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Persönliche Schlüsselübergaben wird es auf absehbare Zeit nicht geben.

© dpa

Virtuelle Reisen statt realer Urlaub: Wie Airbnb aus der Krise finden will

Die Corona-Krise trifft den Wohnungsvermittler Airbnb schwer. Jetzt sollen Gäste virtuell um die Welt reisen – und per Video etwa mit Mönchen meditieren.

Von Laurin Meyer

Die Küche von Lhéa Wikström dürfen Gäste nur mit Socken oder Pantoffeln betreten. „Hier in Schweden machen wir das so“, sagt sie. Mehr als das sollen Besucher aber nicht mitbringen, um sich wohl zu fühlen. Wikström ist Gastgeberin bei Airbnb, bietet über den Wohnraumvermittler verschiedene Koch- und Backkurse für Touristen an. Wer einmal authentisch bei Schweden in der Küche wirbeln möchte, der kann sich dieses Erlebnis bei Airbnb dazu buchen.

Seit Donnerstag dürfen Wikströms Gäste die Schuhe aber anbehalten. Denn die kommen nicht mehr persönlich zu ihr nach Hause, sondern schalten sich per Video dazu. Die Schwedin ist eine von zunächst 50 Gastgebern, mit denen Airbnb sein Entdeckungsangebot in die virtuelle Welt holt. Der Grund: Wegen der vielerorts geltenden Kontaktsperren müssen auch alle buchbaren Aktivitäten wie Stadttouren oder Kurse pausieren.

Deshalb geben olympische Medaillengewinner ihre Workshops jetzt per Webcam, buddhistische Mönche streamen ihre Meditation ins Netz. „Da so viele Menschen in ihren Häusern bleiben müssen, wollen wir unseren Gastgebern die Möglichkeit bieten, mit unserer weltweiten Community auf die einzig mögliche Art und Weise in Kontakt zu treten“, sagt Catherine Powell, Chefin des Erlebnisse-Bereichs von Airbnb. „Nämlich online.“

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Bloße Anleitungen per Video? Wikström will ihren Gästen mehr bieten, als diese auch in einem beliebigen Tutorial auf YouTube lernen könnten. Wer an ihrem Kochkurs teilnimmt, bekommt vorher eine Liste mit den Zutaten, soll live mitkochen. Und Wikström gibt Ratschläge. Die Teilnehmer verabreden sich über den Videodienst Zoom. Wer über Airbnb eine Online-Entdeckung kauft, bekommt anschließend die Zugangsdaten zum virtuellen Raum. Für ihre Kurse hat sich Wikström neues Equipment gekauft – etwa Kameras, damit sie ihre Küche auch aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen kann.

Lhéa Wikström bietet Kochkurse über Airbnb an.

© Promo

Airbnb sucht mit den Online-Entdeckungen einen Weg aus der Krise. Denn das Coronavirus hat das Geschäftsmodell hart getroffen. Nicht nur Erlebnisangebote sind abgesagt, auch Wohnungen dürfen wegen der Kontaktbeschränkungen in zahlreichen Ländern nicht mehr an Touristen vermietet werden. Daran hat Airbnb bisher kräftig mitverdient: Von jedem umgesetzten Euro eines Gastgebers nahm die Plattform eine Kommission zwischen 14 und 20 Cent ein.

Medienberichte spekulieren über massiven Umsatzrückgang

Wie sehr die Umsätze in den vergangenen Wochen zurückgegangen sind, darüber lässt sich nur spekulieren. Schätzungen kommentiert das Unternehmen nicht. Ein Insider soll dem US-Portal „The Information“ jüngst aber verraten haben, dass Airbnb in diesem Jahr mit einem Umsatzrückgang von 54 Prozent auf rund 2,2 Milliarden Dollar rechnet. Und auch das „Handelsblatt“ berichtete kürzlich, dass die Wocheneinnahmen allein in Deutschland von rund 31 Millionen Euro in Mitte Februar nur einen Monat später auf 13 Millionen Euro eingebrochen seien.

Airbnb verweist darauf, dass die Informationen, auf die sich das Blatt bezieht, ungenau seien. Dennoch: Der Konzern dürfte herbe Einbußen verzeichnen. Vermieter berichten in Onlineforen, dass ein Großteil der Gäste ihre Buchungen auch für die anstehenden Sommermonate bereits storniert hätten.

Online-Entdeckungen deutlich günstiger

Auch Wikström hat nahezu täglich Veranstaltungen über Airbnb angeboten. Mal einen Kochkurs in ihrem Haus nahe Stockholm, auch mal einen Rundgang durch die Stadt. Bis jetzt seien die immer ausgebucht gewesen. „Natürlich habe ich mit den Einnahmen gerechnet“, sagt sie. Und die Onlinekurse können bei Weitem nicht kompensieren, was ihr durch die Coronakrise entgeht.

Bei Lhéa Wikström lernen Gäste auch, wie sie ihr Gebäck präsentieren.

© Promo

Für die virtuelle Entdeckung zahlen Gäste je nach Art zwischen einem und 60 Euro. Wikström bietet ihren Kurs ab neun Euro an – und damit deutlich unter dem regulären Preis. Auf das Geld angewiesen sei sie aber nicht. Die Schwedin ist Unternehmerin und hat in zahlreiche Firmen investiert. „Ich biete die Airbnb-Kurse nicht an, um daraus größtmöglichen Profit zu schlagen“, sagt Wikström. Es mache ihr Spaß, darüber neue Leute kennenzulernen.

Airbnb greift Gastgebern unter die Arme

Für zahlreiche Gastgeber dürfte die Coronakrise aber ein finanzielles Desaster bedeuten. Schließlich sind Vermietungen und Veranstaltungen für manche zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Außerdem bleiben sie auf laufenden Kosten sitzen, etwa für Versicherungen oder auf Nebenkosten. Airbnb will seinen Gastgeber deshalb unter die Arme greifen. Wenn ein Gast eine Buchung mit Check- in zwischen dem 14. März und dem 31.Mai storniert, zahlt das Unternehmen 25 Prozent des Betrags, den Gastgeber normalerweise bei Stornierungen erhalten hätten

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Denn wegen der Coronakrise können Touristen das Geld für die Unterkunft vollständig zurückverlangen – ohne wie sonst üblich eine Ausfallgebühr zu zahlen. Dafür macht das Unternehmen 250 Millionen Dollar locker. Vor allem seine beliebtesten Gastgeber will der Zimmervermittler halten. Sogenannte Superhosts können bei Airbnb einen Zuschuss von bis zu 5000 Dollar beantragen, um Mieten oder Hypotheken zu bezahlen.

Neue Investoren beteiligen sich mit einer Milliarde Dollar

Einen Teil des Geldes sollen auch zwei neue Investoren mitbringen. Die Beteiligungsgesellschaften „Silver Lake“ und „Sixth Street Partners“ geben dem Unternehmen eine Finanzspritze von insgesamt einer Milliarde Dollar, wie Airbnb in dieser Woche bekannt gab. Mit dem Geld will sich Airbnb vor allem für die Zukunft nach der Coronakrise wappnen. Und die sieht der Zimmervermittler neben den Entdeckungen vor allem in der Langzeitvermietung, wie Airbnb-Chef Brian Chesky erklärte. So sollen etwa Studenten oder Berufstätige über die Plattform leichter eine Wohnung für mehrere Monate finden können. Das wäre ein deutlicher Schwenk – verdiente Airbnb doch bislang vor allem an Touristen.

"Airbnb gefährdet die Nachbarschaft", steht auf einem Plakat an einer Hauswand in Barcelona.

© AFP

Manche Länder machen es dem Unternehmen bei Langzeitvermietungen aber jetzt schon schwer. Sie räumen Dauergästen nach einer gewissen Zeit etwa dieselben Rechte ein wie Mietern, samt Räumungsschutz und Mietpreisbindung. Zahlreiche Städte sehen in der Plattform einen Preistreiber auf dem ohnehin schon angespannten Wohnungsmarkt.

Lhéa Wikström könnte sich vorstellen, ihre Kurse auch nach der Coronakrise noch online anzubieten. Dadurch hätte sie Zeit, sich weiteren Ideen neben dem Kochen und Backen zu widmen. Und dennoch freut sie sich darauf, Gäste aus aller Welt bald wieder persönlich aufzunehmen. Ihre Schuhe müssten die dann aber wieder ausziehen.

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