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Stahlhelm auf zum Gebet. In der Martin-Luther-Gedächtniskirche in Mariendorf sind NS-Insignien bis heute präsent.

© Thilo Rückeis

Wie wir uns bauen: Beten für die Nazis

Nikolaus Bernau schlägt für die Karwoche ein beunruhigendes Buch zum Berliner Bauen vor.

Gestern begann die Karwoche vor den Osterfeiertagen. Für Christen und Christinnen eine Zeit der Besinnung, der Einkehr. Vielleicht auch eine Zeit, um sich der tiefen Verwicklung der Christenheit in den Zivilisationsbruch der Nazizeit zu erinnern. Sie begann vor ziemlich genau 90 Jahren mit der Berufung des eher antichristlichen Adolf Hitler durch den sehr staatsevangelisch-frommen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.

Die evangelische Kirche legitimierte in der Potsdamer Garnisonskirche 1933 bereitwillig das neue Regime, wenige Jahre später segneten viele – nicht alle, aber eben doch sehr, sehr viele – Pastoren und Priester Waffen und Soldaten für die Angriffskriege Deutschlands auf fast alle Staaten Europas. Sie ließen Kirchen neu bauen oder wenigstens prächtig neu ausstatten, von Glocken über Kanzeln bis zu Kirchbüchern: Noch 1941 vergab das preußische Kirchenministerium 42830 Reichsmark für Bauvorhaben, liest man in der vorzüglichen Studie von Beate Rossié „Kirchenbau in Berlin 1922-1945. Architektur, Kunst. Umgestaltung“, die vor wenigen Wochen im Kieler Lukas-Verlag erschienen ist.

Es ist ein nüchtern gehaltenes, knapp, aber klug illustriertes Buch, das zeigt, wie sehr selbst moderne Stilvarianten in die Propaganda der Nazis Einzug fanden, wie die Kirchen auch antisemitische Motive duldeten, sich dem Regime andienten. Selbst Anhänger der oppositionellen Bekennenden Kirche akzeptierten manches germanisierende Design. Kein leichtes Buch.

Wie schon aus den Forschungen etwa der Architekturhistorikerin Kerstin Wittmann-Englert wird hier deutlich: Auch Berlin war alles andere als regimefeindlich – und bemerkenswert fromm: Hier entstanden in der Nazizeit 57 Neu- und Umbauprojekte für Evangelische und Katholiken, so viel wie in keiner anderen deutschen Stadt. In der ganzen heutigen Bundesrepublik waren es mehr als 1800 Neu- und Umbauprojekte; für Schlesien, Pommern, die Neumark und Ostpreußen fehlen bisher Zahlen.

Es ist keine wirklich neue Erkenntnis – aber in dieser Breite der Dokumentation eine noch mal erschütternde. Gehen Sie ruhig mal in die Mariendorfer Luther-Kirche, die Steglitzer Matthäus-Kirche, in die Kreuzkirche von Mahlsdorf oder in die Karlshorster St. Marienkirche mit ihren germanisch-blonden Evangelisten und klotzigen Adlern. Es ist Karwoche, eine Zeit zum Nachsinnen.

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