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Deutsche Autos gelten im Ausland als Verkaufsschlage. Das hat die deutschen Konjunktur in den vergangenen Jahren gestützt.

© Ingo Wagner/dpa

Deutschland weist Handelsdefizit aus: Das deutsche Wohlstandsmodell gerät in Gefahr

Erstmals seit 14 Jahren importiert Deutschland mehr als es exportiert. Eine folgenschwere Trendwende. Überraschend ist die Geschäftsentwicklung mit Russland.

Wenn das Statistische Bundesamt Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung vorlegt, mag das in ruhigen Zeiten trocken klingen. Doch seit die Inflation in jedes Portemonnaie vorgedrungen ist und die Rezession nahe scheint, taugt jede neue Zahl als Alarmsignal. So auch am Montag. Erstmals seit 14 Jahren weist die Bundesrepublik ein Handelsdefizit aus – es wurden mehr Waren importiert als exportiert. Die Zahlen vor 2008 sind wegen einer Umstellung in der Statistik nicht vergleichbar.

Gegenüber dem Vorjahresmonat legten die Einfuhren um 27,8 Prozent auf 126,7 Milliarden Euro zu, die Ausfuhren stiegen um 11,7 Prozent 125,8 Milliarden Euro. Diese Trendwende kann für den Wohlstand in Deutschland gefährlich werden. Der Exportüberschuss war in den vergangenen Jahres fester Teil des deutschen Wachstumsmodells. Im Ausland skeptisch beäugt, im Inland jedoch Schlüssel des Wohlstands. Damit scheint nun Schluss zu sein.

„Der Exportabschwung ist eingeläutet“, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Die Exporteure sind immer weniger in der Lage, die durch Lieferketten bedingten Kostensteigerungen an internationale Kunden weiterzureichen.“ Außerdem kämen wichtige Importgüter zur notwendigen Weiterverarbeitung häufig nicht an, insbesondere wegen der Corona-Lockdowns in China. Ein Ende der Preissteigerungen und Lieferkettenprobleme sei nicht in Sicht.

Suche nach mehr Freihandelspartnern

Auch nach Einschätzung des Branchenverbandes BGA sind die Aussichten düster. Derzeit würden die Exporte vor allem durch ein Plus im Handel mit den USA getragen, sagte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. „Die Folgen des russischen Angriffskriegs und die Störungen in den internationalen Lieferketten werden auch im Außenhandel noch wesentlich stärkere Spuren hinterlassen.“

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Die Auftragsbücher der Unternehmen seien zwar noch gefüllt, aber die Bestellungen würden seltener. „Und die Lage kann noch dramatischer werden, sollte es zu einem Abbruch der Gaslieferungen aus Russland kommen. Daher ist mehr Freihandel alternativlos“, sagte Jandura. Auch deshalb hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen beschlossen, das lange Zeit vor allem bei den Grünen umstrittene Freihandelsabkommen CETA der EU mit Kanada zu ratifizieren.

Die größte Exportvolumen geht derzeit in die USA – Waren im Wert von 13,4 Milliarden Euro. Die Ausfuhren nach China legten um 0,5 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro zu. Aus der Volksrepublik importiert Deutschland im Gegenzug Waren im Wert von 18 Milliarden Euro, aus den USA kommen nur Güter im Wert von 7,4 Milliarden.

Mehr Geschäfte mit Russland

Überraschend muten die Zahlen zum Außenhandel mit Russland an. Trotz des Angriffskrieges von Präsident Wladimir Putin und den gegen das Land verhängten Sanktionen legten die Exporte nach Russland im Mai gegenüber dem Vormonat um 29,4 Prozent auf eine Milliarde Euro zu. Im März und April waren sie noch deutlich gesunken. Vor Kriegsbeginn hatten die deutschen Exporte nach Russland meist deutlich über zwei Milliarden Euro pro Monat gelegen.

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Die Importe aus dem Land verringerten sich gegenüber dem Vormonat zwar um 9,8 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. Die Zahlen fielen im Vergleich mit den Mai-Importen der vergangenen Jahre dennoch hoch aus. Russland liefert vor allem Rohstoffe und Energie – und aufgrund der gestiegenen Preise überweist Deutschland dafür deutlich mehr als bisher an den Krieg führenden Staat.

Dass bei den Preissteigerungen noch lange kein Ende abzusehen ist, zeigt noch eine andere Zahl, die das Statistische Bundesamt am Montag veröffentlichte: 36,3 Prozent. Um diese Rate verteuerten sich die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte in der Euro-Zone im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat. Das ist zwar kein Rekord mehr nach dem Höchststand von 37,2 Prozent im April; das Niveau bleibt aber besorgniserregend hoch.

Allein bei Energie gab es nun eine Verteuerung um 94,4 Prozent, nachdem die Preise dafür im April sogar um 99 Prozent nach oben geschossen waren. Klammert man den Energie-Bereich aus, zogen die Erzeugerpreise insgesamt um 16 Prozent an. Die für die Produktion wichtigen Vorleistungsgüter verteuerten sich um 25 Prozent. Die Produzentenpreise gelten als Frühindikator für die Entwicklung der Inflation. Sie werden gemessen, bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen und können auf die Entwicklung der Verbraucherpreise hinweisen.

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