zum Hauptinhalt
Eine Branche in der Krise. Gute Konjunktur treibt Insolvenzexperten in die Pleite.

© imago

Insolvenzverwaltung: Dein Freund und Helfer

Kommt ein Betrieb in gefährliche Gewässer, rücken Insolvenzverwalter aus, um das Schlimmste zu verhindern. Jetzt haben sie selbst mit Problemen zu kämpfen.

Es gibt Unternehmen, denen es gut geht, wenn es bei anderen Firmen kriselt – und umgekehrt. Momentan gehören Insolvenzverwalter nicht zu den Gewinnern, denn 2014 wurden in Deutschland laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform nur 23 800 Unternehmensinsolvenzen registriert, sechs Prozent weniger als im Jahr zuvor. Auch die Verbraucherinsolvenzen gingen von 92 000 im Jahr 2013 auf rund 87 000 zurück.

2015 erwartet kaum jemand eine neue Pleitewelle. Das liegt an der stabilen Konjunktur und wohl auch daran, dass es seit März 2012 das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) gibt.

Bundesweit arbeiten nach Angaben des Bundesverbandes der Branche rund 500 hauptberufliche Insolvenzverwalter. Weitere etwa 2000 Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer kümmern sich nebenberuflich um Firmen oder Privatpersonen, die zahlungsunfähig geworden sind.

Die drei größten Kanzleien deutschlandweit sind Schultze & Braun, Pluta und Brinkmann & Partner. In Berlin gehören außerdem White & Case, hww wienberg wilhelm Insolvenzverwalter, Leonhardt & Partner und Voigt Salus zu den renommiertesten Helfern von Unternehmen, die in Schieflage geraten sind. Bestellt werden die Verwalter von Unternehmensinsolvenzen in Berlin vom Amtsgericht in Charlottenburg.

Nicht selten schaffen die Verwalter es, den „Patienten“ noch zu retten. Ein Beispiel: Ende 2012 geriet die Berliner Geyer-Gruppe mit 350 Beschäftigten in Insolvenz. In einem sogenannten Schutzschirmverfahren gelang es Rechtsanwalt Joachim Voigt-Salus, die zwei zum Familienunternehmen gehörenden Hauptstadt Geyer Umformtechnik und Britze Elektronik im Rahmen von Insolvenzplänen zu sanieren und über neue Investoren mit frischem Kapital auszustatten. Rund 150 von 200 Arbeitsplätzen wurden dadurch erhalten.

Der dritte Betrieb der Geyer-Gruppe, die Dessauer Schaltschrank- und Gehäusetechnik, war völlig unrentabel. Voigt-Salus rang Lieferanten günstigere Konditionen ab und stellte die Produktionsabläufe um. Mit Erfolg: Vor vier Wochen feierten die 100 übrig gebliebenen Mitarbeiter die Fortführung ihres Unternehmens unter der Ägide der Hennecke-Gruppe aus Nordrhein-Westfalen.

Die Zahl der Insolvenzverwalter wird zurückgehen

Auch andere Insolvenzverwalter in Berlin und Brandenburg sehen sich in erster Linie als Notärzte. Je eher man gerufen werde, desto besser, denn je länger ein Betrieb ohnmächtig sei, desto geringer die Heilungschancen. Ein saniertes Unternehmen mit tragfähiger Perspektive sei die beste Voraussetzung für eine hohe Befriedigungsquote für die Gläubiger.

Um noch früher an Bord schlingernder Firmenschiffe zu kommen, bauen einige Kanzleien gerade Teams auf, die sich als Restrukturierungsexperten anbieten. Das spiegelt auch den Versuch wider, sich breiter am Markt aufzustellen. Denn klar ist: Die Zahl der Insolvenzverwalter wird zurückgehen. Christoph Niering, Vorsitzender des Branchenverbandes, rechnet aufgrund der stagnierenden Verfahrenszahlen mittelfristig mit einer Halbierung der Verwalterzahl: „Es wird mehr Zusammenschlüsse geben, viele Verwalter werden sich wieder verstärkt auf das klassische Anwaltsgeschäft konzentrieren oder die Insolvenzverwaltung ganz aufgeben.“

Weitsichtig erscheint ihm der Branchenprimus Schultze & Braun: Der sieht ein neues Wachstumsfeld in der Unternehmensberatung für den Mittelstand. Während die juristischen Kollegen tätig werden, wenn es für einen Betrieb schon 12 Uhr geschlagen hat, treten die Unternehmensberater bereits um 11.45 Uhr als Helfer auf. So stellt es Gerd Nicklisch dar, Leiter des neuen Geschäftsbereichs: „Wir verhindern, dass Betriebe in gefährliche Gewässer kommen, in denen andere Firmen an Klippen und Riffen zerschellen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false