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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), und Patrick Graichen, Staatssekretär im BMWK (Archivbild)

© dpa/Kay Nietfeld

Trauzeuge im Chefsessel: Habeck räumt Fehler bei Postenbesetzung ein

Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, war direkt am Auswahlverfahren des neuen Dena-Chefs beteiligt. Nun reagiert der Minister.

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat einen Fehler seines Staatssekretärs Patrick Graichen bei der Besetzung des Spitzenpostens bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) eingeräumt.

„Da ist ein Fehler passiert. Da beißt die Maus keinen Faden ab“, sagte Habeck am Freitagabend beim Bühnentalk des Redaktionsnetzwerk Deutschland „RND vor Ort“ in Kiel. Das sei keine schöne Situation. Nach Rücktrittsforderungen an den Staatssekretär stärkte ihm Habeck aber den Rücken: „Patrick Graichen ist meiner Ansicht nach der Mann, der Deutschland vor einer schweren Energiekrise bewahrt hat“, sagte er.

Er habe die Kohlekraftwerke ans Netz gebracht, die Atomkraftwerke länger laufen lassen und die LNG-Speicher wieder in eine gesetzliche Norm gebracht. „Es ist ein Fehler passiert. Für den zahlt er einen hohen öffentlichen Preis“, sagte Habeck. Er habe aber herausragende Dienste im vergangenen Jahr geleistet.

Der Hintergrund: Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen, war an der Vergabe des prestigeträchtigen und hoch dotierten Postens des Dena-Geschäftsführers an seinen Trauzeugen Michael Schäfer (Grüne) direkt beteiligt und hat dies bis zuletzt verschwiegen. Dies räumte das Bundeswirtschaftsministerium ein.

Deshalb soll das Verfahren erneut gestartet werden, um jeden Verdacht einer unerlaubten Einflussnahme auszuräumen, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin.

Zu dem Vorgang hatten der Fachinformationsdienst Tagesspiegel Background und zuletzt auch weitere Medien bereits seit einiger Zeit recherchiert. Das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium ging möglicherweise deshalb in die Vorwärtsverteidigung. Das Verfahren zur Neubesetzung des Vorsitzes der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena) solle „auf Bitten des BMWK überprüft und gegebenenfalls neu aufgesetzt werden“, teilte das Ministerium mit.

Aufgrund eines Fehlers in einem vorgeschalteten Vorauswahlprozess könnte der Anschein einer möglichen Befangenheit entstanden sein.

Aus der Mitteilung des Wirtschaftsministeriums

Es seien zwar rein rechtlich keine Fehler im Verfahren aufgetreten, die Beschlüsse des Aufsichtsrats der Dena seien wirksam. „Aber aufgrund eines Fehlers in einem vorgeschalteten Vorauswahlprozess könnte der Anschein einer möglichen Befangenheit entstanden sein.“ Habeck „bat daraufhin unmittelbar zu Wochenbeginn um interne Prüfung“, teilte das Ministerium mit.

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Das Ministerium stellte den Ablauf wie folgt dar: Im Vorfeld des Auswahlverfahrens sei eine Findungskommission gebildet worden. Diese bestand unter anderem aus dem Parlamentarischen Staatssekretär Stefan Wenzel als Aufsichtsratsvorsitzenden der Dena und „dem fachlich zuständigen Staatssekretär Patrick Graichen“.

Ein externer Personaldienstleister sei mit der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten beauftragt worden. Die Findungskommission habe daraufhin Gespräche mit ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten geführt, eine Vorauswahl getroffen und „legte dem Aufsichtsrat der Dena einen Personalvorschlag auf Basis der besten Qualifikation vor“.

Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) hat Ärger im Haus.
Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) hat Ärger im Haus.

© dpa/Jörg Carstensen

Graichen hatte Habeck erst zu Beginn der Woche informiert

Der Tagesspiegel hatte bereits von anderen Bewerbern erfahren, dass Graichen direkt und persönlich an Vorstellungsgesprächen beteiligt war. Mit der Offenlegung des Ministeriums, dass Graichen nicht nur bei der Begutachtung und Empfehlung zu anderen Kandidaten, sondern auch in die Entscheidung für Schäfer unmittelbar involviert war, bestätigten sich die gravierendsten Befürchtungen zu der Postenvergabe.

Graichen hatte Habeck zudem erst zu Beginn dieser Woche, als in Berlin bereits Gerüchte zu dem Vorgang die Runde machten und Erkundigungen im Umfeld eingeholt wurden, darüber informiert, dass Schäfer sein Trauzeuge war, wie das Ministerium mitteilte. Dass Graichen und Schäfer befreundet sind, ist allerdings seit langem in Berliner Kreisen bekannt.

„Abgekartetes Spiel“ schon im Bewerbungsprozess?

Der 2021 von Habeck eingesetzte Staatssekretär hatte Schäfer bereits zuvor beruflich weitergeholfen. Beim vom Graichen langjährig geleiteten Thinktank Agora Energiewende war Schäfer in den vergangenen Jahren zweimal für kurze Engagements angeheuert worden. Die Geschäftsführerin und der Geschäftsführer der Dena verdienten laut dem jüngsten Geschäftsbericht 2021 zusammen knapp 363.000 Euro. Der größere Anteil soll nach Background-Informationen auf den Vorsitzenden der Geschäftsführung entfallen.

Bewerber auf den Dena-Chefposten hatten dem Tagesspiegel berichtet, sie hätten bereits in den Vorstellungsgesprächen den Eindruck gehabt, es könne sich um ein „abgekartetes Spiel“ gehandelt haben. Ein mögliches Indiz: Die entsprechende Stellenanzeige war am 2. Januar veröffentlicht worden und fiel somit bei vielen in den Weihnachtsurlaub.

Zudem seien ernsthafte Erkundigungen über andere Bewerber von den Headhuntern nicht eingeholt worden. Ein weiteres Problem aus Sicht der Bewerber: Eine ebenfalls am Auswahlverfahren beteiligte Person – und zwar im Aufsichtsrat der Dena – hätten zuvor unter Graichen beim Thinktank Agora Energiewende gearbeitet. Dabei handelt es sich um Stefan Tidow, Staatssekretär im Umweltministerium.

Die Personalie Graichen ist bereits belastet durch die Debatte um Verwandtschaft im vom Ministerium mit Millionenaufträgen beauftragten Öko-Institut. Am Mittwoch war darüber bei einer von der AfD einberufenen Aktuellen Stunde im Bundestag diskutiert worden. Dabei hatte der CSU-Abgeordnete Andreas Lenz in seiner Rede auch kurz auf die Vergabe des Dena-Chefpostens hingewiesen.

Der Dena-Geschäftsführung sitzt seit 2015 Andreas Kuhlmann vor, er muss im Juni seinen Posten räumen. Ab dann ist – nun allerdings mit Vorbehalt – seit Anfang April Michael Schäfer zum neuen Geschäftsführer bestellt.

Dem Vernehmen aus Kreisen des BMWK nach war im Ministerium jedoch bereits unmittelbar nach Übernahme der Regierungsgeschäfte offenbar die Entscheidung gefallen, das SPD-Mitglied Kuhlmann nicht auf dem Posten zu belassen, sondern einen den Grünen näherstehenden Geschäftsführer zu berufen. Schäfer wurde 2006 als Grüner ins Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt, dem er bis 2016 angehörte, unter anderem als energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion. (mit Reuters)

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