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Wirtschaft: Agrarpolitik: Der lange Marsch zur Öko-Landwirtschaft

Thomas Griese erinnert sich genau. Sein erstes Gespräch mit EU-Agrarkommissar Franz Fischler in Brüssel verlief nicht besonders erfolgreich.

Thomas Griese erinnert sich genau. Sein erstes Gespräch mit EU-Agrarkommissar Franz Fischler in Brüssel verlief nicht besonders erfolgreich. Der frischgebackene Staatssekretär der ersten grünen Landwirtschaftsministerin aus Nordrhein-Westfalen war kurz nach Amtsantritt in die Europametropole gereist. In der Aktentasche trug er ein Programm zur "Regionalen Vermarktung" von landwirtschaftlichen Produkten. Gemeinsam mit seiner Ministerin Bärbel Höhn hatte er dieses Konzept ausgearbeitet. Das neue Team im Landwirtschaftsministerium wollte einen im Vergleich zu den Brüsseler Fördermilliarden lächerlichen Betrag für dieses Programm aus dem eigenen Haushalt zahlen. Man hatte aber nicht mit dem Widerstand der Eurokraten gerechnet - die müssen jeglicher Subvention zustimmen. Die Gespräche mit Fischler müssen schwierig gewesen sein. "Es hat ziemlich lange gedauert, bis die das genehmigt hatten".

Überhaupt dauerte es, die Trendwende in der Landwirtschaft zu schaffen. Der Anteil nach ökologischen Prinzipien wirtschaftender Betriebe lag im größten Bundesland 1995, also im ersten Jahr der neuen rot-grünen Koalition, bei nur einem Prozent. Ganze 475 Betriebe hatten sich diesem Prinzip verschrieben - in den Augen der meisten Landwirte um eher verschrobene Kollegen. Doch Bärbel Höhn und ihr Staatssekretär, der selbst auf einem Bauerhof in der Soester Börde aufwuchs, überzeugten am Ende sogar die beiden konservativen Landwirtschaftskammern im Rheinland und in Westfalen und richteten zwei Öko-Mustergüter ein. "Inzwischen pilgern viele Landwirte dorthin, und sie sehen: Es geht doch", freut sich Griese. Erst kürzlich besuchte auch der zuständige Ausschuss des Parlamentes den Hof im Westfälischen, viele Abgeordnete waren überrascht, dass man junge Sauen dort gemeinsam im Stall aufziehen kann; die Lehrmeinung vertrat bis vor kurzem die Ansicht, dies führe zu Beißereien unter den Tieren. Griese: "So etwas kann man nur über die praktische Erfahrung widerlegen."

Inzwischen propagiert man überall regionale Vermarktungsketten, die Bauern zeigen sich aufgeschlossener. Die gesamte Förderpolitik des Landes haben Höhn und Griese auf den Öko-Prüfstand gestellt und vieles verändert. Immerhin 260 Millionen Mark gibt das Land im laufenden Jahr für den ländlichen Raum aus. Wer davon profitieren will, muss sich auch ökologischen Kriterien stellen. "Wir fördern nicht nur Ökobetriebe", stellt Griese allerdings klar, "denn die Mehrheit produziert anders, und die müssen wir schließlich erreichen, wenn wir etwas verändern wollen." So haben sie ein weiteres Programm für die artgerechte Tierhaltung aufgelegt. Wer Geld haben will, darf über nicht mehr als zwei Großtiere pro Hektar verfügen. Darüber hinaus wird jede Investitionsförderung an den wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe gekoppelt; gegen den Widerstand der Verbände bekommen Bauern heute umso höhere Zuschüsse, je kleiner ihr Gewinn ist. "Damit wollen wir dafür sorgen, dass diejenigen etwas erhalten, die es wirklich brauchen, und nicht jene, die Investitionen auch aus eigenen Mitteln finanzieren können", erklärt Thomas Griese.

Illusionen macht sich Bärbel Höhn trotz ihrer Erfolge allerdings nicht. Zur Zeit produzieren nur 1,4 Prozent der Betriebe nach ökologischen Kriterien; von dem Zehn-Prozent-Ziel ist man an Rhein und Ruhr also weit entfernt. Immerhin liegt man mit Zuwachsraten von jährlich jeweils über zehn Prozent in der Spitzengruppe der Länder. Als Hemmnis erweist sich nach wie vor die EU-Förderung. "Wir geben 260 Millionen nach unseren Kriterien, wir verteilen allerdings im Land 1,7 Milliarden Mark, bei denen wir nichts beeinflussen können", beklagt Höhn. Die grüne Ministerin ärgert besonders, dass sie große Summen aus dem EU-Topf, im Schnitt 60 000 Mark pro Betrieb, auch für ökologisch schädliche Produktion weiterleiten, aber auf ihr wichtige Dinge verzichten muss. "Für Grünland wird nicht gezahlt, auch nicht für Futterrüben, die für einen geschlossenen Ernährungskreislauf stehen", klagt sie. Seit der BSE-Krise darf sie immerhin darauf hoffen, dass man sie jetzt in Brüssel besser versteht - und dass entsprechende Programme künftig schneller als bei ihrem Amtsantritt verabschiedet werden.

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