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Der Außenhandel schwächst sich wegen der Folgen der Coronapandemie und der Energiekrise weiter ab.

© Christian Charisius/dpa

Das BIP stagniert: Deutschland wird zum Sorgenkind im Euro-Raum

Während in Deutschland eine Rezession droht, wachsen andere Euro-Länder. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie die Probleme.

Die deutsche Wirtschaft stagniert. Zwischen April und Juni blieb das Bruttoinlandsprodukt unverändert zum ersten Quartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. In den ersten drei Monaten des Jahres 2022 war das Wachstum hingegen noch deutlich höher als ersten Berechnungen zufolge: Von Januar bis März legte das BIP nicht wie zunächst geschätzt um 0,2 Prozent, sondern um 0,8 Prozent zu, wie die Statistiker mitteilten. Doch nun zeigt die Tendenz nach unten.

„Mit der BIP-Stagnation im zweiten Quartal wird eine Rezession immer wahrscheinlicher“, kommentierte etwa Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Den Firmen setzen die Folgen des Ukraine-Kriegs, ein langfristig andauernder Gasmangel und die Auswirkungen der Covid-Pandemie zu. Auch DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben warnte: „Es könnte noch schlimmer kommen.“ KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib erklärte, es "liegt eine Rezession in der Luft".

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die wirtschaftliche Lage am Freitag „zugespitzt“, jüngst hatte er von der „größten Energiekrise in Deutschland“ gesprochen. Bei einem Besuch beim Glasherstellers Wiegand Glas in Schleusingen in Thüringen nannte er neben den Energie- und Corona-Problemen auch strukturelle Fragen wie den Fachkräftemangel sowie zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Andere Länder ziehen davon

Mehr und mehr wird Deutschland damit zum Sorgenkind in Europa. Am Freitag veröffentlichten mehrere Länder ihre Wachstumszahlen – Deutschland schneidet dabei im Vergleich schlecht ab. Am kräftigsten wuchs die Wirtschaft in Schweden mit 1,4 Prozent, laut Statistikbehörde vor allem wegen eines kräftigen Konsums. In Spanien legte das BIP um 1,1 Prozent zu. Italiens Wirtschaft wuchs um 1,0 Prozent, in Frankreich betrug das Wachstum 0,5 Prozent, nach Angaben der Statistiker wegen guter Zahlen im Außenhandel. Auch in Österreich betrug das Plus 0,5 Prozent.

In Portugal dagegen schrumpfte die Wirtschaft von April bis Juni um 0,2 Prozent. Am stärksten ging die Leistung in Litauen mit 0,4 Prozent und in Lettland sogar mit 1,4 Prozent zurück. Insgesamt wuchs das BIP in der Euro-Zone im zweiten Quartal um 0,7 Prozent.

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Schon die aktualisierte Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte Deutschland in dieser Woche als Bremsklotz der europäischen Wirtschaft ausgemacht. Während die Euro-Zone demnach im laufenden Jahr um 2,6 Prozent wachsen wird, traut der IWF Deutschland nur ein Plus von 1,2 Prozent zu. Auch das erscheint angesichts der aktuellen Lage optimistisch.

Deutschlands Schwäche im Vergleich zu den Nachbarländern liegt auch in der Struktur der hiesigen Wirtschaft begründet. Die auf Export ausgerichtete deutsche Industrie bekommt die Probleme bei den Lieferketten infolge der Pandemie besonders stark zu spüren. Zudem ist Deutschland abhängiger von Gas aus Russland als andere Länder. So wurde die Konjunktur im zweiten Quartal vor allem von den privaten und staatlichen Konsumausgaben gestützt. Der Außenbeitrag - seit jeher Grundlage des deutsche Wohlstands - dagegen dämpfte das Wachstum. Im Juli hatte Deutschland erstmals seit Jahren mehr Güter importiert als exportiert.

Inflation in Euro-Raum auf Rekordniveau

Mit Blick auf die Inflation steht die Bundesrepublik hingegen besser da als viele andere Euro-Länder. Insgesamt stieg die Teuerungsrate im Euro-Raum auf den Rekordwert von 8,9 Prozent, wie die Statistikbehörde Eurostat am Freitag mitteilte. Das Statistische Bundesamt hatte für Deutschland am Freitag eine Inflationsrate von 7,5 Prozent im Juli bekanntgegeben. Allerdings berechnet Eurostat den Wert anders. Nach dieser Methode liegt der deutsche Wert im Juli bei 8,5 Prozent.

Die Zahlen in der Währungsunion gehen allerdings weit auseinander. So liegt der Wert in Estland bei 22,7 Prozent, in Lettland bei 21 Prozent, in Litauen waren es 20,8 Prozent. In Frankreich – wo der Staat die Energiepreise per Gesetz begrenzt – sind es 6,8 Prozent. Vergleichsweise niedriger sind die Werte auch in Malta (6,5 Prozent) und in Italien (8,4 Prozent).

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