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Berlin braucht Mehrfamilienhäuser mit zehntausenden neuen Wohnungen. Aber regierende Parteien hadern mit dem Konzept Großsiedlung.

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Ausblick auf die Immobilienmärkte: Freie Wohnungsunternehmen befürchten Einbruch

Bundesverband BFW sieht Deutschland in „dramatischer Situation“

Überregulierung, Planungsbürokratie und eine falscher Förderpolitik sind nach Ansicht von Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) die größten Hemmschuhe für den dringend nötigen Bau von neuen Wohnungen. Mit Blick auf die schon lange geplanten Berliner Bauvorhaben Elisabeth-Aue in Pankow und Späthsfelde in Treptow, die von Grünen und Linken aktuell infrage gestellt werden, spricht Salewski von einer „ideologischen Blockadehaltung“.

Ähnlich blickt er auf den in der Hauptstadt kursierenden Enteignungswunsch gegenüber großen Wohnungsanbietern. Die Berliner BFW-Mitgliedsunternehmen seien aber nicht in Gefahr. „Eine Enteignung ist klar verfassungswidrig“, sagte der Verbandspräsident in einem Jahresausblick kürzlich in Berlin.

Er sieht den Wohnungsbau in Deutschland „in einer absolut dramatischen Situation“. Bei vielen Unternehmen seien die Aufträge im letzten Halbjahr 2022 weg gebrochen. In der Branche mit rund 4,4 Millionen Beschäftigten drohe ein Stillstand.

Hinzu kommen gestiegene Zinsen. Dennoch brechen die Preise für Wohnimmobilien in Berlin nicht ein, weil es zu wenige Wohnungen gibt. Im Ergebnis geht die Erschwinglichkeit von Wohneigentum gegen Null, weil die erforderlichen Finanzierungskosten explodieren. Dies berichtete das unabhängige Unternehmen Empirica (Berlin) mit Blick auf die Auswertung gesammelter Immobiliendaten für das vierte Quartal 2022 für Berlin.

Bei den Kaufpreisen für neu gebaute Eigentumswohnungen sieht Empirica Stuttgart und Frankfurt im TOP-10-Ranking nun hinter München auf den Plätzen zwei und drei und Hamburg wird von Berlin (Platz 5) und Potsdam (Platz 6) überholt und fällt auf Platz sieben. Düsseldorf liegt auf Platz vier.

„Der Deregulierung und zielorientierten Straffung von Planungs- und Genehmigungsverfahren kommt in dem aktuell schwierigen Gesamtumfeld gerade in Berlin eine zusätzliche Bedeutung zu“, sagt auf Anfrage Susanne Klabe, Geschäftsführerin des Landesverbandes Berlin/Brandenburg: „Besser strukturierte und lösungsorientierte Verfahren sparen in Zeiten steigender Zinsen und Baukosten bares Geld pro Quadratmeter.“

BFW für Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent

Ein Vorschlag des BFW in der aktuellen Krise zielt auf die Senkung der Mehrwertsteuer. Für Bauleistungen beträgt sie 19 Prozent. „Warum wird sie nicht auf sieben Prozent gesenkt?“, fragt Salewski. Man könne sie sogar auf Null fahren, wie das gerade Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wieder für gesundes und ernährungswichtiges Obst und Gemüse in die Diskussion gebracht hatte. Denn Wohnungen gehörten ja auch zu den vitalen Lebensgrundlagen.

60
Prozent Rückgang der Wohnungbauaktivitäten befürchtet der Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen für das laufende Jahr

Ein anderes Spielfeld sind für den Verband der privaten mittelständischen Wohnungswirtschaft die behördliche Regelungswut und die schleppende Bearbeitung von Genehmigungen in den Amtsstuben. Salewski schildert nicht ohne Sarkasmus, wie in Dortmund der Bau von Wohnungen auf einem ehemaligen Bahnhofsgelände und neben einem Gemüsemarkt jahrelang an Lärmschutzbestimmungen gescheitert war. Letztlich müsse nun wohl eine in seinen Augen überdimensionierte und teure Schutzwand her. Der BFW-Präsident steuert ein westfälisches Bauträgerunternehmen, das auch in Dortmund aktiv ist.

„Am Ende wird sich der Bauträger oder Entwickler da engagieren, wo er vernünftige Abläufe, Verfahrenszeiten und vielleicht auch Digitalisierung der Verwaltung vorfindet. Berlin ist dafür zur Zeit (noch) kein guter Platz.“, sagt die Geschäftsführerin des Berlin-Brandenburger BFW-Ablegers, Susanne Klabe.

Meiner Ansicht nach besitzt die Wohnungsfrage in den nächsten fünf, sechs Jahren den größten gesellschaftlichen Sprengstoff

Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen

Bezahlbarer Wohnraum mit ausgeprägten Energiesparverordnungen nicht zu machen

Allerdings treibt das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ auch den BFW um, aber anders als bei der Enteignungsinitiative. Stellschrauben sind für Salewski zu hoch gestochene Anforderungen wie zum Beispiel die laufend fortgeschriebenen Energieeinsparverordnungen: „Die machen das Bauen teuer. Und von der Politik wird immer noch draufgesattelt.“

Da müsste man mit der Machete durch.

Dirk Salewski, Präsident des BFW über Bauvorschriften

Man sollte auch das DIN-Normensystem „fesseln“, meint der Bauunternehmer. Um schnell den dringenden Bedarf an Wohnraum zu erfüllen, „müssen wir mit den Standards runter“. Es gehe um Effizienz und zugleich um Kostenbegrenzung. Was die aus seiner Sicht unzähligen Vorschriften und Regelungen beim Bauen betrifft, wählte der Westfale einen drastischen Vergleich: „Da müsste man mit der Machete durch.“

Hilfreich wäre mehr staatliche Förderung für den privaten Neubau

Neben der Forderung nach Bürokratieabbau plädiert der BFW für mehr staatliche Förderung von Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen. Es sollten öffentliche Garantien für eine stärkere Eigenkapitalbasis gegeben werden.

Ähnlich wie erst gerade auch Mieterbund, Gewerkschaften und Sozialverbände warnt der BFW eindringlich vor einer auf das Land zurollenden Problemlawine. Salewski sagt: „Meiner Ansicht nach besitzt die Wohnungsfrage in den nächsten fünf, sechs Jahren den größten gesellschaftlichen Sprengstoff.“

Markus Weidling, Bundesgeschäftsführer beim BFW, glaubt aber, dass eine Wende noch möglich ist: „Ein investitionsfreundliches steuerliches Klima wird auch breiten Schichten Bauen ermöglichen. Bezahlbare Wohnungen werden von den mittelständischen Unternehmen gebaut, wenn wir wieder Planungssicherheit durch auskömmliche Förderung mit verlässlichen und realistischen Bedingungen bekommen.“ Mit weniger Vorschriften hätten die Unternehmen mehr Spielraum und könnten auch einen ambitionierten Klimaschutz realisieren.

Erst vor kurzem hatte eine Umfrage unter den Verbandsmitgliedern den Ernst der Lage verdeutlicht. Danach müsse für dieses und das kommende Jahr mit einem Rückgang der ursprünglich geplanten Wohnungsbauaktivitäten um 60 Prozent gerechnet werden.

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