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Luxus: In Läden wie dem Edeltaschenproduzenten Louis Vuitton, Cartier oder Prada herrschen eigene Regeln.

© AFP

Studie zum Kaufverhalten: Die Lust der Kunden, gequält zu werden

"Der Kunde ist König" war gestern. Eine Studie kanadischer Forscher zeigt: Je schlechter Kunden in exklusiven Geschäften behandelt werden, desto mehr sind sie bereit zu zahlen. Bei Massenware stelle sich der Effekt dagegen nicht ein.

Kinderwagen müssen draußen bleiben, Laptops darf man nur auf den ausgewiesenen Plätzen benutzen, und Musik läuft auch keine. In der Kaffee-Rösterei am Fuß der Schönhauser Allee geht es um nichts anderes als Kaffee.

„Kaffee“ bestellen sollte man aber trotzdem nicht. „Kaffee“ gibt es hier nämlich nicht. Im Angebot sind vielmehr „Kochere Ethiopia Filter“, „Toarco Jaya AA Sulawesi Filter“ oder auch „Suke Quto Ethiopia Espresso“.

Der Kunde scheint derlei noch nie gehört zu haben, aber das will er sich nicht anmerken lassen. Er bestellt „Kochere Ethiopia“, sein Blick hält dem des Baristas hinter der Theke stand. Ein souveräner Auftritt, bis zu diesem einen unbedachten Moment: „Wo finde ich denn die Milch?“ Die Frage hängt in der Luft, die Miene des Kaffeeausschenkers friert ein. „Filter coffees are only served black“, belehrt er den Käufer auf Englisch. Sitzen, Sechs.

Die Zeiten, in denen Händler oder Gastronomen auf jeden Wunsch des Kunden eingingen, scheinen vorbei zu sein. Wenn man Forschern der University of British Columbia im kanadischen Vancouver glauben darf, hält das die Kunden aber nicht davon ab, in ein exklusives Geschäft zurückzukehren. Im Gegenteil.

Je herablassender, desto begehrenswerter

Für ihre Studie „Should the Devil Sell Prada?“ legten Darren Dahl und Morgan Ward 359 Probanden hypothetische Einkaufsszenarien vor, in denen sie von Verkäufern verschiedener Bekleidungsfirmen wie Louis Vuitton oder H&M entweder neutral oder herablassend behandelt wurden. Anschließend sollten sie die Produkte bewerten und angeben, wie viel Geld sie dafür bezahlen würden. Die Studie hat ergeben: Personen, die in Geschäften der Luxusklasse herablassend behandelt werden, finden deren Produkte anschließend noch begehrenswerter. Sie sind sogar bereit, mehr Geld dafür auszugeben.

Dieser Effekt ist den Studienautoren zufolge bei allen Marken zu beobachten, die ein ideales Selbstkonzept wie Exklusivität, ökologisches Bewusstsein oder Intellektualität verkörpern. Je mehr jemand mit einer Marke und ihrem Image in Verbindung gebracht werden wolle, desto deutlicher sei dieser Zusammenhang. Bei Massenware stelle sich der Effekt dagegen nicht ein, haben die Forscher herausgefunden.

Auch der Verkäufer spiele eine wichtige Rolle: Nur wenn die Kunden den Verkäufer als einen authentischen Vertreter und damit als „Verlängerung der Marke“ wahrnähmen, lassen sie sich demütigen und zahlen auch noch dafür. Wie kann das sein? Jeder Mensch habe ein Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit, sagen die Wissenschaftler. Um dieses Bedürfnis zu erfüllen, würden Menschen auch ihren Konsum strategisch ausrichten. Wer „strategisch konsumiert“, versucht sich durch die Anschaffung bestimmter Produkte einer Gruppe, zu der er gerne gehören würde, anzugleichen. Deswegen erlebten die Kunden die Zurückweisung durch den Verkäufer einer solchen Marke als Bedrohung ihrer Gruppenzugehörigkeit, meinen die Wissenschaftler. Der drohende Ausschluss aus einer Gruppe wirke so bedrohlich auf die Menschen, dass sie deswegen ihr Verhalten veränderten. So seien Menschen nach einer Demütigung oft auch besonders konform oder gehorsam.

„Menschen entscheiden nicht rational, was sie kaufen“

Ist die alte Maxime vom „König Kunden“ also hinfällig? Sollten Verkäufer in teuren Geschäften stattdessen besser arrogant auftreten? Sebastian Deppe von der BEE Handelsberatung in München will davon nichts wissen. Ein gewisses Image von Unnahbarkeit gehöre sicherlich zum Geschäft in der Luxusbranche, das Exklusivität vermitteln will. Deswegen sei es in hochpreisigen Läden nicht erwünscht, dass sich die Verkäufer unterwürfig verhielten. An den Erfolg einer herablassenden Attitüde glaubt er allerdings auch nicht. „Die Kunden wollen auf Augenhöhe angesprochen werden“, meint Deppe.

Verkäufer sollten Kunden auf keinen Fall zum Kauf drängen, warnt Johannes Habel, der an der Ruhr-Universität Bochum Beeinflussungsstrategien im Verkauf erforscht. Wenn sich Menschen zu einer Handlung oder Entscheidung genötigt fühlten, führe das nämlich zu einer Abwehrreaktion. Dieser Mechanismus ist in der Wissenschaft als „psychologische Reaktanz“ bekannt. Habel glaubt, dass derselbe Mechanismus auch abgerufen wird, wenn man den Kunden das Gefühl gibt, dass man sie nicht will. „Dann wollen sie ein Produkt erst recht“, meint der Wissenschaftler. Für ihn steht fest: „Menschen entscheiden nicht rational, was sie kaufen.“ Schwarzen Kaffee zum Beispiel.

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