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Fehlzeiten: Gute Besserung

Die Krankenstandsquote in Deutschland hat im vergangenen Jahr den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Warum werden die Deutschen immer seltener krank? Von Cordula Eubel

Deutsche Arbeitnehmer melden sich immer seltener krank. Im Jahr 2006 fehlten die Beschäftigten im Durchschnitt an 7,2 Arbeitstagen - das entspricht 3,29 Prozent der Sollarbeitszeit. Der rückläufige Trend bei den Krankenstandsquoten hält damit weiter an, wie die "Welt" unter Berufung auf aktuelle Statistiken des Gesundheitsministeriums berichtet. Seit der Wiedervereinigung war der Krankenstand nicht so niedrig, im Westen wurde sogar der geringste Stand seit der Einführung der Lohnfortzahlung im Jahr 1970 erreicht.

Laut Gesundheitsministerium lag die Krankenstandsquote in den 70er Jahren bei über fünf Prozent, schwankte in den 80er und 90er Jahren zwischen 4,1 und 5,7 Prozent, um 2003 schließlich mit einem Stand von 3,6 Prozent erstmals die Vier-Prozent-Marke zu unterschreiten.

Der langfristige Trend lässt sich unter anderem mit dem Wandel der Arbeitswelt in den vergangenen Jahrzehnten erklären. Der Anteil der Beschäftigten im Dienstleistungssektor nimmt seit den 90er Jahren deutlich zu. Wer in diesem Bereich arbeitet, ist seltener krank als jemand, der schwere körperliche Arbeit verrichtet. Nach Erhebungen der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) war im Jahr 2005 die Rechtsberatung und Wirtschaftsprüfung die Branche mit dem niedrigsten Krankenstand (zwei Prozent), gefolgt von der Datenverarbeitung (2,2 Prozent). Auch haben sich die Arbeitsbedingungen in den verarbeitenden Betrieben geändert, in denen mittlerweile stärker auf Arbeitsschutz geachtet wird. So dürfen Zementsäcke inzwischen nur noch 25 statt 40 Kilogramm wiegen. Das senkt die Zahl der Muskel- und Skeletterkrankungen bei Maurern.

Zahl der psychischen Erkrankungen steigt

Die Art der Erkrankungen, die zu Krankmeldungen führen, verändert sich seit einigen Jahren deutlich. Auch wenn Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, der Atemwege und Verletzungen immer noch die häufigste Ursache für Krankheitstage sind, gehen mittlerweile etwa zehn Prozent der Krankheitstage auf psychische Erkrankungen zurück. Nach dem DAK-Gesundheitsreport 2006 stieg die Zahl der Fälle bei psychischen Erkrankungen in den vergangenen acht Jahren um mehr als 70 Prozent.

Wenn sich weniger Mitarbeiter krankmelden, heißt das aber nicht automatisch, dass die Belegschaften tatsächlich auch im gleichen Umfang gesünder sind. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes lässt viele Menschen zur Arbeit gehen, auch wenn sie aus Sicht des Arztes vielleicht besser ins Bett gehören. Soziologen nennen dieses Phänomen "Präsentismus".

Zweischneidige Entwicklung

Für Arbeitgeber ist diese Entwicklung zweischneidig: Sie profitieren finanziell, wenn sie weniger Geld für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ausgeben müssen, die nach Angaben der Wirtschaft insgesamt Kosten von 30 Milliarden Euro im Jahr verursacht. Doch die Unternehmen können nicht sicher sein, dass ihre Mitarbeiter dem Betrieb dann auch wirklich einen Nutzen bringen. So kommen das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) und die Universität Bielefeld in ihrem Fehlzeiten-Report 2005 zum Ergebnis, dass Arbeitnehmer, die trotz Krankheit zur Arbeit gehen, sogar Produktivitätsverluste verursachen können. Wenn Krankheiten nicht auskuriert werden, kann das langfristig zu schweren Gesundheitsproblemen fühlen. Wer beispielsweise Erkältungskrankheiten auf Dauer nicht auskuriert, ist eher der Gefahr ausgesetzt, einen Herzinfarkt zu erleiden. (Tsp)

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