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Wirtschaft: Riechen, Rühren, Anfassen

Yalçin Bal produziert in Kreuzberg Öko-Seife – und schafft Arbeitsplätze für psychisch kranke Menschen

Berlin - Man könnte damit beginnen, dass es eine neue Seife gibt. Fein/Rein heißt die Marke. Man könnte schreiben, dass es ein weiteres Label „Made in Berlin“ gibt, 100 Prozent ökologisch. Anfangen sollte man jedoch mit der Geschichte des Gründers Yalçin Bal. Denn die Seife ist eng mit seinem Leben verknüpft.

Es war 2005, als Yalçin Bal mit einem Mal keine Seife mehr vertrug. Immer, wenn er Duschgel oder andere Seifenprodukte verwendete, brannte seine Haut. Selbst Bio-Produkte verursachten einen Juckreiz, die Ärzte waren ratlos. Bal begann, selbst Seife herzustellen. Zuvor hatte sich der Architekt nie mit Kosmetikprodukten beschäftigt. Also durchforstete er das Internet nach Anleitungen, probierte aus, verbesserte seine Rezepturen. Irgendwann merkte er, dass sich auch seine Haut verbesserte. Er wollte mehr über das Seifenmachen lernen, als das Internet bot und kontaktierte Kosmetiker. Yalçin Bal lernte, dass Weizenkeimöl die Zellfunktion des gesamten Organismus anregt. Mehr als das Avocadoöl, das er bisher verwendet hatte. Weizenkeimöl ist ein besonders sanftes Öl und eignet sich daher auch fürs Gesicht. Er lernte, dass Blütenöle antiseptisch sind und chemische Konservierungsstoffe ersetzen können.

Irgendwann war Bals Seife kein privates Küchenprodukt mehr. Nicht nur er testete seine Produkte, auch Freunde seiften sich mit dem Duschbad ein. „Bals Seife schäumt nicht wie handelsübliche Seife, das ist am Anfang schon ungewohnt“, sagt einer, der Bals Seife schon lange benutzt. „Aber ich bin von der Qualität begeistert.“ Warum also das Produkt nicht auch anderen zugänglich machen? „Eine industrielle Produktion kam für mich nicht infrage“, sagt Bal. „In der Massenproduktion sind die Werte, die mir für mein Produkt wichtig sind, nicht vertreten.“ Also suchte er nach einem regionalen Partner.

Gefunden hat Bal ihn in der Oranienstraße 26. In der ehemaligen Kreuzberger Blindenanstalt befindet sich heute die Union Sozialer Einrichtungen gGmbH (USE). Ein gemeinnütziges Unternehmen, das mehr als 800 psychisch kranken und behinderten Menschen die Möglichkeit gibt zu arbeiten. „Das Fein/Rein-Projekt passt wie die Faust aufs Auge“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Grasnick. Heute sind er und Bal Partner, Fein/Rein ist seit dem 1. März 2011 eine Unternehmergesellschaft. Im Hinterhaus, zweiter Stock, ist der Produktionsraum für Fein/Rein. Sechs USE-Mitarbeiter sind ausschließlich für die Herstellung der Seifenprodukte zuständig. Die Mindestmenge liegt derzeit bei 20 Litern im Monat. „Wir hoffen natürlich, dass die Nachfrage steigen wird“, sagt Bal. Und Grasnick ergänzt: „Passiert das, können wir die Produktion sofort aufstocken.“ 12 bis 16 Leute kann Grasnick auf die Schnelle organisieren.

250ml Fein/Rein-Duschbad kosten 13,60 Euro, 100ml 6,80 Euro. Die Produkte kann man im Online-Shop von Fein/Rein oder im Ladengeschäft der USE in Kreuzberg kaufen. Mit Abonnements möchte Fein/Rein Kunden binden. Das bietet Sicherheit beim Absatz. „Im Gegenzug können wir dem Kunden ein Recycling- und Verwertungsmodell der Leerflaschen anbieten“, sagt Bal.

Um die Seifen auch bei großen Handelsketten wie dem Drogeriemarkt dm oder der Bio Company verkaufen zu können, bräuchte die Firma ein höheres Produktionsvolumen. Mit einem „gesunden Wachstum“, wie Bal es nennt, ist das derzeit nicht machbar. „Uns ist der Manufaktur-Aspekt wichtig“, sagt Grasnick.

Für die Arbeit bei USE ist wichtig, dass die Mitarbeiter erleben, woran sie gerade arbeiten. Seife kann man riechen und darin rühren, die Flaschen kann man anfassen. Von Bals Projekt war Grasnick daher sofort begeistert. Auch die Kartonagen, in denen die Flaschen mit dem schlichten Etikett verkauft werden, fertigen die Mitarbeiter in der Oranienstraße an. Lokale Produktion und soziale Verantwortung, Transparenz und Nachhaltigkeit: Fein/Rein ist eine saubere Idee. Ob Yalçin Bal damit auch ein Geschäft machen wird, muss sich erst noch zeigen.

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