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Mit Staatsanleihen der Euroländer lassen sich aktuell über vier Prozent erzielen, etwa mit italienischen, griechischen oder maltesischen Anleihen. Sind die Schuldpapiere damit für Anleger insgesamt wieder attraktiver?

© imago/Ikon Images

Anleihen statt Aktien: Warum Investoren jetzt wieder auf sichere Staatsanleihen setzen

Nach einem historischem Crash sehen viele institutionelle Investoren bei Anleihen derzeit wieder gute Chancen. Dennoch bleiben auch bei dieser Anlageform Risiken.

Jahrzehntelang galten Anleihen als sicherer Hafen in stürmischen Zeiten – gerade wenn die Aktienmärkte einbrachen. Doch das zurückliegende Jahr brachte nicht nur Aktionären, sondern auch Besitzern von Anleihen und Rentenfonds massive Verluste. Die Zinswende hat vielfach sogar zu einem historischen Anleihe-Crash geführt. So ist beispielsweise eine im März 2021 emittierte deutsche Staatsanleihe mit Fälligkeit im Mai 2036 um knapp 28 Prozent abgestürzt, mehr als doppelt so viel wie der deutsche Aktienindex Dax.

Das Leid der Anleihebesitzer geht jedoch mit einer gewissen Freude für neue Anleihekäufer einher. Denn sie profitieren nun wieder von höheren Zinsen und Renditen. Die Ära der Nullzinsen ist vorbei. Mit Staatsanleihen der Euroländer lassen sich aktuell wieder über vier Prozent erzielen, etwa mit italienischen, griechischen oder maltekischen Anleihen. Euroländer mit hoher Bonität liefern bis zu knapp drei Prozent, etwa Österreich oder Frankreich. Unternehmensanleihen bringen leicht drei bis vier Prozent. Sind die Schuldpapiere damit für Anleger insgesamt wieder attraktiver? Viele Banken und Vermögensverwalter sind derzeit sehr optimistisch. Dennoch bleiben Risiken.

Anleihen sind im Prinzip eine Art Vertrag zwischen einem Schuldner, der Geld benötigt, und einem Gläubiger, der das Geld zur Verfügung stellt. Sie sind in den meisten Fällen mit einem festen jährlichen Zinskupon ausgestattet, der sich nach der allgemeinen Zins-Lage, der Laufzeit der Anleihe und der Bonität des Schuldners richtet. Zudem werden sie an der Börse gehandelt, was sich nicht nur auf den Kurs, sondern auch auf die Rendite auswirkt.

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Prozent Zinsen und mehr lassen sich aktuell mit Staatsanleihen der Euroländer erzielen.

Stark steigende Zinsen sind Gift für die Kurse

Ein Beispiel: Eine Anleihe wird zu einem Kurs von 100 und mit einem jährlichen Zinskupon von 2 Prozent auf den Nennwert (also zwei Euro) ausgegeben, die Rendite liegt also anfangs bei zwei Prozent. Fällt der Kurs auf 85, so erhalten neue Käufer immer noch zwei Euro pro Jahr, dies aber auf einen Einsatz von 80 Euro. Die Rendite ist damit auf 2,5 Prozent gestiegen. Umgekehrt gilt: Steigt der Kurs auf beispielsweise 120, dann sinkt die Rendite auf 2 Prozent von 120, also auf 1,7 Prozent.

Jeder Käufer weiß damit direkt beim Kauf, welchen Ertrag er insgesamt erwarten kann, wenn er eine Anleihe bis zur Fälligkeit hält. Zwischenzeitlich jedoch können sich Anleihen, die auch Renten und international Bonds genannt werden, massiv bewegen und dem Anleger hohe Buchverluste bescheren.

Gift für die Kurse sind, wie aktuell, die stark steigenden Marktzinsen. Denn wenn die Zinsen steigen, verkaufen vor allem professionelle Investoren alte Anleihen mit niedrigerem Zins und wechseln in neue mit höheren Kupons. Umgekehrt sind bei fallenden Zinsen alte Anleihen mit höheren Kupons attraktiv, sie steigen also im Kurs, während die Rendite, also der Kupon gemessen am Kurs, fällt. Rendite und Kurse laufen also stets gegenläufig.

Spezial-Anleihen ohne jeden Zinskupon

Nicht nur Staaten, Staatenverbünde wie die EU und staatsnahe Organisationen verschaffen sich Geld über Anleihen, die dann international häufig Sovereign Bonds genannt werden, sondern auch Unternehmen zapfen die Geldquelle Anleger über „corporate Bonds“ an. Zudem gibt es eine ganze Reihe von Spezial-Anleihen, etwa Zero-Bonds, Wandel-Anleihen oder Green Bonds.

Zero- oder Nullkuponbonds sind Anleihen ohne jeden Zinskupon, dafür wird ein höherer Rückzahlungsbetrag am Laufzeitende vereinbart. Wandel-Anleihen wiederum werden von Unternehmen herausgebracht und verbriefen die Möglichkeit, die Anleihe zu vorher festgelegten Konditionen gegen Aktien des Unternehmens zu tauschen. Dies lohnt sich nur, wenn der Anleger die Aktie so billiger erhält als an der Börse. Green Bonds, also Anleihen mit nachhaltigem, ökologischem Impact, boomen vor allem in den letzten Jahren massiv. Insgesamt ist der Markt binnen 15 Jahren von null auf ein Volumen von rund drei Billionen Dollar explodiert.

Sind Anleihen auf dem jetzigen Niveau insgesamt nun wieder interessanter? Können neue Käufer also nun von reduzierten Kurslevels und gestiegenen Renditen profitieren? Im Prinzip ja: wer heute eine deutsche Bundesanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren kauft, erhält jedes Jahr 2,3 Prozent. Im vergangenen März noch lag die Rendite im negativen Bereich. Kürzer laufende Bundesanleihen sind noch attraktiver: wer dem Bund sein Geld nur ein Jahr zur Verfügung stellt, kann aktuell 2,7 Prozent einheimsen. In den USA wartet noch mehr: zehnjährige Anleihen („Treasuries“) bringen 3,7 Prozent, für sechs Monate gibt es 4,8 Prozent.

Die Zinswelt ist auf den Kopf gestellt

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Die Zinswelt ist also auf den Kopf gestellt, denn im Normalfall müssen Schuldner stets mehr zahlen, je länger sie das Geld benötigen. Diese inverse Zinslage deutet meist darauf hin, dass eine Rezession bevorsteht, denn bei eingetrübter Wirtschaftslage wären die Notenbanken mittelfristig auch wieder zu Zinssenkungen gezwungen. Einige Analysten erwarten auch bereits in der zweiten Jahreshälfte bzw spätestens 2024 wieder erste Lockerungen in den USA. Dann also würden die Kurse älterer, höher verzinster Anleihen steigen.

Wer von der vielleicht rascheren Zinswende im Dollarraum hin zu wieder sinkenden Sätzen profitieren will, muss allerdings ein Währungsrisiko einkalkulieren. Das Problem für Europa-Anleger ist: Während in den USA der Zinszyklus nach sieben Zinserhöhungen von nahe null auf auf 4,25 bis 4,5 Prozent weit fortgeschritten ist, hinkt Europa mit nur vier Schritten auf 2,5 Prozent hinterher.

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Unklar ist in allen Zinsregionen, wie lange die Inflation hoch bleibt, wie weit der Zinszyklus also gehen könnte. Steigen die Zinsen weiter deutlicher als erwartet, könnten auch Anleihen weiter Kursschwäche zeigen. Denn inzwischen höher verzinste Papiere werden dann wieder zugunsten von neueren, noch attraktiver verzinsten Anleihen verkauft.

Notenbanken wollen ihre Anleihen loswerden

Hinzu kommt die Frage, ob die Notenbanken tatsächlich ein aufkeimendes Risiko einer Rezession höher gewichten als den Kampf gegen die Inflation. Vor allem die US-Notenbank Federal Reserve hat sehr klar gemacht, dass sie eine abgeschwächte Wirtschaftsentwicklung in Kauf nehmen und trotzdem weiter die Sätze nach oben schrauben wird, um die Inflation vollends in den Griff zu bekommen. Christine Lagarde, Chefin der europäischen Notenbank und bisher vergleichsweise vorsichtig beim Anziehen der Zügel, hat gerade ebenfalls einen weiter harten Kampf gegen die Teuerung angekündigt.

Speziell für Corporate Bonds gilt zudem, dass in einer Rezession auch die derzeit sehr niedrige Ausfallrate von Schuldnern steigen könnte. Hinzu kommt, dass die Notenbanken derzeit ihre Bilanzen abspecken und Anleihen loswerden wollen, die sie im Rahmen ihrer jahrelangen Kaufprogramme erworben haben. Aktuell sind laut Hessischer Landesbank immer noch über 40 Prozent der umlaufenden Euro-Staatspapiere in den Depots der Notenbank.

Prognosen für Renditen zurückgenommen

Viele institutionelle Investoren sehen in Anleihen derzeit dennoch gute Chancen. Hauptargument dabei ist, dass selbst weiter steigende Zinsen bereits in den abgestürzten Kursen eingepreist sind. Bullisch sind beispielsweise die Vermögensverwalter und ETF-Häuser Blackrock, Amundi oder Vanguard. Fondsmanager seien in den vergangenen 14 Jahren nie so deutlich in Anleihen übergewichtet gewesen wie aktuell, hat die Bank of America in einer aktuellen Marktübersicht herausgefunden.

Viele Banken und Fondshäuser haben ihre Prognosen für die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe zum Jahresende 2023 deutlich zurückgenommen. Die Deka etwa tippt auf 2,25 Prozent, die Commerzbank auf 1,7, die Schweizer UBS auf 1,95, M.M. Warburg auf 1,8 Prozent. Die Kurse würden parallel also deutlich steigen. Einzig die DZ Bank sieht die Kurse fallen, umgekehrt die Renditen weiter auf drei Prozent steigen.

Kursschwankungen bei Anleihen nur temporär

Hinzu kommt, dass die Kursschwankungen bei Anleihen sowieso nur temporär sind. Zum Ende der Fälligkeit hin, also vor dem Tilgungstermin, gehen die Kurse stets wieder langsam zu ihren Ausgangswerten zurück. Diese Schwankungen während der Laufzeit binden Anleger jedoch auch fest. Denn halten sie Anleihen, die nun um fünf, zehn oder 25 Prozent im Minus notieren, müssen sie bis Endfälligkeit halten, wenn sie keine Verluste realisieren wollen. Das Geld steckt dann womöglich Jahre in vergleichsweise niedrig verzinsten Anleihen fest, und an den gefallenen Kursen nagt zusätzlich die hohe Inflation.

Dennoch ist das investierte Geld insgesamt sicher, da ja am Ende wieder der investierte Betrag zurückgezahlt wird. Ausfälle bei entwickelten Staaten und großen Unternehmen sind außerordentlich unwahrscheinlich. Ein weiterer Wermutstropfen jedoch bleibt in jedem Fall: Trotz der steigenden Zinssätze erhalten Anleihe-Anleger, die auf gute Bonität achten, derzeit nirgends einen Ausgleich für die aktuelle Preissteigerung – außer in Anleihen, die höhere Ausfallrisiken in sich bergen und deshalb nur mit hohem Zins Geldgeber finden. So kann derzeit zum Beispiel mit 16,5 Prozent rechnen, wer in einjährige kasachische Staatspapiere anlegt. Um die 14 Prozent gibt es für kenyanische Staatsanleihen, Sri Lanka bietet 29 bis 33 Prozent, Südafrika 7,5 bis 11,6 Prozent.

Wichtige Rentenfonds verzeichnen herbe Verluste

Der Zins bildet natürlich auch das Risiko ab. Eine Investition über einen Fonds für Hochzins-Anleihen („High Yield“) aus Schwellenländern senkt das Risiko zwar insgesamt. Doch auch mit solchen Fonds ließ sich 2022 kaum ein Blumentopf gewinnen, vor allem wegen der Tendenz der Anleger weltweit, Risiken zu mindern und High-Yield-Papiere aus den Depots zu kippen.

Auch die Manager von weniger riskanten Anleihefonds können nicht zaubern: nahezu alle wichtigen Rentenfonds verzeichnen für 2022 herbe Verluste. Bei der Deka beispielsweise, der Fondsgesellschaft der Sparkassen, liegen fast alle 96 Rentenfonds auf Jahressicht im Minus, mit Ausnahme einiger weniger Spezialfonds mit sehr kurzfristiger Ausrichtung. Verluste von bis zu 35 Prozent haben inzwischen sogar vielfach die Wertentwicklung der vergangenen zehn Jahre in negatives Terrain gedrückt. Bei anderen Fondsgesellschaften ist die Lage nicht anders.

Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, glaubt dennoch, dass 2023 ein Jahr des Übergangs für Anleihen werden könnte. Anleger sollten weiter mit Schwankungen rechnen, doch seien hochwertige Anleihen aus Europa und vor allem den USA („Investment grade“) einen Blick wert.

Top-Staatsanleihen sollten ein Comeback feiern.

Daniel Hartmann, Chefvolkswirt bei Bantleon

Der französische Vermögensverwalter Amundi wiederum empfiehlt vor allem Unternehmensanleihen mit ordentlicher Bonität. Besonders optimistisch für Anleihen ist der Schweizer Asset Manager Bantleon. „Top-Staatsanleihen sollten ein Comeback feiern“, glaubt Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann. Der Leitzinshöhepunkt werde in Kürze greifbar sein, die Inflation werde fallen, was die Renditen von zehnjährigen Bundesanleihen wieder auf ein Prozent und zehnjährige US-Tresuries auf 2,5 Prozent drücken werde, bei klar steigenden Kursen. Paul O´ Connor, Portfolio-Manager bei Janus Henderson, sieht Anleihen 2023 sogar besser performen als Aktien. Die Kurse von US-Staatsanleihen seien nun zwei Jahre in Folge gefallen. Drei Jahre fallender Kurse in Folge habe man in der 250jährigen Geschichte der Treasuries nie gesehen.

Anleihen sind auch als ETF handelbar

Anleger, die nicht auf einzelne Anleihen setzen möchten, finden in aktiv gemanagten Fonds wie auch bei passiven ETF ein sehr breites Anlagespektrum. Ein Blick auf die Hitlisten der vergangenen zwei Jahre ist dabei jedoch wenig hilfreich, da zuletzt vor allem Fonds mit Anleihen kürzerer Laufzeiten vorne liegen. Sie reagieren stets deutlich schwächer auf starke Zinsveränderungen. Alle Fonds- und ETF-Häuser haben jedoch Produkte im Portfolio, die querbeet in Staats- und Unternehmensanleihen investieren sowie Papiere, die spezieller ausgerichtet sind, etwa auf Euro-Staatsanleihen kürzerer oder längerer Duration, auf Sovereign Bonds in Schwellenländern, auf Green Bonds oder auf Unternehmensanleihen aus bestimmten Regionen oder Branchen.

Global anlegende Produkte sind beispielsweise der DJE Renten Global, der Templeton Global Bond oder ähnliche Papiere von JP Morgan, Pictet, Morgan Stanley, Invesco, Allianz Global Investors und vielen mehr. Die größten ETF für den globalen Anleihe-Markt sind etwa der ishares Global Aggregate Bond oder der Vanguard Global Aggregate Bond. Hier beteiligen sich Anleger an der Wertentwicklung von rund 21.000 Anleihen aus 71 Industrie- und Schwellenländern.

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