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Wirtschaft: Kerviel wirft Chefs Mitwissen vor

Ex-Händler der Société Générale: „Sie haben bewusst nicht hingesehen“

Paris - Der nach dem Milliardenverlust der französischen Großbank Société Générale angeklagte Händler Jérôme Kerviel hat in seiner Vernehmung seine Vorgesetzten schwer belastet. „So lange ich Gewinne gemacht habe, haben meine Chefs bewusst nicht hingesehen, unter welchen Bedingungen sie zustande kamen und mit welchen Summen ich gehandelt habe“, sagte der 31-jährige Kerviel nach Aufzeichnungen der Ermittler, die die französische Website Mediapart am Dienstag veröffentlichte. Es sei unwahrscheinlich, dass seine Vorgesetzten bei Société Générale den außergewöhnlich hohen Wert seiner Handelspositionen nicht gekannt hätten. „Mit kleinen Positionen hätte ich nicht solche Gewinne machen können“, fügte Kerviel demnach hinzu. Im Jahr 2007 habe er einen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro gemacht – den er aber mit fiktiven Verlustgeschäften habe verschleiern müssen.

Kerviel sagte, dass derartige Verschleierungsmanöver auch von anderen genutzt würden, um Ergebnisse zu kaschieren. „Die Techniken, die ich benutzt habe, waren gar nicht kompliziert“, betonte er. Vorwürfe, er habe sich durch den Handel mit riskanten Positionen bereichern wollen, wies Kerviel zurück. Allerdings habe er wegen seiner hohen Gewinne auf einen guten Bonus gehofft. Von 600 000 Euro, die er gefordert habe, seien ihm 300 000 Euro für Mitte März zugesagt worden. Nach früheren Medienberichten hatte Kerviel bislang ein Jahreseinkommen von etwa 100 000 Euro.

Ein Pariser Gericht hatte am Montag ein Verfahren gegen Kerviel eröffnet, ihn aber nach zweitägigem Polizeigewahrsam auf freien Fuß gesetzt. Kerviel soll seinem Arbeitgeber mit vertuschten Wetten auf den Verlauf der wichtigsten europäischen Aktienindizes einen Verlust von fast fünf Milliarden Euro eingebracht haben. Die Ermittler werfen ihm Fälschung, Vertrauensmissbrauch und unerlaubtes Eindringen in Computersysteme vor. Die Richter wiesen den Antrag der Staatsanwaltschaft zurück, wegen versuchten Betruges zu ermitteln. Kerviel habe sich nicht persönlich bereichert, hieß es.

Die Aussagen des Angeklagten erhöhen den Druck auf Bankchef Daniel Bouton weiter. Bouton könne „zur Verantwortung gezogen“ werden, sagte Justizministerin Rachida Dati am Dienstag. Präsident Nicolas Sarkozy hatte zuvor bereits gesagt, die Affäre könne „nicht ohne Konsequenzen“ seitens der Verantwortlichen bleiben. Bouton hat mehrfach seinen Rücktritt angeboten, den der Verwaltungsrat der Bank bislang ablehnt.

Unterdessen hat die französische Börsenaufsicht eine Untersuchung über Aktienverkäufe eines Aufsichtsratsmitglieds der Großbank eingeleitet. Eine Sprecherin der Börsenaufsicht sagte am Dienstag, eine Untersuchung sei eingeleitet worden, ohne Einzelheiten zu nennen. Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ hatte berichtet, die Aufsicht werde den Handel mit Aktien der Bank in den Tagen vor der Bekanntgabe des hohen Verlustes prüfen.

Erstmals seit Bekanntwerden des Skandals drehten die Aktien der angeschlagenen Société Générale am Dienstag wieder ins Plus. Bei Börsenschluss notierten die Titel bei 78,45 Euro (plus 10,42 Prozent). Im Mai 2007 hatte die Aktie noch 162 Euro gekostet. Die Regierung bekräftigte, das Bankhaus vor einer möglichen feindlichen Übernahme schützen zu wollen. Als mögliche Käufer sind die BNP Paribas und die britischen Bankhäuser HSBC und Barclays im Gespräch. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde kündigte an, bis Freitag einen Bericht zu der Affäre vorlegen zu wollen. hhb/dpa

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