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In Potsdam sollen bis Mitte nächsten Jahres zwei bis zu viergeschossige Häuser mit einmal 22 und einmal bis zu 70 Wohnungen auf zwei heutigen Garagenstandorten in der Gluckstraße und am Patrizierweg errichtet werden.

© Visualisierung: B&O Bau und Gebäudetechnik GmbH

Immobilien: Bleibe auf Dauer

Berlins Senat sieht keine Not bei Unterkünften für Geflüchtete. Dabei steigen die Zahlen.

Die Jobcenter in Berlin rechnen ab Juni mit 60000 zu betreuenden Flüchtlingen, in Brandenburg wird von 24000 Flüchtlingen ausgegangen, die die Voraussetzungen für den Bezug von Grundsicherung mitbringen. Während eine mögliche Überlastung dieses Systems von Berliner Seite verneint wird, fragt sich, wo die ukrainischen Geflüchteten dauerhaft mehr als eine Bleibe finden. Zwar kündigte der Berliner Senat an, den Bau neuer Unterkünfte voranzutreiben. Doch Recherchen des Tagesspiegels bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales ergaben, dass die Hauptstadt aktuell 28 modulare Unterkünfte mit einer Gesamtkapazität von nur rund 9300 Plätzen hat.

In Brandenburg forderte ein Bündnis aus Organisationen der Flüchtlingshilfe unterdessen ein Ende der Massenunterbringung. Sammelunterkünfte seien Gewalt fördernd und nicht erst seit der Corona-Pandemie gesundheitsgefährdend. Nach Angaben des Sozialministeriums lebten Ende vergangenen Jahres 48 Prozent der Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften, weitere 19 Prozent in Wohnverbünden und 33 Prozent in einer Übergangswohnung.

CDU: 500000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr notwendig

Die Immobilienwirtschaft rechnet mit einem kurzfristigen Bedarf von Hunderttausenden Wohnungen. Im günstigsten Falle dürfte die Zahl der in Deutschland ankommenden Ukrainer bei mindestens 310000 liegen, errechnete der Zentrale Immobilien-Ausschuss ZIA. Der Verband ist für einen Gipfel mit Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Wirtschaft und Hilfsorganisationen zur Bewältigung des Andrangs auf dem Wohnungsmarkt. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hält trotz der Folgen des Ukraine-Krieges an der Zahl von 400000 jährlich neu zu errichtenden Wohnungen in Deutschland fest, die den angespannten Wohnungsmarkt entlasten sollen. Die Unionsfraktion im Bundestag hält wegen des Zuzugs von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eine deutliche Ausweitung der Wohnungsbauziele für erforderlich. "Das Ziel der Ampel, 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Legislaturperiode zu bauen, ist durch die große Anzahl von Flüchtlingen aus der Ukraine überholt", sagte der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak. Nach Einschätzung von Experten seien mindestens 500000 zusätzliche Wohnungen nötig.

Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine in der Metropolishalle des Filmpark Potsdam.

© Andreas Klaer, PNN/Tsp

Die Berliner Senatsverwaltungen für Umwelt, Stadtentwicklung, Integration und Finanzen sollen nun bis Juni eine Senatsvorlage zur Akquise von Unterkünften erarbeiten, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nach einer Senatssitzung. Geklärt werden soll in diesem Zusammenhang auch, an welchen Orten neue Einrichtungen für Geflüchtete aus der Ukraine entstehen könnten. Angesichts der Zerstörung ihrer Heimat und guter Jobaussichten hierzulande dürften viele Flüchtlinge länger bleiben. "Damit würde die Wohnungsnachfrage einen erheblichen Schub bekommen", prognostiziert Thorsten Lange, Ökonom bei der DZ Bank.

Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten verfügt über 26000 Plätze

Insgesamt verfügt das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) über 86 Lokalitäten mit rund 26000 Plätzen, davon rund 4000 in Aufnahmeeinrichtungen und rund 22000 Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften, sagt ein Sprecher der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf Anfrage. Aktuell befänden sich im LAF 15 MUF-Neubauten in Planung, und vier weitere Vorhaben seien gegenwärtig im Bau. MUF steht für Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge, die aus vorgefertigten Betonteilen zusammengesetzt werden. Wann diese Bauten fertig sind, ist schwer zu prognostizieren. Der Standort Rheinpfalzallee in Lichtenberg-Karlshorst soll diesen Sommer bezugsfertig sein. „Die beiden im Bau befindlichen Objekte in Treptow-Köpenick und Charlottenburg werden voraussichtlich 2023 realisiert“, sagt der Sprecher. Es werde mit weiteren 5700 Plätzen gerechnet, die vor allem auf landeseigenen Grundstücken entstehen sollen.

Angesichts der sich täglich ändernden Lage in den verschiedenen Regionen der Ukraine ist es sehr schwierig, den in den kommenden Wochen zu erwartenden Flüchtlingszustrom aus den Kriegsgebieten vorherzusagen. Der Flüchtlingsrat Berlin e. V. sieht im Moment keine dramatischen Engpässe bei der Unterbringung der Geflüchteten. Man beruft sich dabei auch auf Darstellungen aus der Senatsverwaltung, wonach freie Plätze in Massenunterkünften noch ausreichend vorhanden sind. Tatsächlich haben sehr viele Menschen aus den ukrainischen Kriegsgebieten privat Unterkunft gefunden. Wohnungsgenossenschaften stellten Apartments bereit, große Unternehmen riefen ihre Mitarbeiter auf, für kurze Zeit eine Bleibe anzubieten. Privat organisierte Vereine knüpften Kontakte bei der Vermittlung von Wohnraum.

In der Region Karow/Buch sind Ukraine-Flüchtlinge zurzeit ausschließlich privat untergebracht. Allein bei der Albatros gGmbH haben sich mehr als 20 Gastfamilien gemeldet. Für die dort untergekommenen Menschen wurden über Spenden Guthabenkarten für den Einkauf von Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung organisiert. Sprachkundige begleiten die Ukrainer beim Gang zum Arzt oder zum Amt. Und die Vermietungsgesellschaften sind flexibel, was die Aufnahme von Gästen betrifft. Auch bei den Behörden gibt es viel Entgegenkommen, wie Elke Heller vom Projekt „Willkommen in Karow“ bestätigt: „Ein großes Lob für das Bezirksamt Pankow.“

Private Unterkünfte werden bevorzugt

Die Erfahrungen aus dem Berliner Nordosten zeigen: Unterkünfte in privatem Rahmen werden Massenquartieren vorgezogen. Das ist für den Flüchtlingsrat Berlin sehr gut nachvollziehbar. Der Dachverband von mehreren Initiativen hat sich dazu positioniert. „Der Flüchtlingsrat hält wenig von der Massenunterbringung von geflüchteten Menschen mit gemeinsam genutzten Sanitäranlagen und Gemeinschaftsküchen“, sagt Sprecherin Nora Brezger. Die Kritik gilt auch für die geplanten, schnell zu errichtenden modularen Unterkünfte. Zwar seien Gebäude mit Apartmentstruktur besser als solche mit dem Charakter von Wohnheimen, weil sie zumindest etwas Privatsphäre für Familien zuließen. „Dennoch bleibt es auch dort eine reine Unterbringung“, so Nora Brezger, "von einem ’normalen Wohnen’ kann selbst in der schicksten Unterkunft nicht die Rede sein."

Flüchtlingsrat: "Wir brauchen generell mehr Wohnraum"

Als Alternative wünscht sich der Flüchtlingsrat einen leichteren Zugang zu Wohnraum für alle Geflüchteten. So könnten Wohnberechtigungsscheine (WBS) ausgegeben, Beratungsstellen für die Wohnungssuche und spezielle Kontingente beim Neubau eingeplant werden. „In punkto Zugang zu Wohnraum wurden unsere Ideen bis jetzt aber zu wenig umgesetzt“, beklagt Nora Brezger. Doch es besteht eben auch ein Mangel an Wohnungen. „Wir brauchen generell mehr Wohnraum“, meint Elke Heller. Das sei allerdings nicht nur ein Problem für Schutzsuchende, sondern für die Bevölkerung in ganz Berlin.

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