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Wirtschaft: „Wir haben uns ans Gesetz gehalten“ Versicherer sehen keine Schuld bei sich

Das Bundesverfassungsgericht hat die Abrechnungspraxis der Lebensversicherer gerügt. Warum haben die Versicherungsgesellschaften so lange gegen die Verfassung verstoßen?

Das Bundesverfassungsgericht hat die Abrechnungspraxis der Lebensversicherer gerügt. Warum haben die Versicherungsgesellschaften so lange gegen die Verfassung verstoßen?

Sie stellen Ihre Frage an den falschen Adressaten. Wir Versicherer haben uns an die geltenden Gesetze gehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bescheinigt, dass Teile des bisherigen Versicherungsrechts nicht mit der Verfassung in Einklang stehen. Nach dem Grundgesetz kann nur ein Gericht die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen abschließend beurteilen, nicht eine Privatperson oder ein Unternehmen.

Haben Sie sich über das Urteil geärgert?

Nein. Der Gesetzgeber muss bis zum 31. Dezember 2007 präzisere Regelungen schaffen, damit die Kunden noch besser nachvollziehen können, wie die Gewinnbeteiligung ihrer Verträge zustande kommt. Diese Forderung des Gerichts nach mehr Transparenz unterstützen wir. Es liegt im besonderen Interesse der Allianz Leben, dass die Kunden den Wert einer Lebensversicherung auch im Konkurrenzvergleich richtig einschätzen können.

Hat das Urteil auch Auswirkungen auf bereits bestehende Versicherungsverträge?

Das Gericht hat dies nicht angeordnet. Es hat dem Parlament einen Handlungsauftrag gegeben, bis spätestens Ende 2007 gesetzgeberisch tätig zu werden und mehr Transparenz für die Versicherungsnehmer zu schaffen.

Bekommen Ihre Kunden durch das Urteil mehr Geld?

Diese Frage haben die Richter nicht entschieden.

Das Verfassungsgericht hat gefordert, dass die Versicherten mehr als bisher an den stillen Reserven der Versicherer teilhaben sollen. Geht es nur um die Schlussüberschüsse, die am Vertragsende gezahlt werden, oder auch um die jährlichen Überschusszahlungen?

Das Gericht spricht mehrfach von der „Zuteilung von Schlussüberschüssen". Wir gehen deshalb davon aus, dass es sich zur laufenden Überschussbeteiligung während der Vertragslaufzeit bewusst nicht äußern wollte. Letztlich müssen wir auch hier abwarten, wie der Gesetzgeber reagiert.

Können Kunden darauf hoffen, dass ihnen nachträglich auf ihre Verträge höhere Überschüsse gutgeschrieben werden?

Das lässt sich unserer Meinung nach nicht aus dem Urteil ableiten.

Müssen Ihre Versicherten irgendetwas tun, um vom Urteil zu profitieren? Gibt es Fristen?

Nein. Das Urteil richtet sich allein an das Parlament. Der Kunde kann die gesetzgeberischen Konsequenzen nicht selbst durch irgendeine Aktivität beeinflussen, er kann aber auch nichts versäumen.

Können Kunden ihre laufenden Verträge jetzt außerordentlich kündigen?

Nein. Weder aus dem Urteil noch aus den vertraglichen Abreden zwischen dem Kunden und uns ergibt sich ein Sonderkündigungsrecht.

Werden Ihre Versicherten künftig bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung finanziell besser gestellt?

Das lässt sich derzeit noch nicht sagen.

Das Verfassungsgericht hat auch die fehlende Transparenz der Verträge bemängelt. Wie reagieren Sie darauf?

Wir halten uns an das geltende Recht und werden das auch in Zukunft tun. Unserer Ansicht nach ist die Lebensversicherung aber heute schon ein sehr transparentes Produkt: Der Kunde weiß von Anfang an, was er jeden Monat an Prämie bezahlt und welche Leistung wir ihm dafür garantieren.

Wie schnell setzt die Allianz das Urteil um?

Nicht wir sind im ersten Schritt gefragt, sondern der Gesetzgeber. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung bleibt es nach der ausdrücklichen Formulierung des Verfassungsgerichts bei der gegenwärtigen Rechtslage.

Die Fragen stellte Heike Jahberg.

Gerhard Rupprecht

ist Chef des größten deutschen Lebensversicherers, der Allianz Leben. Er leitet auch den Hauptausschuss Lebensversicherung beim Versicherungsverband GDV.

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