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EZB-Chefin Christine Lagarde hat die Inflation lange unterschätzt.

© REUTERS / Reuters/Kai Pfaffenbach

Deutliche Zinserhöhung: Die Politik muss jetzt für die Versäumnisse der EZB gerade stehen

Die Währungshüter haben die Inflation lange unterschätzt. Das rächt sich jetzt und sorgt dafür, dass die Politik in der Pflicht steht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thorsten Mumme

Endlich ein entschlossener Schritt: Um 0,75 Prozentpunkte erhöht die Europäische Zentralbank ihren Leitzins – und tut damit das, was die US-Notenbank Fed schon zweimal im Laufe dieses Jahres getan hat. Die Maßnahme war angesichts einer Inflation von aktuell 9,1 Prozent im Euro-Raum überfällig.

Die Begründung lieferten die Währungshüter in Frankfurt gleich mit. Auch die EZB gesteht nun ein, dass die Inflation in diesem Jahr in der Währungsunion wohl 8,1 Prozent betragen wird – und damit weit über den anvisierten zwei Prozent liegt. Damit korrigieren sich die Notenbanker zum wiederholten Male. Erneut wurde überdeutlich, dass sie die Entwicklung somit völlig falsch eingeschätzt hatten.

Dass der Schritt nun so groß ausfallen muss, ist also zu großen Teilen der EZB selbst anzukreiden. Ausbaden müssen es jedoch andere. In erster Linie natürlich Verbraucher und Unternehmen, die unter den hohen Preisen leiden.

Doch der heutige Zinsschritt sorgt auch dafür, dass die Situation für die Politik noch komplizierter wird. Die Aussichten für den Winter werden dadurch letztlich noch schlechter. Denn die große Gefahr einer schnellen Zinserhöhung ist das Abwürgen der Wirtschaft. Und schon jetzt prophezeien Konjunkturprognosen für Deutschland übereinstimmend eine Rezession.

Die Spitzen der Koalition am Mittwoch im Bundestag: Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz (von links nach rechts). Der Bund hat am Donnerstag bereits neue Hilfen angekündigt.

© Kay Nietfeld/dpa

Das bedeutet, die Folgen der Krise werden für die Menschen genau dann spürbar, wenn auch die Zinswende ankommt. Denn Leitzins-Erhöhungen wirken zeitversetzt. Sie könnten ihre bremsende Wirkung schlimmstenfalls genau dann entfalten, wenn Gas-Rationierung droht und horrende Energie-Rechnungen eintrudeln.

Damit rückt die Politik umso mehr in den Fokus. Wenn Kredite wegen höherer Zinsen schwieriger zu bekommen sind, muss mit anderen Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass gesunde Firmen nicht allein wegen der Energiepreise pleite gehen. Es braucht Rettungsschirme, die den Banken die Sicherheit geben, Kredite trotz der unsicheren Rahmenbedingungen ausgeben zu können.

In der Coronakrise hat das bereits geklappt. Viele Rettungsgelder wurden gar nicht abgerufen. Es hat gereicht, dass die Banken die Sicherheit hatten, ihre Kunden könnten zur Not darauf zurückgreifen. An diesem Beispiel muss sich die Bundesregierung nun auch orientieren. Auch wenn die Schuld für das Problem woanders liegt.

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