richtig heiß gemacht“, sagte Leon Goretzka. Dass Leroy Sané so inspiriert wirkte wie schön länger nicht mehr, fiel ebenfalls auf, muss aber nicht zwingend mit dem Trainerwechsel zusammenhängen. Vieles im Münchner Spiel trug jedenfalls immer noch die Handschrift von Tuchels Vorgänger. „Julian Nagelsmann hat auch noch seinen Anteil“, sagte auch Joshua Kimmich. „Es ist ja nicht alles gelöscht, was vorher war.“

Weder das, was bisher schon gut funktionierte noch das, woran es immer wieder haperte in den vergangenen Monaten. Man könne es zwar als „Statement“ verstehen, „dass man gesehen hat: Wenn die Bayern wollen, dann können sie“, sagte Thomas Müller, der zweifache Torschütze. „Aber das hat man ja schon öfter gehabt.“ Immer dann, wenn es um diese Kirschen-auf-der-Sahne-Spiele ging, um die Champions League zum Beispiel.

Tuchel sieht noch viel Verbesserungspotenzial

Im Alltag, und das war die Krux, fehlte dagegen die Konstanz. In den 90 Minuten gegen Dortmund präsentierten die Münchner ihrem neuen Trainer gleich ihre ganze Palette, die Kirsche also und den Wankelmut.

Tuchel hätte sich nach seinem Premieren-Spiel auf all das Positive beschränken können, den deutlichen Sieg über den Rivalen, die Rückeroberung der Tabellenspitze, die Phasen, in denen die Überlegenheit des Kaders, die höhere Qualität erkennbar war. Aber er ist vermutlich gerade deshalb ein sehr guter Trainer, weil er genau das nicht macht, jedenfalls nicht bei Spielern, die wissen, was sie können.

Da ist es vielmehr angebracht, zu erklären, was sie noch besser machen müssen. Den Anfang der Partie, als die Münchner „nervös und fahrig“ waren zum Beispiel, und das Ende, als sie noch zwei Gegentore kassierten, „zwei Stimmungsdämpfer“, wie es Tuchel bezeichnete, es nicht mehr schafften, den Gegner ganz zu kontrollieren. „Es gibt noch was zu tun.“ Bis Dienstag bis zum Pokalspiel gegen den SC Freiburg. „Es ist niemand zu euphorisch, das ist ganz gut“, findet Tuchel.

Die sportlichen Aufgaben wähnen die Münchner bei ihm in guten Händen. Kimmich, der zu den Vertrauten von Nagelsmann gehört hatte, lobte die „positive Energie“ des Trainerteams. Müller verriet, dass sich die Mannschaft „in den ersten Tagen mit Thomas Tuchel sehr wohlgefühlt“ habe. „Aber das ist eine Momentaufnahme, man muss sich auch in schwierigen Situationen kennenlernen.“

Klingt alles ziemlich harmonisch nach den unruhigen Tagen. Für Misstöne sorgt im Moment nur ein ehemaliger Spieler. Lothar Matthäus warf in seiner Funktion als Sky-Experte dem Verein vor, „das familiäre, beschützende Selbstverständnis“, den Mia-san-Mia-Stil des FC Bayern „mit Füßen getreten“ zu haben und kritisierte den Nagelsmann-Rauswurf sowie die Art und Weise.

Am Spielfeldrand kam es am Samstag deshalb zu einem hitzigen Wortgefecht zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und seinem ehemaligen Teamkollegen.

Später legte Matthäus nach: „Ich weiß, dass Oliver Kahn lügt“, sagte er „t-online“. Kahn konterte am Sonntagmorgen via „Bild“. „Wir haben zu jeder Zeit die Wahrheit gesagt. Man sollte gewisse Grenzen nicht überschreiten“, sagte der Münchner Boss in Richtung des „Chefkritikers des deutschen Fußballs“. Ein bisschen Hollywood ist eben immer beim FC Bayern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false